Wirtschaft

Agrarspekulationen: Deutsche Bank am Pranger

Wieder einmal sorgen Spekulationsgeschäfte einer Bank für große Empörung. Zwar stehen nicht die Spareinlagen der Kunden oder Steuermittel auf dem Spiel, aber dafür möglicherweise nicht weniger als das Leben der Menschen in Entwicklungsländern. Denn die Deutsche Bank wird nach einer Nachdenkpause das Geschäft mit Agrarspekulationen wieder aufnehmen.

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Deutschlands größte Bank teilte im März des Vorjahres mit, dass sie 2012 keine neuen börsengehandelten Anlageprodukte auf Basis von Grundnahrungsmitteln auflegen werde. Eine Arbeitsgruppe wurde eingerichtet mit dem Ziel, intensiv „Ursachen und Auswirkungen stark schwankender und vor allem steigender Preise für Agrarrohstoffe“ zu untersuchen. Das Ergebnis steht seit Kurzem fest: „Es gibt kaum stichhaltige Belege für einen Zusammenhang dieser Geschäfte mit dem Hunger in der Welt“, sagte Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen.

"Hungerkrisen sind nicht finanzwirtschaftlich verursacht"


Im Gegenteil: Agrarderivate würden für Nahrungsmittelproduzenten eine wichtige Funktion im weltweiten Handel übernehmen. Mit dem Kauf dieser an Börsen gehandelten Papiere können sich Landwirte gegen fallende Preise absichern und ihr Angebot besser planen. Der Banker bezieht sich dabei auch auf eine Erhebung von Wirtschaftsethik-Professor Ingo Pies. Er hat 35 Studien zu den Auswirkungen von Agrarspekulationen durchleuchtet und kommt zum Ergebnis, dass der Großteil keine Anhaltspunkte enthalte, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln Schuld an steigenden bzw. stark schwankenden Preisen sei.

„Hungerkrisen sind nicht finanzwirtschaftlich verursacht, sondern haben realwirtschaftliche Ursachen“, sagte Pies. So seien die Spekulationen auf Weizen zwischen 2004 und 2006 massiv gestiegen. Die Preise seien aber erst zwischen 2007 und 2008 nach oben gegangen. „Die Terminmärkte waren Bote der Nachricht, dass es realwirtschaftlich knapp wird. Sie waren nicht der Verursacher“, sagte Pies. Für Fitschen ist damit klar, dass „die Deutsche Bank im Interesse ihrer Kunden weiterhin Finanzinstrumente auf Agrarprodukte anbieten wird“, sagte Fitschen.

Große Kritik

Die Empörung ist in Deutschland groß. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, sagte, die Deutsche Bank stelle sich mit ihrer Geschäftspolitik „gegen Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler, internationale Organisationen und Politiker“. Gemeinsames Bestreben müsse sein, gravierende Folgen für arme Menschen zu verhindern.

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode sagte, dass nicht die Hungernden belegen müssten, dass die Finanzprodukte der Deutschen Bank schädlich sind, die Deutsche Bank sollte nachweisen können, dass ihre Produkte unschädlich seien. Und Deutschlands Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sprach von verantwortungslosem Handeln.

Neben der Deutschen Bank hält auch die Münchener Allianz Versicherung an neuen Produkten für Agrarspekulanten fest. In Österreich gab es ohnehin nur zwei Anbieter, ÖVAG und RCB, die Volumina der Produkte relativ gering. Die ÖVAG hat im Vorjahr alle Produkte vom Markt genommen, die RCB hat elf Zertifikate mit unbegrenzter Laufzeit, wird jedoch keine weiteren mehr auflegen. Nicht zuletzt aus Imagegründen.

Auch bei der Deutschen Bank ist der Nahrungsmittelbereich eher klein (rund 50 Millionen Euro an Assets). Doch das Wachstumspotenzial ist groß. „Zudem hilft jeder Euro Ertrag am Ende bei der Berechnung der Boni“, meint ein ehemaliger Investmentbanker. Die Bank selbst weist das zurück.

„Die neue Führung hat den ersten Lackmustest für den Kulturwandel nicht bestanden“, sagte ein Manager der Bank und verweist auf den von Ex-Chef Josef Ackermann geprägten Slogan „Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen“.