"Vorstadtweiber"-Quote? "Das ist den Feuilletonisten wurscht"
KURIER: Bürde oder Freude, dass Sie die erste Folge mit allen Kollegen und der Presse sehen?
Nina Proll: Ich bin angenehm freudig aufgeregt.
Maria Köstlinger: Mir geht es ähnlich wie Nina. Es ist ein leicht kribbeliges, aber positives Gefühl. Ich bin sehr gespannt, weil es doch eine Zeit lang her ist, dass wir gedreht haben. Ich könnte gar nicht sagen, was in der ersten Folge genau passiert.
Proll: Am Ende ist die Party. Ich weiß nur, wie die erste Folge endet, aber was davor passiert, habe ich auch schon wieder vergessen.
Sehen Sie sich die Folgen im Fernsehen denn überhaupt an, oder vermeiden Sie es eher?
Köstlinger: Bei mir ist es tatsächlich wie bei der ersten Staffel so, dass ich ein Jour Fixe habe an diesen Montagen mit einer gewissen Freundschaftsrunde, deren Kinder wiederum Freunde meiner Tochter sind. Wir kochen etwas – und dann wird gemeinsam geschaut.
Proll: Und dazu werde ich mich dann einladen. (lacht)
Köstlinger: Dazu waren auch Leute vom Team eingeladen – und vice versa. Und das will ich heuer wieder so machen.
Sind Sie selbst die kritischsten Beobachter?
Proll: Wer ist kritischer als ich selbst? (beide lachen) Unser Agent, Maria und ich haben den selben Agenten. Klaus Kelterborn beobachtet immer sehr genau. Ihm fallen Dinge auf, die mich gar nicht stören würden. Doch: Ich merke und weiß selber sehr genau, ob ich gut und am Punkt war – oder nicht.
Köstlinger: Bei mir ist es zumeist so, dass es sich schon beim Drehen herauskristallisiert, ob es gut war oder nicht. In der ersten Staffel gab es beispielsweise eine Szene, mit der ich nicht zufrieden war. Trotzdem drängt die Zeit, die Szene muss in den Kasten. Und es ist nicht die Zeit für zig Wiederholungen, bis es dir und allen passt.
Die Quoten der ersten Staffel waren mit bis zu 900.000 sensationell – die Kritiken auch aus Deutschland durchwachsen. Von "Desperate Housewives"-Aufguss (FAZ) und "aufgewärmten Dildoparty-Prosecco-Klischees" (Spiegel) war die Rede. Schmerzen derlei Befunde?
Köstlinger: Bei mir ist es so: Wenn eine Kritik wirklich gut geschrieben ist, ich das Gefühl habe, da weiß jemand, was er tut, dann kann ich besser damit umgehen. Wenn ich das Gefühl nicht habe, ist mir das weniger wichtig.
Proll: Bei mir ist es ähnlich. Über schlechten Kritiken stehe ich nicht komplett drüber. Im Fall der "Vorstadtweiber" hat es mich teils amüsiert. Weil ich das Gefühl hatte, die Journalisten versuchen verzweifelt, irgendetwas zu finden, das die Qualität der Serie heruntermacht. Quasi: Eine Serie, die so eine hohe Quote hat, kann doch nicht gut sein. Kunst und Kommerz schließen sich aus.
Köstlinger: Es ist ja auch nicht nett Menschen gegenüber, die die "Vorstadtweiber" anschauen.
Proll: Aber das ist ja den Feuilletonisten ...
Unisono: wurscht. (beide lachen)
Proll: Ich kann Kolumnisten nicht helfen, wenn sie den Erfolg nicht verstehen. Dann verstehen sie Frauen nicht. Ich finde es arrogant, sich so über das Publikum zu stellen.
Nehmen Sie Quotendruck wahr?
Proll: Derjenige, der den Druck am meisten zu spüren bekam, war mit Sicherheit Uli Brée (Drehbuchautor).
Köstlinger: Natürlich ist der Wunsch da, dass wir die Quote halten können. Die Neugierde ist da, das spürt man.
Für jene, die die ORF-Serie"Vorstadtweiber" nicht kennen. Wie würden Sie dieses Format Dramedy in einem Satz beschreiben?
Proll: Eine Serie von Frauen für Frauen. Geschrieben von einem Mann.
Ist es mehr Drama oder Comedy?
Köstlinger: Es ist sicher mehr Satire als Drama. Es gibt in der zweiten Staffel einige sehr ernsthafte Geschichten, die den ein oder anderen schlucken lassen, wo der Zuseher Mitgefühl bekommen wird. Aber an sich ist es mehr Komödie.
