Wirtschaft

VW droht Klagsflut von geschädigten Aktionären

Zur Bereinigung des Abgas-Skandals bei Diesel-Fahrzeugen wird der deutsche Volkswagen-Konzern viel Geld in die Hand nehmen müssen. Neben hohen Strafen der US-Behörden und enormen Nachrüstungskosten bei den betroffenen Autos droht den Wolfsburgern eine Klageflut geschädigter Aktionäre – wegen erlittener Kursverluste. So steigen mehrere österreichische Anwälte und der Wiener Prozessfinanzierer AdvoFin gegen den börsennotierten Auto-Riesen in den Ring. AdvoFin hat dafür den Münchner Kapitalmarkt-Anwalt Klaus Rotter engagiert.

"Wir werden VW in Deutschland im Namen deutscher und österreichischer Aktionäre klagen. Der Konzern hätte per Ad-hoc-Meldung veröffentlichen müssen, dass er die vorgeschriebenen Abgaswerte in den USA nicht erreicht", sagt AdvoFin-Chef Franz Kallinger zum KURIER.

VW soll sogar mehrfach gegen Ad-hoc-Meldepflichten verstoßen haben. "Bereits Anfang Mai 2014 veröffentlichte die West Virginia University Abgas-Messwerte von zwei VW-Fahrzeugen, die viel höher waren als die ursprünglichen Angaben", sagt Kallinger. "Am 6. Mai 2015 hat die kalifornische Luftreinhaltungsbehörde CARB Untersuchungen gegen VW eingeleitet." Am 8. Juli wurden VW und die US-Umweltbehörde EPA über die Testergebnisse informiert. Das belegt ein Schreiben von CARB an Volkswagen, das dem KURIER vorliegt.

"Auch wenn die VW-Chefs sagen, wir haben davon nichts gewusst, und die Affäre womöglich auf Ingenieure abwälzen, kann sich der Konzern der Haftung nicht entziehen", erklärt Kallinger. Schon bei der Eröffnung des US-Werks in Chattanooga im Mai 2011 soll VW falsche Angaben in der Öffentlichkeit gemacht haben. VW soll damals stolz verkündet haben, dass die strengen US-Abgaswerte eingehalten werden.

Höhe des Schadens

Erst am 20. September 2015 hat VW die Abgas-Manipulation gestanden. "Alle Aktionäre, die vor diesem Tag, VW-Wertpapiere gekauft haben, haben dafür zu viel gezahlt", sagt Kallinger. Am 6. Mai 2015 betrug der Kurs der VW-Vorzugsaktien 220 Euro, am 8. Juli dann 199 Euro, und gestern, Donnerstag, nur noch 98 Euro. "Der durch den Skandal erlittene Kursverlust wird nun eingeklagt", sagt der AdvoFin-Chef.

Auch die Anwälte Karl-Heinz Plankel und Andé Zankl planen eine Sammelklage in Sachen Kursverluste: "Mehrere Hundert Geschädigte haben uns bereits damit beauftragt", sagt Plankel zum KURIER.

Und der Wiener Anwalt Lukas Aigner meint: "Vor allem Aktionäre, die knapp vor dem 20. September Aktien gekauft haben, haben gute Erfolgschancen."

Aktie stürzt ab

Der VW-Aktie findet weiter kaum Halt. Am Freitagvormittag rutschten die Vorzugsaktien zunächst auf 92,75 Euro ab - so tief wie seit Oktober 2011 nicht mehr. Seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals vor zwei Wochen brachen die Papiere damit um rund 43 Prozent ein. Die Unsicherheit um das Ausmaß der „Dieselgate“-Belastungen bleibt hoch - fast jeden Tag werden neue negative Analystenkommentare veröffentlicht.

Hier finden Sie den Link zur AdvoFin-Sammelklage-Aktion.

Weitere Links in Sachen Schadenersatz: Anwalts-Kanzlei von Lukas Aigner. Auch Anwalt Benedikt Wallner startet eine Sammelintervention in Sachen Volkswagen-Gate.

Durch die Diesel-Affäre von VW in den USA wurde auch die Kritik an dem davon unabhängigen europäischen Normverbrauchs-Messverfahren wieder stärker. Der in der EU seit 1992 verwendete Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) wird zur Vergleichbarkeit der Ergebnisse im Labor durchgeführt. Dabei schickt man das Auto auf einem Rollenprüfstand durch einen genormten Fahrzyklus, bei dem in 20 Minuten mit einem Schnitt von 34 km/h (120 km/h Spitze) elf km zurückgelegte werden (25 Prozent sind Stehzeit).

Im Zuge der technischen Weiterentwicklung der Motoren wurden diese inzwischen auf die Anforderungen des Tests hin optimiert. Das erklärt den in den letzten Jahren tendenziell größer gewordenen Unterschied zwischen dem Laborwert und dem in der Fahrpraxis erzielten Verbrauch. Der hängt von Umwelteinflüssen, Straßenbelag, gefahrener Strecke und letztlich von der Fahrweise ab.

Um sich diesen real zu erzielenden Werten anzunähern, soll ab 2017 der NEFZ durch den WLTC (Worldwide harmonized Light vehicle Test Cycle) abgelöst werden (30 min. Fahrzeit, 23,25 km, 13 Prozent Standzeit, 46,6 km/h Schnitt bei 131 Spitze). Ergänzt wird er durch den RDE-Test (Real Drive Emissions), bei dem Schadstoff-und -Emissionen außerhalb des Labors am fahrenden Auto gemessen werden.


Dass die Gesetzgebung nicht nur bei Verbrennungsmotoren hinterher hinkt, sondern auch bei Elektroautos Anpassungsbedarf besteht, zeigt der Fall von Tesla. Bei dessen 515 kW starken Topmodell stehen bei uns nur 66 kW im Zulassungsschein (mehr dazu in der heutigen Motor-KURIER-Sonderbeilage auf Seite 7).Horst Bauer