Netflix-CEO: "Große Internetprovider haben zu viel Macht"
Von Thomas Prenner
futurezone: Netflix ist ab sofort in Österreich verfügbar, was können sich User von dem Dienst erhoffen? Wie erklären Sie sich den Hype?
Reed Hastings: Wir sehen es nicht als Hype, sondern als Aufmerksamkeit. Wir bekommen so viel Aufmerksamkeit, weil wir für einen besseren Weg stehen, Filme und Serien zu schauen. Man kann es wann man will und auf welche Art man will konsumieren. Es ist viel bequemer als im konventionellen Fernsehen. Jeder kann es einfach kostenlos ausprobieren und erleben, wie es ist.
Viele Inhalte, die Sie in den USA anbieten, sind hierzulande aus lizenzrechtlichen Gründen zum Start nicht verfügbar. Glauben Sie Kunden werden es verstehen, dass sie in Österreich den gleichen Preis für weniger Inhalte bezahlen?
Wir wissen, dass die Menschen frustriert sind, weil wir nicht alle Inhalte haben. Wir müssen beginnen und uns aufbauen und wachsen, so, dass wir immer mehr Sachen in unser Portfolio aufnehmen können. Was ich heute allerdings sagen kann, ist, dass wir mehr anbieten, als sich irgendjemand ansehen könnte. In den USA sind wir seit sieben Jahren im Geschäft und als wir dort gestartet sind, hatten wir weit weniger im Angebot als heute in Österreich.
Wie sehen Sie den Umstand, dass man einerseits ein globales Internet hat, das allerdings immer wieder auf regionale Einschränkungen stößt. Wie glauben Sie, wird das in Zukunft sein?
Es ist furchtbar. Wir wollen nicht, dass es so ist und wir wollen nicht, dass das Internet balkanisiert wird und Menschen höhere Preise für weniger Auswahl in den verschiedenen Ländern bezahlen. Um das zu ändern, müssen wir immer mehr eigene Inhalte produzieren. Von uns produzierte Serien wie “Orange Is The New Black” oder “BoJack Horseman” sind global gleichzeitig für alle Kunden verfügbar, von Finnland bis Alaska und Argentinien. Um das zu ermöglichen, müssen wir die Inhalte entwickeln und besitzen. Traditionelle Studios und Fernsehsender wollen das nicht. In fünf oder zehn Jahren werden wir einen einheitlichen globalen Katalog haben, zu dem jeder den gleichen Zugang erhält.
Wie sehen Sie die Zukunft von Netzneutralität? Netflix bezahlt etwa Internetanbieter in den USA, damit sie Netflix-Content schneller anbieten. Wie ist die Situation in Europa?
Es ist in etwa das gleiche wie in den USA. Große Internetanbieter haben einfach zu viel Macht, wodurch sie einschränken, blockieren und zusätzliche Gebühren verrechnen können. Dadurch haben es vor allem kleinere Anbieter am Markt sehr schwer. Wir wollen nicht, dass die Internetanbieter Gewinner und Verlierer bestimmen.
Braucht es den Gesetzgeber, um Netzneutralität zu garantieren?
Ich weiß, dass das Europäische Parlament darüber nachdenkt. Es wäre wichtig, dass hier etwas passiert, da Netzneutralität auch für freie politische Meinungsäußerung enorm wichtig ist.
Haben Sie vor dem Start den österreichischen Markt beobachtet?
Jeder Markt ist einzigartig. Bevor wir irgendwo starten, sehen wir uns verschiedene Aspekte an. Einer ist Piraterie, die es überall gibt. Darüber hinaus beobachten wir lokale TV-Sender. Was wir herausgefunden haben ist, dass Netflix mit dem On-Demand-Angebot überall so erfolgreich war, dass wir es auch nach Österreich bekommen.
Wie sieht es mit den Mitbewerbern von Netflix aus? Wer sind, auch speziell in Österreich, die größten Konkurrenten?
Unser größter Mitbewerber ist das traditionelle Fernsehen. Der zweitgröße ist Piraterie und der drittgrößte sind andere Steaming-Dienste.
Wie stehen Sie zu Piraterie? Glauben Sie, es hat Netflix zum Teil auch den Weg geebnet, weil es Menschen daran gewöhnt hat, Filme oder Serien über das Internet zu konsumieren?
Vielleicht ist das so, ich sehe Piraterie zweigeteilt: Es gibt Menschen, die einfach nicht bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Dann gibt es den anderen Teil - die, die Inhalte wollen, sie aber ohne Piraterie nicht bekommen, um auf dem letzten Stand zu sein. Dieser zweiten Gruppe können wir helfen. In Kanada war BitTorrent sehr populär. Als Neflix dann gestartet ist, ging die Verbreitung stark zurück.
Glauben Sie an freien Content?
