125.000 Einschläge im Jahr: Das unterschätzte Blitz-Risiko
Von Anita Staudacher
Wenn das erste Donnergrollen zu hören ist, schnell die Elektrogeräte abschalten: Der blitzgescheite Tipp von der Oma ist immer noch richtig, aber in Zeiten von Blitzschutzanlagen und Überspannungsschutzgeräten in Vergessenheit geraten. Dabei sind die Gefahren durch Blitzeinschläge wegen der zunehmenden Extremwetterereignisse größer denn je – sowohl für Private als auch für Unternehmen.
Rechtzeitig zum Start der Blitzsaison warnt daher der Versicherungsverband (VVO) vor den unterschätzten Folgen von Unwettern. So zählte das Blitzortungssystem ALDIS allein im Vorjahr 125.549 Blitze, die am Boden einschlugen. In manchen Gegenden besonders häufig. „Grundsätzlich ist ein Blitzeinschlag überall in Österreich möglich. Wo genau, lässt sich nicht vorhersagen und ist auch nicht zu verhindern“, erläutert ALDIS-Leiter Gerhard Diendorfer.
Was viele nicht wissen: Österreich zählt mit Oberitalien und Slowenien zu den blitzgefährdetsten Regionen Europas. Häufig unterschätzt wird die Brandgefahr. So wurde 2017 jedes fünfte Feuer von einem Blitz verursacht, was Schäden in Höhe von 16,4 Millionen Euro zur Folge hatte.
Digitalisierung
Durch die zunehmende Digitalisierung sind Firmen noch verwundbarer geworden. Überall dort, wo Computeranlagen für einen reibungslosen Betrieb sorgen, können Geräte durch zu hohe Spannungen Schaden nehmen. Anlagen ausfallen, die Produktion unterbrochen und wertvolle Daten verloren gehen. „Die klassische Blitzschutzanlage verhindert zwar den Brand, schützt aber nicht vor Schäden durch Überspannung in den elektrischen Einrichtungen, die bei einem direkten Blitzschlag, aber auch bei einem Blitz in der Nähe auftreten“, warnt Diendorfer. Dafür müssten zusätzlich Blitzstrom- oder Überspannungsschutzableiter eingebaut werden. Bei Unternehmen mit einer automatisierten Produktion sei der Sachschaden meist geringer als die anschließenden Produktionsausfälle, so der Experte.
Trotz der Gefahren sind heimische Klein- und Mittelbetriebe (KMU) schlecht auf Naturkatastrophen vorbereitet, ergab eine Umfrage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV). So glaubt nur knapp mehr als die Hälfte (55 Prozent) der KMU in Gemeinden mit Hochwasser-Gefahrenzonen, dass ihr Betrieb selbst betroffen sein könnte. 59 Prozent haben noch kein konkretes Prozedere für einen Katastrophenfall geplant. „Die KMU ziehen zu wenig Schlüsse aus dem Gefahrenpotenzial“, resümiert KfV-Direktor Othmar Thann. Dabei mussten 27 Prozent der von Extremwetterereignissen betroffenen Betriebe ihre Produktion oder Dienstleistung vorübergehend einstellen. „Größere Schäden können existenzbedrohend sein“, so Thanner.
Richtige Prävention
Die befragten KMU würden sich mehr Infos wünschen, etwa durch eigene „Präventionsbeauftragte“ in der Wirtschaftskammer. Der Versicherungsverband verweist auf die digitale Gefahrenkarte HORA. Dabei handelt es sich um eine österreichweite Datenbank, bei der nach genauer Adresseingabe die jeweiligen Risiken eingesehen werden können.
Auch beim Neubau müssten mögliche Wetterrisiken stärker berücksichtigt werden. Im Vorjahr verursachten Naturkatastrophen in Österreich einen Schaden von 500 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte davon wurde von Versicherungen getragen.