EU-Milliarden für junge Arbeitslose ungenutzt
Es sind alarmierende Statistiken: Jeder fünfte Europäer unter 25 Jahren ist derzeit ohne Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz, in Summe sind das 5,3 Millionen Jugendliche. In einigen Ländern wie Spanien oder Griechenland übersteigt die Jugendarbeitslosigkeit seit Langem deutlich die 50-Prozent-Marke.
Auf der europäischen Agenda ist der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit seit Längerem eine der obersten Prioritäten: Um gegenzusteuern, haben die Staats- und Regierungschefs im April des Vorjahres eine europäische Jugendgarantie nach österreichischem Vorbild beschlossen: Alle arbeitslosen jungen Menschen unter 25 sollten innerhalb von vier Monaten nach Verlassen der Ausbildung oder eines Arbeitsplatzes einen neuen Job, eine Lehrstelle, ein Praktikum oder eine Weiterbildung erhalten. Für die Jugendbeschäftigungsinitiative stehen seit dem Sommer 2013 sechs Milliarden Euro zur Verfügung, die Mitgliedsstaaten mit einer Jugendarbeitslosigkeit über 25 Prozent für ihre Projekte in Anspruch nehmen können (Österreich und sieben andere Staaten erhalten kein Geld).
Langsamer Start
"Unverantwortlich, es tut weh, das zu sehen", sagt Heinz K. Becker, Sozialsprecher der ÖVP im EU-Parlament, zum KURIER. "Die EU kann nicht ordentlich helfen, wenn die Regierungen in einigen Mitgliedsstaaten ihre Hausaufgaben nicht machen. Die jungen Leute müssen erleben, dass ihr Land nichts für sie tut." Als Ursache für die hohe Jugendarbeitslosigkeit und den trägen Kampf dagegen sieht Becker "jahrzehntelange Versäumnisse in den Krisenländern, bei denen wir jetzt nicht länger wegschauen dürfen". Dass Länder wie Spanien oder Griechenland die vorhandenen Mittel nicht abrufen, kann Becker nicht nachvollziehen: "Es gibt genug Vorbild-Modelle, etwa das duale Ausbildungssystem in Österreich oder das AMS als Beispiel für funktionierende Arbeitsvermittlung."
SPÖ-Mandatarin Evelyn Regner meint gegenüber dem KURIER, "die Jungen können sich bei den Banken bedanken, denn mit der Krise ist die Jugendarbeitslosigkeit explodiert". Regner will aus der Jugendgarantie einen Rechtsanspruch für Jugendliche machen: "Wir brauchen endlich Verbindliches, um dieses gesamteuropäische Problem in den Griff zu bekommen." Um die "garantierte Jugendgarantie" zu verwirklichen, sollen die Mittel laut Regner von sechs auf 21 Milliarden aufgestockt werden.
Herr Akinmuko hat es geschafft: Der gebürtige Nigerianer, der viele Jahre in Österreich als Schweißer gearbeitet hatte, verlor mit 60 Jahren seinen Job. „Mit diesem Alter machte ich mir über einen Neuanfang keine Illusionen“, erzählt er. Über die gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung Trendwerk fand er dennoch zurück in den Arbeitsmarkt und ist jetzt bei der Firma Strehle als Schlosser beschäftigt.
Mit insgesamt drei gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassern arbeitet das Arbeitsmarktservice Wien zusammen. Dort werden Langzeitarbeitslose (weniger als drei Monate Beschäftigung binnen eines Jahres) einige Wochen geschult, bevor sie als Leasingarbeitskräfte an Unternehmen verliehen werden. Die Firmen bekommen einen Teil des Gehalts vom AMS subventioniert. Ziel sei es, dass die Leasingarbeiter auf Dauer übernommen werden“, erklärt die Wiener AMS-Chefin Petra Draxl.
63 Millionen Euro steckt das AMS Wien heuer in diese Job-Suche für Langzeitarbeitslose. 17.000 Personen wurden an die drei gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser vermittelt, 8600 wurden dort angestellt.
Rund ein Viertel davon schafft es wie Herr Akionmuko, längerfristig von einem Betrieb übernommen zu werden.
Man mag es kaum glauben: Da beschließen die EU-Regierungen einen Milliarden-Topf für die Jugendbeschäftigung – und dann schaffen es im ersten Jahr gerade einmal zwei Länder, das Geld mit passenden Projekten in Brüssel "abzuholen". In Griechenland und Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit am höchsten ist, ist noch kein Cent für die Jungen angekommen.
Dass einige Regierungen ihre "Hausaufgaben" nicht gemacht haben, ist offensichtlich. Nur ist es nicht alleine ihr Problem: Wenn in einigen EU-Staaten eine "verlorene Generation" heranzuwachsen droht, geht uns das alle etwas an.
Diese Solidarität wird in Europa zwar oft beschworen, aber nicht ganz so oft gelebt. Und mitunter als reine Geld-Umverteilung missverstanden: Zu lange wurden Fördergelder zu locker vergeben; zu oft wurden Augen zugedrückt, wenn Reformen langsamer kamen oder gar nicht.
Ein Bärendienst: Heute kämpfen die Krisenländer mit dem Reformstau – und sind auch wegen ihm nicht in der Lage, an die Mittel zu kommen, die mittlerweile knapp sind und daher besser kontrolliert. Wer helfen will, schickt zuerst Experten – und dann einen dicken Scheck hinterher.