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Böhmermann: Anzeigen auch gegen ZDF-Mitarbeiter

Das Schmähgedicht gegen Erdogan zieht weiter Kreise. Dem deutsche Satiriker Jan Böhmermann drohen rechtliche Schritte wegen „Beleidigung eines Staatsoberhaupts“. Nun sind auch Anzeigen gegen Verantwortliche des ZDF eingegangen. Um wen es sich handelte, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten.

Gegen das ZDF-Studio in Istanbul wurden indes faule Eier geworfen; Demonstranten forderten laut Tagesspiegel eine Entschuldigung.

Auslöser

In dem beanstandeten Beitrag, den Böhmermann selbst als Schmähkritik angekündigt hatte, sagte er unter anderem über Erdogan, er sei "sackdoof, feige und verklemmt", habe einen kleinen Penis und eine Vorliebe für Sodomie. Der Beitrag war eingebettet in eine längere Passage, in der Böhmermann mit seinem Sidekick Ralf Kabelka erörterte, wie weit Satire gehen könne. Kabelka informierte in dem erklärenden Dialog, Schmähkritik sei nicht erlaubt. Als Beispiel für eine solche medienrechtlich bedenkliche Beschimpfung rezitierte Böhmermann dann das beanstandete Gedicht.

Wann kann es zu einem Verfahren kommen?

Die Staatsanwaltschaft will zur Beweissicherung einen Mitschnitt des in der Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragenen Schmähgedichts anfordern. Anschließend werde geprüft, ob die formalen Voraussetzungen für eine Strafverfolgung erfüllt seien. Dies sei nur möglich, wenn die türkische Regierung ein Strafverfahren verlange und die Bundesregierung eine Ermächtigung erteile. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete den Beitrag in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als „bewusst verletzend“. Regierungssprecher Steffen Seibert machte am Mittwoch aber deutlich, dass die Kanzlerin den türkischen Regierungschef nicht eigens wegen des Schmähtextes angerufen habe. Das Thema sei lediglich bei dem länger vereinbarten Telefonat zur Sprache gekommen.

Nächste Sendung

Mit Spannung wird nun die nächste Böhmermann-Sendung am Donnerstag (7.4.) erwartet. Auf Twitter spielt Böhmermann mit dieser Erwartungshaltung zum "Neo Magazin":

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Nachgelegt

Auch die deutsche Satiresendung "extra 3" legt im Konflikt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach. "Wir würden gerne einmal in der Sendung was bringen, worüber Erdogan lachen kann. So was wie mit einem Wasserwerfer Demonstranten umfahren. Aber ... für so was fehlt uns das Geld", sagte Moderator Christian Ehring in der Mittwochabend ausgestrahlten NDR-Sendung.

Ehring bezeichnete den türkischen Präsidenten als "unseren Stammzuschauer". Zugleich mokierte er sich darüber, dass im Konflikt mit Erdogan die Satire als europäischer Wert verteidigt werde. Denn angesichts des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals stelle sich die Frage, ob es überhaupt noch europäische Werte gebe. "Europa begibt sich komplett in Erdogans Hand. Kein Wunder, dass er größenwahnsinnig wird."

Böhmermann hatte mit seinem Schmähgedicht auf den Disput zwischen Erdogan und "extra 3" reagiert.

"Das ZDF versicherte auf Nachfrage, dass es sich nicht um einen Aprilscherz handle", vermerkte die Deutsche Presseagentur am Freitag am Ende eines Berichts; und diese Aprilscherzverdachtentkräftigung war ein so trauriger wie passender Schlusspunkt unter eine TV-Woche, bei der man sich oft und oft fragen musste, ob wir das alles eigentlich ernst meinen.

Das ZDF hatte ein Satirevideo gelöscht; und weil es sich um ein Video von Jan Böhmermann handelte und den 1.April, war man verunsichert. Hat das ZDF ernsthaft ein Satirevideo gelöscht? Hat Böhmermann – der einst behauptete, das Video mit dem Varoufakis-Mittelfinger gefälscht zu haben – die Löschung gefälscht? Was soll man rufen, "Zensur" oder "Reingefallen" ? Und wer, wem?

Böhmermann hatte, in Anspielung auf einen Politstreit um ein Erdogan-Lied, all das im Fernsehen gesagt, was man nicht über Erdogan sagen könne im Fernsehen. Es waren lauter superarge, böse, jenseitige Sachen. Eine überlebensgroße Aufregungsvorlage für alle, für Erdogan, für Türkenkritiker, Satirekritiker, Kritikenkritiker.

Dieser Provokations-Super-GAU wurde bereitwillig angenommen. Und Böhmermann hat damit, in Wirklichkeit, etwas ganz anderes über uns alle gesagt; etwas, das man letzte Woche wieder deutlich sah. Nämlich, dass wir uns über alles sofort aufregen. Dass TV-Gespräche als Schlachten mit Gewinnern und Verlierern geführt werden, dass Zuhören und Zwischentöne Ertragen zuviel verlangt sind. Hinweis: Das ist auch kein Aprilscherz.