Proll: Uli Brée hat in einem Interview gesagt: Es ist immer eine Frage, wie etwas verhandelt wird: Ich kann einen Autorenfilm darüber machen, wie es ist, wenn eine Frau ein Geschäft schließen und ins Gefängnis muss. Das ist ziemlich traurig und interessiert meist niemanden. Oder ich mache etwas Komödiantisches daraus, erzähle da oder dort ein Märchen und unterhalte einfach den Zuschauer.
Macht es einen Unterschied, ob Sabine Derflinger oder Harald Sicheritz Regie führt?
Proll: Sabine Derflinger hat eine lange Sequenz mit dem Schneiden eines Obstsalates gefilmt. Harald Sicheritz würde das nicht interessieren, glaube ich. Es ist der weibliche Blick auf eine Frau, die zum ersten Mal seit Jahren sexuell befriedigt wurde und Spaß hat, einen Obstsalat zu machen.
Köstlinger: Die "Vorstadtweiber" sind nun einmal auch von einem Mann, Uli Brée, geschrieben. Und ich glaube, dass sich Harald Sicheritz als Regisseur womöglich mehr in die Gedanken des Autors hineinversetzt. Die Männersichten, das glaube ich, kann man da und dort sehen.
In Hollywood wird darüber diskutiert, warum Frauen eine geringere Gage als Männer erhalten. Führen Sie die Debatte auch?
Proll: Ich wollte Bernhard Schir (Serien-Kollege) heute tatsächlich fragen... (beide lachen) Mein Mann und ich zum Beispiel verdienen gleich viel. Ich finde die Diskussion schwierig, weil Schauspieler auch dafür bezahlt werden, wie viele Zuseher sie potenziell vor den Fernseher oder ins Kino locken, also nach Marktwert bezahlt werden. Til Schweiger soll natürlich mehr verdienen als ich.
Köstlinger: Wenn jemand einen so großen Erfolg hat, soll er mehr bezahlt bekommen, das unterschreibe ich sofort. Nun ist es aber so, dass es nach wie vor ein großes Gehaltsgefälle gibt. Man kann nur weiter daran arbeiten, dass sich das ändert.
Proll: Es steht aber auch jeder Frau frei, mehr Gage zu verlangen und den Job abzulehnen. Ich glaube, Männer sind viel eher bereit, zu sagen: Ich nehme das Angebot unter dieser Gage nicht an.
Haben Sie schon Angebote des Gehalts wegen abgelehnt?
Proll: Ja, sicher. Gleichzeitig gibt es auch Fälle von jungen Regisseuren, die wenig Budget haben, deren Geschichte und Drehbuch aber so toll sind, dass ich für weniger Geld arbeite, weil ich weiß, der Film findet sonst nicht statt. Ich entscheide von Projekt zu Projekt.
Sie spielen Theater – macht das etwaige Absagen leichter?
Köstlinger: An sich ist es so, dass man beim Theater ohnehin viel weniger verdient als beim Film. Am Theater ist das Gefälle, dass Männer mehr verdienen als Frauen, noch größer. Es ist nicht einfach, mit Kollegen darüber zu sprechen, um ein richtiges Bild zu haben, wer was verdient. Aber das ist in jeder Branche so: Über Geld spricht man nicht. Ich bin in diesem Beruf unendlich beschenkt. Dennoch bin ich dafür, dass Frauen für die gleiche Leistung langsam, aber sicher gleich viel bezahlt bekommen sollen wie Männer.
Proll: Schauspieler fallen aus jedem Raster. Wir sind Spezialfälle bei der SVA und beim AMS. Hier würde ich mir eine breitere Diskussion wünschen.
Macht der jetzige Erfolg immun gegen Existenzängste?
Köstlinger: An sich ist man als Schauspieler immer in einer unsicheren Position. Auch am Theater. Ein Intendantenwechsel und der neue Direktor will dich nicht mehr – und man ist weg. Bei einer Serie gibt es auch immer ein Risiko: Stimmt die Quote? Geht die Serie weiter? Jetzt, in der Phase von der ersten zur zweiten Staffel, ist es ein herrlicher Polster. Es ist jedoch oft eine sehr kurzfristige Phase, weil es immer wieder das Risiko gibt, lange Zeit nicht engagiert zu sein.
Machen sich Zuseher falsche Vorstellungen vom Alltag eines Schauspielers?
Proll: Die Vorstellungen davon, wie ein Schauspieler lebt und wie viel er verdient, orientieren sich an Hollywood – nicht an der Realität.
