"Auch wenn es noch so wehtut"
Von Christoph Silber
Viel zu selten, stellt Julia Koschitz fest, viel zu selten arbeite sie in Wien. Und sie lässt an diesem Frühsommerabend den Blick über das geschäftige Treiben auf dem Brunnenmarkt schweifen. Ein Glas Wasser und ein Achterl Wein stehen vor ihr und sie staunt fast, wie sehr sich Wien in den letzten Jahren verändert hat. Hier hat die heute 39-Jährige nach der Matura in Frankfurt ihre Karriere mit der Ausbildung am Schubert-Konservatorium begonnen.
Noch bis Mitte Juli dreht die österreichische Schauspieler nun in der Bundeshauptstadt das ORF-SWR-Drama "Am Ende des Sommers". Koschitz spielt eine Mutter, die ihrem Sohn verschweigt, dass er das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, bis der dem schrecklichen Geheimnis auf die Spur kommt.
"Es geht um die Frage, wie wichtig es für einen Menschen ist zu wissen, woher er kommt, auch wenn es noch so wehtut. Und auch darum, ob man Geschehenes einfach für vergessen erklären kann", sagt sie im KURIER-Gespräch.
Fordernd
Es ist eine Geschichte, die es in sich hat, die fordert. Wieder einmal. So, wie auch beim Krebs-Drama "Pass gut auf ihn auf", für den die in Brüssel Geborene heuer vielfach – unter anderem mit dem Deutschen Schauspielerpreis – ausgezeichnet und für die ROMY nominiert wurde. Oder wie beim ebenfalls mehrfach, auch international preisgekrönten "Wunder von Kärnten". Oder dem Suizid-Film "Der letzte schöne Tag", mit denen sich Koschitz in die erste Reihe einer neuen Schauspieler-Generation gespielt hat. Dass dies alles Dramen sind, ist Zufall und auch nicht. Koschitz: "Ich mag Komödien und ich würde sehr gern und bald wieder in einer Komödie spielen." Ihr Talent in diese Richtung ist nicht zuletzt durch die Speed-Dating-Komödie "Shoppen" dokumentiert. "Aber wenn mir eine besseres Drama angeboten wird, wähle ich das: Es ist mir immer wichtiger, dass ich damit – also mit der Geschichte – etwas erzählen kann. Ich habe auch den Eindruck, dass im Augenblick eher gute Dramen im Umlauf sind."
Casting
An "Am Ende des Sommers" hat die Schauspielerin das Buch von Agnes Pluch gereizt und die Möglichkeit, erneut mit Regisseur Nikolaus Leytner zu arbeiten, die beide für den internationalen Erfolgsfilm "Die Auslöschung" Pate standen. Dazu gestoßen ist sie allerdings ganz klassisch über ein Casting.
"Ich gehe oft zu Castings, auch wenn ich inzwischen, Gott sei Dank, viele Rollen so bekomme. Ich finde Castings aber absolut in Ordnung. Auch wenn der Schauspieler dabei unter Beobachtung steht, kann man im Gegenzug schauen, ob der Regisseur zu einem passt", meint Koschitz. Mit diesem Zugang und auch Glück, wie sie einräumt, hat sie grobe Missgriffe bisher vermieden. "Ich versuche, nicht meiner Sehnsucht des Unbedingt-spielen-Wollens nachzugeben, wenn das Buch nicht stimmt. Das Projekt muss passen."
Ob Haupt- oder Nebenrolle, das spielt für Koschitz keine Rolle. Im Kinofilm "Wir sind die Neuen", der am 15. August in Österreich startet, ist sie nur mit einem einzigen Satz vertreten. "Aber der Film gefällt mir." Neben der kleinen Kino-Komödie "Bocksprünge" kommt im Herbst dann aber Großes ins deutsche Kino: die Tragikomödie "Hin und Weg", ein Roadmovie mit Florian David Fitz, Jürgen Vogel, Volker Bruch und Hannelore Elsner.
Zur Person
Julia Koschitz Die Schauspielerin wurde in Brüssel als Tochter von Wiener Eltern geboren, am Wiener Schubert-Konservatorium ausgebildet und u. a. in „Das Wunder von Kärnten“ und der Verfilmung von Daniel Kehlmanns „Ruhm“ bekannt geworden.
Aktueller Dreh Noch bis Mitte Juli steht Koschitz für das TV-Drama „Am Ende des Sommers“ in Wien vor der Kamera. Regie führt Nikolaus Leytner, Drehbuch: Agnes Pluch.