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ORF-Stiftungsrat "ermattet"

Norbert Kettner ist hauptberuflich Tourismusdirektor der Stadt Wien. Nebenberuflich sitzt er im ORF-Stiftungsrat und ist Teil des SPÖ-„Freundeskreises“, wie die informellen Parteifraktionen im obersten ORF-Gremium heißen. Und als solcher verfolgt er die leidige Standortdebatte des Öffentlich-Rechtlichen erste Reihe fußfrei. Am Montag legte Generaldirektor Alexander Wrabetz den Mitgliedern des Finanzausschusses dar, wie nun der neueste Zeitplan für das Projekt aussieht und wie es finanziert werden könnte – im März soll endlich eine Entscheidung fallen.

Kettner zieht seinen eigenen Schluss aus der jahrelangen Debatte. Er ist von der Diskussion Neubau oder Sanieren im Gegensatz zu anderen Stiftungsräten nicht genervt, sondern „ermattet“, wie er zum KURIER sagte.

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Den mittlerweile als fix geltenden Verbleib am Küniglberg bedauert Kettner. Er hätte im Neubau in St. Marx „eine der größten unternehmerischen Chancen für denORF der letzten Jahre“ gesehen. Weil ein „ökonomischer und unternehmenskultureller Neustart“ ermöglicht worden wäre. Es sei „bedauerlich, dass der gesamte Stiftungsrat drei Jahre beschäftigungstherapeutisch damit befasst war und in Wirklichkeit nichts anderes gemacht wurde, als den Stillstand wort- und zahlenreich zu festigen und einzubetonieren“.

Bei der Benennung der Verantwortlichen ist Kettner vorsichtig: „Die österreichische Realverfassung, in der aufwendiges und energiereiches Administrieren von Stillstand als Fortschritt missverstanden wird. Nach dem Motto, es muss alles anders werden, aber es darf sich nix verändern, siehe die Schuldebatte.“

Das Taktieren um den Neubau ist für Kettner „ein Paradebeispiel dafür, wie politische Ränkespiele pragmatische Entscheidungen torpedieren und letztlich den Stillstand einzementieren“. Politischer Einfluss, „wie er nicht passieren sollte“. Entscheidungsschwäche will Kettner dem ORF-General trotz dessen Taktiererei nicht unterstellen: „Wie agiert ein Vorstand, der weiß, dass sein Aufsichtsrat nicht geschlossen hinter dem Projekt steht? Irgendwann sagt der Vorstand, dann machen wir es halt anders.“

Stillstand billiger

Kettner kritisiert jedenfalls die Genese des Projektes: „Die Konstante im ORF-Prozess war immer, dass in dem Moment, zu dem man eine mutige Entscheidung hätte treffen müssen, irgendwo ein Papier oder eine Berechnung auftauchte, wonach der Stillstand um eine winzige und letztendlich vernachlässigbare Summe billiger sei“. In der Öffentlichkeit sei auch „gezielt mit Teilinfos und Studien gearbeitet worden, um das Projekt zu töten“.

Die Stiftungsräte standen anfänglich einem Neubau offen gegenüber, „doch dann kamen Signale aus dem Unternehmen, dass es nicht Top-Priorität hat“. Abgesehen von den Unwägbarkeiten einer Sanierung sollte im ORF endlich ein Klima geschaffen werden, „dass Weiterentwicklung nicht immer Schrecken bedeuten muss“. Die ORF-Mitarbeiter hätten sich einen Neustart verdient.

Kettner spricht von „gezielter Stillstands-Salamitaktik“ und befürchtet, „genau das wird auch bei der momentanen Diskussion über die Konzentrierung der Standorte am Küniglberg überbleiben, die zumindest noch irgendeine Synergie gebracht hätte. Nach drei Jahren Beschäftigungstherapie im Stiftungsrat bleibt nur noch die Übersiedlung von Ö3 auf den Küniglberg als „Zukunftsprojekt“.

Nicht alle Räte sehen das Thema so negativ: Für SPÖ-„Freundeskreis“-Leiter Josef Kirchberger ist das Projekt „auf geraden Schienen“, wie er zum KURIER sagte.