Aida wagt sich in die Bundesländer
Herbert K. geht seit 30 Jahren jeden Tag zwei Mal in die Aida-Filiale in der abgelegenen Schönthalergasse in Wien-Floridsdorf, gleich neben dem Aida-Produktionswerk. Warum ausgerechnet hierher? Und wieso so oft?
„Hier in der Gegend gibt es nicht viel andere Möglichkeiten, und ich treffe meine Freunde“, sagt der Pensionist. Erste Sonnenanbeter sitzen an dem milden Februarvormittag auf den rosa Gummi-Spaghetti-Sesseln im Gastgarten vor der Kaffee-Konditorei. Für sie alle gibt es aber noch mehr Gründe, in die Filiale zu pilgern – die gleich nach jener in der Singerstraße im 1. Bezirk den meisten Umsatz macht.
70 Prozent der Waren können mitgenommen werden, außerdem gibt es zahlreiche Parkplätze, die das Einladen größerer Mengen ermöglichen. Und natürlich treiben auch „das Flair und die guten Schinkenrollen“ Herrn K. und viele andere hierher. Das Flair stammt von dem in die Jahre gekommenen Interieur, das mittlerweile in einigen Standorten behutsam erneuert wurde.
Legenden
Aber warum haben Herrn K.s Schinkenrolle, das Mayonnaise-Ei oder zahlreiche Torten und Plunder Legendenstatus erreicht? „Aida ist die größte gewerbliche Bäckerei Europas“, sagt Junior-Chef Dominik Prousek, der das Unternehmen in vierter Generation führt. In anderen Worten: Hier wird fast alles noch mit der Hand gemacht.
An die 100 Leute arbeiten in der Produktion, drei Tonnen Backwaren werden täglich hergestellt. Das sind 500 bis 700 Torten, tausende Stück Plundergebäck und die erwähnten sauren Speisen, zu denen auch der Schinken-Käse-Toast gehört – einer der gefragtesten Aida-Klassiker, weiß Prousek. Zwei riesige Mehl- und Zuckertanks stehen am Ende der Werkshalle. Sie fassen 18 beziehungsweise sieben Tonnen. Durch ein ausgeklügeltes Verteilungssystem kann an den einzelnen Backstationen darauf zugegriffen werden. 800 verschiedene Produkte werden hergestellt, die Filialen müssen in der Hochsaison – wie vor Weihnachten oder in der „Krapfenzeit“ – oft zwei-, manchmal sogar dreimal beliefert werden.
„Wir machen sogar die Tortencremen, die Marmelade und das Toastbrot selber“, sagt Prousek, und das würde man eben schmecken. Es hat aber noch einen anderen Grund, warum bei Aida fast alles selber gemacht wird: „Auch wenn die Eigenproduktion teurer ist, wir sind dadurch unabhängiger von Lieferanten. Außerdem schmeckt zum Beispiel die Marmelade von Jahr zu Jahr anders“, so Prousek.
Süßer Duft
Der Familienbetrieb leistet sich noch einen anderen Luxus, den sich kaum ein anderes Unternehmen gönnt: Wenn eine Zutat nur noch in minderer Qualität verfügbar ist oder ein Engpass herrscht, wie im Herbst 2017 bei Butter, dann gibt es ein Produkt eben eine Zeit lang nicht. „Wir wären nicht auf Margarine umgestiegen, da haben wir das Produkt lieber aus dem Regal genommen“, sagt Prousek. Viele Rezepte stammen noch vom Großvater und haben sich seither nicht verändert.
Genau so wenig wie deren Herstellung. Geht man durch die Produktionshallen, gehören neben dem omnipräsenten süßen Geruch auch ein paar alte Maschinen zur Grundausstattung – und die stammen Großteils aus den 1950er- und 60er-Jahren. „Für die Wartung haben wir einen eigenen Techniker“, sagt Prousek. Ersatzteile gibt es dafür schon lange nicht mehr. Einige der Maschinen seien damals sogar extra für Aida konstruiert worden.
Früher wurden defekte Maschinen entsorgt, doch das kommt nicht mehr in Frage. „Sie werden jetzt aufgehoben und kommen in ein Museum“, so der Junior-Chef. Er trauert den schönen alten Lieferwägen nach, die vor Jahrzehnten benutzt und längst ausgemustert wurden.
Grüne und violette Torten
Trotz aller Verbundenheit mit der Tradition vergisst das Unternehmen nicht auf Innovation. „Wir machen zunehmend vegane und gluten- oder lactosefreie Produkte.“ Nach und nach würden diese eingeführt und immer öfter nachgefragt und angenommen. Für seine ausgefallenen Ideen, wie Sachertorten- oder Cremeschnitteneis, ist Prousek bereits bekannt. Vor den Wiener Fußball-Derbys wurden sogar schon grüne und violette Torten hergestellt. Welche öfter über den Ladentisch gegangen sind, ist allerdings nicht überliefert.
Aida hat in Wien und Umgebung 31 Filialen. Schon seit längerem versucht das Unternehmen zu expandieren und hat seine Fühler in den asiatischen Raum und in Länder wie Russland, Amerika oder Deutschland ausgestreckt. Dort Fuß zu fassen ist allerdings bisher noch nicht gelungen. Nun versucht man es in den Bundesländern. Nachdem im Sommer 2018 mit einer neuen Filiale in Innsbruck ein Testballon gestartet wurde – die Filiale ist laut Prousek ein Erfolg –, sollen in weiteren Städten die rosa Kaffee-Konditoreien aufsperren, darunter in Salzburg, Klagenfurt, Villach, Graz, St. Pölten und Wiener Neustadt. Die Zahl der Standorte soll bis 2020 auf 45 bis 50 steigen.
Ein richtiger Familienbetrieb
Aida hat insgesamt 450 Mitarbeiter, nicht wenige von ihnen sind bereits 40 Jahre oder länger beim Unternehmen – ein Familienbetrieb im doppelten Sinn. Nach einem leichten Umsatzrückgang, der auf Umbauten in den Filialen zurückzuführen ist, ging es 2017/18 wieder leicht bergauf. Die Erlöse stiegen von 25,8 auf 26 Millionen Euro. Das Unternehmen ist laut Prousek in einem der Branche entsprechenden Ausmaß profitabel.