Wirtschaft

In Europa gehen ab heute die Fische aus

Zum perfekten Italien- oder Kroatien-Urlaub gehört er für die meisten einfach dazu: Der Vino und der Branzino (Wolfsbarsch) im Strandlokal. Wer glaubt, dass er einen Wildfang eines lokalen Fischers serviert bekommt, irrt.

„Zu 99 Prozent wird es sich um einen Fisch aus Aquakultur handeln“, sagt WWF-Meeresexperte Axel Hein. Nachsatz: „Zumindest mit einer hohen Wahrscheinlichkeit aus dem Mittelmeer.“ Selbstverständlich ist das nicht. Europa ist der weltweit größte Importeur von Fisch, etwa die Hälfte der zugekauften Ware kommt aus Entwicklungsländern. Das Fischgeschäft ist ein globales und laut Schätzungen 100 Milliarden US-Dollar schwer. Zur Orientierung: Mit Soja wird nur ein Drittel dieses Betrages umgesetzt.

Geimpfter Zuchtlachs

Mittlerweile kommt jeder zweite weltweit vermarktete Fisch aus einer Aquakultur. Jahrelang haben Industrielle in die Unterwasserfarmen investiert, nun bremst sich das Wachstum etwas ein, ist aus der Branche zu hören. Die Fischfarmen standen unter anderem wegen ihres Antibiotika-Einsatzes unter Kritik, haben diesen laut Hein aber zurückgefahren. Im Besonderen Lachs-Produktionen seien dazu übergegangen, die Tiere zu impfen. „Das funktioniert automatisiert und führt dazu, dass das Wasser weniger belastet wird, da man vielfach auf Antibiotika verzichten kann“, erläutert der WWF-Experte.

Zweiter kritischer Punkt bei Unterwasserfarmen ist das Futter. Mitunter wurden für die Zucht von einem Kilo Lachs bis zu vier Kilo Fisch verfüttert, aber auch hier wurde optimiert. Moderne Farmen kommen auf 1,2 Kilo Wildfisch pro Kilo Lachs.

Derzeit kommen vor allem Fischmehl und -öl, gewonnen überwiegend aus Anchovis, die vor der südamerikanischen Küste gefangen werden, zum Einsatz. Doch der Rohstoff wird zunehmend teuer. Die Industrie sucht deshalb nach Alternativen. „Ich halte es für realistisch, dass man in zehn Jahren auf die Fütterung von Wildfisch verzichten wird und stattdessen auf Algenöl oder Insektenprotein setzt“, ist Hein zuversichtlich. Ob Fisch aus Wildfang oder aus Aquakultur nachhaltiger ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden.

Fischmehl für Forelle

Für all jene, die nun lieber nur noch heimischen Fisch essen, hat der WWF-Biologe ernüchternde Nachrichten. Auch mit dem Kauf von Fisch aus Österreich belastet man mitunter die Meere. „Denn auch bei der konventionellen Zucht kommt Fischmehl aus Wildfängen zum Einsatz.“ Hein rät, auf das Bio-Siegel zu achten, das nur jene Betriebe bekommen, die Fischmehl aus den Abfällen der Fischverarbeitung verwenden. „Sozusagen ein Recyclingprodukt, mit dem die Wildbestände nicht belastet werden.“ In jedem Fall ein Öko-Plus kommt von den kurzen Transportwegen heimischer Speisefische.

Gemessen am Pro-Kopf-Verbrauch liegt Österreich mit 13,4 Kilo im Jahr auf Platz 20 der 28 EU-Staaten. Dennoch würde die heimische Produktion nicht lange ausreichen, laut WWF gerade einmal bis Mitte Jänner (siehe Grafik). Europa würde demnach heute, am 9. Juli, der Fisch ausgehen. Vor gut 20 Jahren reichte die europäische Produktion noch einen Monat länger. Vor dreißig Jahren konnte Europa die Nachfrage noch bis September oder Oktober mit Fisch aus heimischen Gewässern decken, geht aus den Berechnungen der New Economics Foundation hervor.

Alle Inhalte anzeigen

Ein Drittel der weltweiten Bestände ist bereits überfischt. Auf den Weltmeeren sind schwimmende Fischfabriken unterwegs, die täglich bis zu 350 Tonnen aus den Meeren ziehen. Besonders tragisch ist in diesem Zusammenhang der Beifang, der sich auf 38 Millionen Tonnen im Jahr oder 30 Prozent des Fangs beläuft, rechnen Umweltschützer vor.

Piratenfischer

Auch das Thema der Piratenfischer ist nach wie vor ungelöst. Diese besitzen industrielle Fangschiffe und jagen bevorzugt dort, wo Kontrollen die Ausnahme sind, etwa im Südpolarmeer oder vor Westafrika. Dort verfügen die Regierungen nicht über die Mittel, ihre Küste in ausreichendem Maß zu kontrollieren. Hein: „Gefischt wird dann in der Nacht, morgens, wenn es hell wird, sind die Schiffe längst wieder auf hoher See.“

Das Problem betrifft vor allem afrikanische Staaten südlich der Sahara. Gefischt wird damit oft auch in Gebieten, in denen das gesetzlich verboten ist.