Ich glaube nicht an freien Content. Künstler arbeiten hart und ich glaube nicht, dass ihre Inhalte einfach gratis ausgetauscht werden können. Das gute an Netflix ist, dass es legalen Content zu einem günstigen Preis anbietet.
Netflix hat in den vergangenen Jahren geändert, wie Leute Filme und Serien zuhause konsumieren. Was wird sich in Zukunft noch ändern, wie und wo werden Menschen in zehn Jahren Filme und Serien konsumieren?
Um sich vorzustellen, wie es in zehn Jahren sein wird, sollte man sich fragen, wie es vor zehn Jahren war. Seit 2005 haben sich Flachbildschirmen und hochauflösende Inhalte durchgesetzt. Außerdem ist das Internet schneller geworden. In weiteren zehn Jahren bekommt man vielleicht einen Fernseher, der zwei Meter groß ist um 1.000 Euro. Die Internetgeschwindigkeit wird auf einen Gigabit steigen und alles wird daran angeschlossen sein. Man wird ultahochauflösende Inhalte haben und das genießen. Computer werden billiger werden und Handys werden zu kleinen 4K-Monitoren. Und dann wird es Dinge wie Google Glass oder Oculus Rift geben, die Mainstream sind.
Wie schätzen sie die Verbreitung von 4K heute ein? Netflix bietet 4K an und TV-Hersteller warten schon sehnsüchtig auf den Start, weil es derzeit die einzige Möglichkeit ist, 4K-Inhalte zu empfangen. Wann wird 4K am Massenmarkt ankommen?
Vielleicht in fünf Jahren. Menschen kaufen heute einen 4K-TV weil sie wissen, dass sie die Geräte lange verwenden werden. Sie kaufen jetzt schon 4K weil sie wissen, es kommt.
Wie sieht es mit 3D aus?
3D funktioniert nicht gut, weil man dabei Brillen tragen muss. Menschen verlieren sie und mögen das nicht. Darum ist das ein wenig erfolgreiches Angebot. 4K ist wie HD, was sich als sehr erfolgreich herausgestellt hat.
Wie sieht es mit den Zukunftsplänen von Netflix aus? Es werden TV-Shows und Filme angeboten, ein nächster logischer Schritt wäre die Integration von Musik. Dienste wie Spotify sind sehr erfolgreich. Gibt es irgendeine Form von Plänen in Richtung Musikstreaming, um ein Full-Entertainment-Paket aus Netflix zu machen?
Derzeit gibt es keine Pläne, Musik oder Sport anzubieten. Wir bieten seit unserem Start Filme und TV-Serien an und wir werden unseren Fokus dabei belassen.
Könnten sie sich stattdessen Kooperationen mit Diensten wie Spotify anbieten, wo Kunden für eine Pauschale sowohl Netflix als auch Spotify nutzen können?
In manchen Ländern ist Spotify populär, in anderen ist Deezer sehr populär. Unsere Marke dreht sich um Filme und TV-Shows, bei den anderen dreht es sich um Musik.
Glauben Sie, dass man sich durch die Nutzung von Diensten wie Netflix und Spotify selbst einschränkt? So, dass man Filme und Serien, die es nicht auf Netflix gibt, einfach nicht mehr konsumiert, weil es zu viel Aufwand ist, sie zu finden?
Auf manche Menschen trifft das bestimmt zu. Ich selbst schaue noch viel HBO, um Serien wie Veep oder andere zu sehen, die wir leider noch nicht auf Netflix haben. Es motiviert mich, dass, wenn wir Netflix weiter aufbauen, wir vielleicht mehr Shows und mehr Content integrieren können.
Wie sehen Sie den Unterschied zwischen TV-Serien und Filmen?
Sehr gering, es gibt kurze und sehr lange Serien und dann gibt es Filme wie Harry Potter, die in zahlreiche Teile aufgeteilt sind. Es ist ein sehr sanfter Übergang in Sachen Geschichten erzählen.
Erkennen Sie eine Verschiebung von traditionellen Filmen hin zu TV-Serien?
Ja, diese Verändung gibt es. TV-Shows holen derzeit stark auf, auch kinematografisch. Serien wie Breaking Bad und dergleichen sind wundervoll gemacht. Es ist ein Unterschied, wie man ihn aus der Literatur zwischen Kurzgeschichten und Romane gibt. Schlussendlich geht es um die Geschichten.
Bevorzugen Sie Filme oder TV-Serien?
Beides, ich suche einfach nach guten Geschichten.
Welches ist ihr Lieblingsfilm oder ihre Lieblingsserie auf Netflix?
Meine neue Lieblingsserie ist “BoJack Horseman”, das erst vor zwei Wochen herausgekommen ist. Es ist unfassbar schwarzer Humor und die Serie ist in vielen Belangen schockierend. Man denkt sich dabei ständig, man sollte eigentlich darüber nicht lachen.