Wirtschaft

Alan Greenspan: Magier des Geldes oder doch "Mr. Blase"

Eigentlich wollte er Musiker werden. In der Jugend gehörte seine Leidenschaft dem Jazz, in einer Band spielte er die Klarinette. Später gab Alan Greenspan ganz woanders den Ton an: 18 Jahre lang – vom Sommer 1987 bis Ende Jänner 2006 – war er Chef der US-Notenbank Federal Reserve (kurz Fed genannt). Ein Rückblick zum 90. Geburtstag des Ökonomen und Zahlen-Freaks, der in den vergangenen Jahren viel von seinem Nimbus als unfehlbarer Magier des Geldes eingebüßt hat.

Greenspan, Sohn einer jüdischen Familie (der Vater war Börsenmakler), hatte schon bald nach seiner Ernennung zum Fed-Chef durch seinen Freund Ronald Reagan alle Hände voll zu tun. Am 19. Oktober 1987, dem "Schwarzen Montag" an der Wall Street, stürzte der Dow-Jones-Index um mehr als 22 Prozent ab – ein Rekordeinbruch. Greenspan reagierte so, wie er es später in Krisenfällen immer wieder tun sollte: Er pumpte zusätzliche Gelder in den Markt und senkte die Leitzinsen. Die Medizin wirkte.

Auch 1998, als nach der Asienkrise auch noch ein Zahlungsausfall Russlands und eine mögliche Pleite des Hedgefonds LTCM kamen und sich ein systemisches Risiko zusammenbraute. Das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, die Terroranschläge am 11. September 2001 – immer wieder gab es Kursstürze an den Börsen, auf die der Fed-Chef mit Zinssenkungen reagierte. Kein Wunder, dass die Börsen- und Wirtschaftswelt gebannt an seinen Lippen hing, in der Hoffnung, seinen vernuschelten und verschnörkelten Aussagen Indizien für das weitere Vorgehen der Fed zu entnehmen. "Greenspeak" wurden seine Äußerungen genannt, weil sie oft derart nebulös waren, dass sie vor allem für Ratlosigkeit sorgten. Trotzdem wurde er als mächtigster Mann der Welt verehrt, der alles im Griff hatte.

Mitschuld

Das Platzen der Blase auf dem US-Häusermarkt 2007 und die folgende Finanz- und Wirtschaftskrise, die so gut wie den ganzen Globus erfasste, sorgten allerdings für tiefe Kratzer im Image Greenspans. Er trage zumindest die Mitverantwortung dafür, dass die Häuserpreise in derart astronomische Höhen gestiegen waren, weil er die US-Leitzinsen viel zu lange im Keller gehalten hatte.

Der Allianz-Konzern hat in einer Analyse unter die Lupe genommen, ob Greenspan tatsächlich anders als seine Vorgänger agiert hat. Die Analyse hat eine leichte Asymmetrie ergeben. Das heißt: Bei fallenden Finanzmärkten senkte die Fed unter Greenspan die Leitzinsen früher und stärker, bei steigenden Assetpreisen reagierte sie später mit Zinsschritten nach oben.

Greenspan als Ursache für die Finanzkrise? Er selbst sieht sich zu Unrecht kritisiert. Die damals tiefen Hypothekenzinsen hätten nichts mit den tiefen Leitzinsen zu tun gehabt, sagte er vor 2013 in einem Interview mit der Welt am Sonntag.