Hoch qualifiziert auf der Reservebank
Von Anita Staudacher
Zu wenige Chemiker? Technikermangel? Marion Graupner, Dariusz Mieciellica, Michael Schöppl und Martina Opelka wissen anderes zu erzählen. Die vier Akademiker haben ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium absolviert, reichlich Berufs- und teilweise Auslandserfahrung gesammelt – und sind seit Monaten arbeitslos.
Konkurrent Sohn
Alarmsignal
Zwar ist die Arbeitslosenquote bei Akademikern mit 3,2 Prozent im Vergleich zu geringer Qualifizierten noch immer niedrig, der Anstieg ist jedoch stärker als in den anderen Bildungsschichten. Im Juli stieg die Akademikerarbeitslosigkeit mit 17,7 Prozent fast doppelt so stark wie die allgemeine. Für Experten ein Alarmsignal, dass der Wettbewerb um Top-Jobs immer härter wird.
Thomas Wychodil, Leiter des AkademikerInnenzentrums, kennt dafür gleich mehrere Gründe: Durch die allgemeine Höherqualifizierung und Zuwanderung gibt es schlicht mehr Konkurrenz; in der öffentlichen Verwaltung herrscht vielfach Aufnahmestopp; internationale Konzerne haben in Österreich zuletzt mehr Stellen ab- als aufgebaut. "Headquarters wandern ab, wir spüren den globalen Wettbewerb", so Wychodil. Dazu kommt, dass Betriebe aus Kostengründen HTL- oder FH-Absolventen den Uni-Absolventen vorziehen.
"Es werden nicht Techniker gesucht, sondern billige Techniker", bestätigt der 57-jährige Bauingenieur Michael Schöppl. Früher sei man als guter Techniker über dem Kollektivvertrag entlohnt worden, heute könne man froh sein, überhaupt ein Angestelltenverhältnis zu bekommen. Mit über 50 sei man ohnehin schon einem Ausleseverfahren unterzogen, auch wenn man Erfahrung vorweisen könne. Jetzt will er es als Mathematik-Nachhilfelehrer versuchen.
Falsches Alter
Erfahrung und Know-how hat auch die 54-jährige Informatikerin Martina Opelka reichlich, aber "das falsche Geburtsdatum", wie sie nach 65 abgeschickten Bewerbungen nüchtern feststellt. "Ich habe das Gefühl, die Personalchefs schauen bei der Bewerbung aufs Alter – und weg damit." Es zu verschweigen mache keinen Sinn, "die merken das ja am Lebenslauf". Die Diplomingenieurin, die im Siemens-Umfeld arbeitete, bleibt trotz der vielen Absagen optimistisch: "Irgendwann wird es klappen."
Das AMS reagiert auf die steigende Arbeitslosigkeit mit einer neuen, gezielten Betreuung. So bietet das AkademikerInnenzentrum Wien vier verschiedene Unikurse, Einzelcoaching sowie Fachvorträge an und unterstützt Bewerbungen. Ziel ist es, dass zumindest 40 Prozent der Teilnehmer danach wieder einen regulären Job finden. Das Programm läuft noch bis Februar 2015, soll aber verlängert werden.