Wirtschaft

Akten-Skandal: Finanzpolizei zeigt Magistrat Linz bei der Staatsanwaltschaft an

Die Finanzpolizei hat alle Hände voll zu tun. Seit dem Vorjahr liegt der Schwerpunkt in der Bekämpfung von organisierter Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung von Ausländern sowie in der Aufdeckung von Lohn- und Sozialdumping im Baugewerbe und in der Gastronomie. Dabei geht es auch um die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Unterentlohnung von Arbeitnehmern.

Die Finanzpolizei Linz ist mit einem Dutzend Ermittler am Werk. Jeder Gesetzesverstoß wird bei der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt. Im Fall von einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes stellen die Finanzpolizisten einen Strafantrag, der auch eine Empfehlung für das festzusetzende Strafmaß beinhaltet. Die Behörde muss ein Verwaltungsstrafverfahren einleiten und entsprechende Bescheide mit zum Teil sehr empfindlichen Strafen verhängen (siehe unten). In den Ländern sind die Bezirkshauptmannschaften dafür zuständig, in den Städten wie Linz der Magistrat.

Schwere Vorwürfe

Doch die Verfolgung dieser "schwarzen Schafe" wird in der oberösterreichischen Landeshauptstadt angeblich unterminiert. Vor vierzehn Tagen ist der Linzer Finanzpolizei offenbar der Kragen geplatzt. Sie hat eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Linz eingebracht, wie gut informierte Justizkreise bestätigen. Grund der Anzeige: "Die Nichterledigung von Verwaltungsstrafverfahren durch den Magistrat der Stadt Linz". Das klingt stark nach Verdacht auf Amtsmissbrauch. Zugleich ist der öffentlichen Hand durch die Nichtverhängung der Strafen viel Geld entgangen. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe zurückgewiesen.

Brisante Strafanzeige

"Eine Überprüfung ergab, dass durch den Magistrat der Stadt Linz seit Jahren Hunderte durch die Finanzpolizei zur Anzeige gebrachten Sachverhalte (...) nicht bearbeitet werden, wodurch die Verfolgungsverjährung eingetreten ist", heißt es in der Sachverhaltsdarstellung der Finanzpolizei. "Konkret liegen für den Bereich der Finanzpolizei Linz 171 förmliche Einstellungen wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung vor." Oder anders gesagt: Leitet der Magistrat innerhalb eines Jahres kein Verwaltungsstrafverfahren gegen die angezeigten Unternehmen und Geschäftsführer ein, können diese nicht mehr verfolgt werden. Im konkreten Fall geht es um Anzeigen, die Anfang 2016 eingebracht wurden.

Zehn Anzeigen gegen eine Firma

In einem anderen Fall sollen seit 2013 gegen ein- und dieselbe Firma aus dem Baunebengewerbe sogar insgesamt zehn Strafanträge gestellt worden sein, ohne dass auch nur ein einziger Strafbescheid vom Magistrat Linz erlassen worden sein soll.

Die Folgen sind gravierend: Das besagte Unternehmen gilt vor der Behörde weiterhin als unbescholten, sprich als Ersttäter. Indes würde das Bauunternehmen als Wiederholungstäter die volle Härte des Gesetzes (siehe unten) treffen. Seriösen Bauunternehmern, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen und unter den wettbewerbsverzerrenden Machenschaften der "schwarzen Schafe" leiden, müsste die Galle hochkommen.

Weitere 447 Fälle?

Dem nicht genug. Die Finanzpolizei Linz hat dem Magistrat in weiteren 447 Fällen aus den Jahren 2013 bis 2015 Angaben über Verstöße von Unternehmen übermittelt.

Was damit geschah, wissen die Finanzer bis heute nicht. Sie haben in diesen Fällen als reiner Informationslieferant fungiert und keine Parteienstellung. Sie sind an diesen Verfahren nicht beteiligt und haben keine Akteneinsicht.

"Es ist davon auszugehen, dass auch in diesen Fällen keine Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurden", heißt es in der Anzeige.

Laut gut informierten Kreisen soll diese Misere beim Magistrat Linz mit "Personalmangel" begründet werden. Ein angebliches Angebot des Magistrats an die Finanzermittler, in monatlichen Besprechungen gemeinsam die Einstellungen festzulegen, sollen diese aber brüsk abgelehnt haben. Die Finanzpolizisten wollen sich nämlich nicht dem Verdacht eines Amtsmissbrauchs aussetzen.

Saftige Verwaltungsstrafen - bis zu 50.000 Euro

Verstöße gegen das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz(AVRAG), das Lohn- und Sozialdumpinggesetz (LSD-BG), das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das Ausländer-Beschäftigungsgesetz (AuslBG) und das Arbeitskräfte-Überlassungsgesetz (AÜG) können teuer werden. Eine falsche oder verspätete Anmeldung von Arbeitnehmern kostet pro Kopf 500 bis 5000 €, bei Wiederholung bis zu 10.000 €. Das gilt auch für die Nichtmeldung eines grenzüberschreitenden Einsatzes von Arbeitskräften. Wird die Einsicht in die Unter- lagen verweigert, kostet das bis zu 10.000 €; bei Wiederholung sogar 20.000 €. Bei Unterentlohnung (mehr als drei Mitarbeiter) sind pro Kopf 2000 bis 20.000 € fällig, beim zweiten Mal schon 4000 bis 50.000 €.

Linzer Bürgermeister Klaus Luger zum KURIER-Bericht:

"Es gibt nichts zu verbergen. Mögliche Verfehlungen werden aufgezeigt!"

Die eingebrachte Anzeige der Finanzpolizei an die Staatsanwaltschaft wegen Nichtbearbeitung von eingebrachten Sachverhalten beim Linzer Magistrat sowie des Eintritts der Verfolgungsverjährung bei Strafverfahren nahmBürgermeister Klaus Luger zum Anlass, eine Prüfung des Kontrollamtes zu veranlassen. Faktenlage ist, dass es tatsächlich Rückstände gegeben hat, seit September 2016 diese jedoch intensiv abgearbeitet werden. Das städtische Kontrollamt prüfte im 4. Quartal 2016 turnusmäßig den Geschäftsbereich Abgaben und Steuern und gab Empfehlungen ab. Diese werden bereits umgesetzt. Dennoch beauftragte Bürgermeister Klaus Luger heute eine weiterführende intensivere Prüfung durch das Kontrollamt. „Es gibt nichts zu verbergen. Jetzt muss die Staatsanwaltschaft an uns herantreten. Bislang sind mir nur Medienberichte bekannt. Der Magistrat wird konstruktiv mitarbeiten und alle Zahlen auf den Tisch legen. Erst anschließend ist zu beurteilen, ob es seitens des Magistrats Verfehlungen gegeben hat“, betont Bürgermeister Klaus Luger. Weiters stellt das Stadtoberhaupt klar, dass Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz besonders zu bekämpfen seien. Hierbei ginge es nicht nur um Steuern, sondern um Gerechtigkeit und um den Schutz von ArbeitnehmerInnen.