Armes Schwein: Wie viel die Sparer seit der Krise verloren haben
Die Österreicher sind ein Volk der Sparer, daran hat die Finanzkrise nichts geändert. Im Gegenteil. Ende 2018 hatten Herr und Frau Österreicher rund 250 Milliarden Euro Einlagen bei der Bank – ein Zuwachs von 4,8 Prozent zum Jahr davor.
Das klassische Sparbuch verliert dabei an Attraktivität; Online-Sparformen wie Anlagecards oder täglich fällige Einlagen verzeichnen Zuwächse. Zinsen gibt es ohnehin da wie dort kaum.
Einbuße 1513 Euro
Vernünftig ist das freilich nicht, denn so ist das mühsam Angesparte immer weniger wert: Zwar wird der Betrag auf dem Konto, im Sparbuch oder auf der Anlagecard nicht kleiner. Aber man kann sich weniger darum leisten, weil die Mini-Zinsen die Teuerung nicht abgelten.
Wie viel kann dieser Wertverlust ausmachen? Ludwig Strohner vom Forschungsinstitut EcoAustria hat für den KURIER nachgerechnet. Und die Beträge sind erstaunlich: Im Vorjahr büßten Österreichs Sparer rund 4,4 Milliarden Euro an Kaufkraft ein. Seit dem Ausbruch der Krise, also 2008, summiert sich dieser Verlust schon auf 25,3 Milliarden Euro, weil die Zinsen in jedem einzelnen Jahr – ausgenommen das Rezessionsjahr 2009 – niedriger waren als die Teuerungsrate.
Für einen typischen österreichischen Haushalt (Median), der exakt in der Mitte der Sparstatistik liegt und 14.600 Euro auf der hohen Kante hat, macht der Wertverlust seit 2008 schon 1513 Euro aus.
Wie die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) betont, sind längere Phasen mit – so der Fachjargon – „negativen Realzinsen“ keine Seltenheit. Das sei seit 1949 sogar in der Hälfte aller Jahresquartale der Fall gewesen.
Historisch billige Kredite
Es gibt überdies Profiteure des Zinstiefs: Jene, die Kredite zurückzahlen müssen. Es war noch nie so günstig sich zu verschulden. Der Trend, die niedrigen Zinsen für Wohnbaufinanzierungen zu nutzen, hat sich im Vorjahr fortgesetzt. Private haben um 4,9 Prozent mehr Kredite für den Hausbau oder Eigentumswohnungskauf aufgenommen als ein Jahr zuvor.
Bei den Unternehmen konzentrierte sich der Großteil des Kreditwachstums auf die Baubranche sowie das Grundstücks- und Wohnungswesen, deren Geldaufnahme um 8,1 Prozent zunahm.
Private erhielten Ende des Vorjahres Wohnbaukredite zu historisch niedrigen Zinsen von 1,82 Prozent. Die Mehrheit greift nicht mehr wie früher zu variabel verzinsten Finanzierungen, sondern sichert sich die günstigen Zinsen für zumindest fünf Jahre.
Dass sich hier ein Risiko aufbaut, glaubt die OeNB allerdings nicht. Sie sieht keine Überhitzung oder gar eine Blase am heimischen Immobilienmarkt, die platzen und somit in fallende Preise münden könnte. Das Wohnbaukreditwachstum sei in anderen EU-Ländern sogar noch höher als in Österreich. „Wir liegen hier im Durchschnitt“, sagt Johannes Turner, Leiter der Statistik in der Nationalbank.
Währungsfonds sieht Risiko bei Immobilien
Weil mit Zinsen nichts zu holen ist – weder mit Sparprodukten noch Anleihen – suchen Investoren einträglichere Anlagen. Deshalb haben im vergangenen Jahrzehnt die Immobilienpreise massiv angezogen. Und das zeitgleich in vielen Ländern und Städten.
Die kräftigsten Steigerungen gab es laut Internationalem Währungsfonds im irischen Dublin: Dort sind die realen Hauspreise von 2013 bis Mitte 2018 um durchschnittlich 8,2 Prozent gestiegen. Und das pro Jahr.
Auch Neuseeland und Australien sind teure Pflaster: In Auckland und Sydney wurden die Häuser jährlich um 8 bzw. 5,2 Prozent teurer. Dahinter folgen Toronto, Oslo, Kopenhagen, London, Amsterdam, Berlin und Tokio. Auch Wien spielt vorne mit – mit 3,5 Prozent Preisanstieg pro Jahr.
Seit der Krise 2018, die vom überhitzten US-Immosektor ausging, wird das kritisch beäugt. Ein abruptes Einbrechen der Preise hätte fatale Folgen: Privatpersonen könnten sich weniger leisten,die Bankbilanzen würden strapaziert würden. Hohe Preise, steigende Zinsen, schwächelnde Konjunktur: Der IWF sieht ein „erhöhtes Risiko auf Sicht von drei Jahren“. Paradoxerweise seien Länder, die die Immokrise 2007 traf, heute weniger gefährdet als andere.