Köstlinger: Sobald du im Wohnzimmer im Fernsehen erscheinst, gibt es scheinbar eine andere Hemmschwelle. Ich kann mich nicht beklagen. In meinem Fall waren es immer reizende Menschen, die auf mich zugegangen sind. Ein einziges Mal war es anders. (ahmt Schulterklopfer bei Proll nach): Da hat jemand verwechselt, dass ich nicht eine Rolle spiele, sondern privat auf Skiern stehe.
Proll: Die meisten Leute sind überrascht, dass man ein vollkommen normales Leben führt. In den Supermarkt geht, am Skilift steht ...
Köstlinger: ... oder ich in der Pyjamahose beim Bäcker stehe.
Proll: Wenn man an einem Ort ist, wo Alkohol getrunken wird, sind Leute oft auch ungehemmt. Mir ist das zuletzt in Kitzbühel passiert: Da bin ich eine Viertelstunde lang nicht vom Fleck gekommen, weil die Leute mit den Handys in der Hand " Servas, können wir ein Foto machen?" gerufen und gemeint haben, wir wären alte Freunde.
Gehört es zum Geschäft, auch Privates preiszugeben, wie Sie beide es getan haben? Von Nina Proll weiß man, dass sie sich mit ihrem Mann oft fetzt. Von Maria Köstlinger, dass sie frisch verliebt ist, ihr Haus verkaufen wird.
Köstlinger: (hält inne) Das ist ein heikles Thema, das Sie ansprechen. Ein Schauspieler ist natürlich selbst dafür verantwortlich, was er sagen kann und darf. Ich bin ein sehr offener Mensch und habe an sich keine Probleme, über Dinge zu reden, die mir in meinem Leben schwergefallen sind oder schmerzhaft waren. Das ist auch Teil meiner Persönlichkeit. Gleichzeitig ist es zwischen Journalisten und Schauspielern ein Geben und Nehmen – und manche Aussagen bereue ich auch. Ich ärgere mich manchmal über mich. Dass ich diese Grenze nicht gezogen habe. Und manchmal über Journalisten, weil diese mitunter pietätlos sind, bei privaten Fragen nachbohren.
Proll: Es geht auch darum, was andere Medien daraus machen, wie Zitate aus dem Zusammenhang gerissen werden. Wenn ich einmal sage, ich habe mich mit meinem Mann gefetzt, steht im Internet dann: Ständig fliegen die Fetzen. Ich bin ein sehr offener Mensch, versuche immer, auf persönliche Fragen auch persönliche Antworten zu geben. Manchmal passiert es aber, dass ich mir denke: Hätte ich doch den Mund gehalten.
Köstlinger: Es hat natürlich auch damit zu tun, dass Nina mit Schauspielkollege Gregor Bloéb zusammen ist, der sehr präsent ist. Und es ist schwieriger, wenn du so wie ich jung warst und mit Karlheinz Hackl verheiratet bist, die Öffentlichkeit neugierig ist. Man ist aber selbst schuld, wenn man nicht die Chuzpe hat, zu sagen: Stopp. Das beantworte ich nicht.
Themenwechsel. Haben Sie sich je politisch engagiert? Und können Sie sich vorstellen, einen der Bundespräsidentschaftskandidaten oder Flüchtlingshilfe-Organisationen zu unterstützen?
Köstlinger: Was die Bundespräsidenten-Wahl betrifft, würde ich mich nicht in ein Komitee aufstellen lassen. Was die Flüchtlingshilfe betrifft, ist das etwas anderes. Unsere Kollegin Hilde Dalik engagiert sich beispielsweise extrem. Was wir tun, ist momentan noch im Hintergrund und auf Kleinigkeiten beschränkt: Sowohl im Theater in der Josefstadt als auch wir Vorstadtweiber sammeln Geld, um Wohnungen für Flüchtlinge bereitzustellen.
Proll: Ich engagiere mich sicher zu wenig in politischen Dingen, was damit zu tun hat, dass ich auch zu wenig weiß, um guten Gewissens sagen zu können: Den oder den unterstütze ich. Die Einzigen, die ich einmal politisch unterstützt habe, waren Michael Häupl und Sebastian Kurz.
Warum gerade Häupl und Kurz?
Proll: Es hat für mich einfach persönlich gestimmt. Bei Häupl, weil es mir ein Anliegen war, dass nicht die Blauen gewinnen. Und Sebastian Kurz habe ich als Menschen kennengelernt, der, so mein Eindruck, sehr verantwortungsbewusst mit dem umgeht, wofür er auch oft kritisiert wird: eine härtere Linie. Das steht immer sofort als Gegensatz zu "Flüchtlinge Willkommen". Aber es gibt nicht nur entweder oder.
INFO: Am 14. März um 20h15 in ORF eins startet die zweite Staffel der "Vorstadtweiber". Die weiteren Folgen werden jeweils montags ausgestrahlt.