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Stadtklima: Klimaschutz ist auch Gesundheitssache

Hitzewellen sind längst keine Ausnahme mehr, auch nicht hierzulande. Mit voranschreitendem Klimawandel häufen sich die Jahre der Rekordsommer und mit ihnen hitzebedingte gesundheitliche Probleme. Im schlimmsten Fall lässt sich in den besonders heißen Monaten eine Übersterblichkeit beobachten, die mit steigenden Temperaturen einhergeht. 550 Todesfälle waren es etwa 2018 in Österreich, die mit Hitze in Zusammenhang gebracht werden (Quelle: AGES). Besonders betroffen sind ältere Personen, Menschen mit chronischen Erkrankungen oder eingeschränkter Mobilität. Aber auch jenen Menschen, die in urbanen Gebieten mit wenig Grünflächen wohnen, macht die Hitze zu schaffen.

„Wenngleich der Temperaturanstieg generell in vielen Regionen und Siedlungsstrukturen ein Problem darstellt, sind insbesondere Städte als ,Hitzeinseln’ mit einem hohen Versiegelungsgrad betroffen. Aufgrund des Anstiegs von sogenannten Tropennächten kann es hier nicht zur notwendigen Abkühlung kommen“, erklärt Stadt- und Wohnforscherin Judith Lehner von der TU Wien. Zu den Tropennächten zählen jene Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius sinkt und die einem somit den erholsamen Schlaf rauben. Lüften hilft dann meist nicht mehr, da sich die Hitze in der verbauten Umgebung anstaut. Zur Abkühlung setzt man immer mehr auf Begrünung, Beschattung oder Wasserflächen, die in die städtische Infrastruktur integriert werden. 

Langfristig braucht es aber großflächige Entsiegelungsprogramme, versickerungsfähige Oberflächen sowie den Erhalt von Frischluftschneisen, erläutert Lehner. Auch Klimaschutzmaßnahmen müssen laut Expertin in die aktuellen Stadtplanungsvorhaben integriert werden, um weitere Temperaturanstiege sowie Extremwetterereignisse einzudämmen. „Dies bedeutet insbesondere ein radikales Umdenken, wenn es um Stadtentwicklung geht. Anstatt neu zu versiegeln und zu verbauen, muss der Fokus auf die Revitalisierung von bestehenden Bauten gelegt werden“, sagt Lehner.

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Klimaveränderungen verlangen nach einem radikalen Umdenken in der Stadtplanung

Univ.Ass.in DI Dr.-Ing.in Judith Lehner, TU Wien, Stadtplanung

Urbaner Wandel

Dass Städte nicht von heute auf morgen umgebaut werden können, ist klar. Erfolgsprojekte, wie die „Sanfte Stadterneuerung“, die in den 1970er-Jahren entwickelt wurde, zeigen jedoch, dass sogar historische Städte, wie Wien es ist, „nachjustiert“ werden können. „Wiens Gründerzeitgebiete waren damals in einem desolaten Zustand. Durch eine Reihe von partizipativen Maßnahmen und mit durchaus großzügigen Förderinstrumenten konnte der Wohnungsbestand wie auch der öffentliche Raum verbessert – und für die Bewohnenden leistbar gestaltet werden“, sagt Lehner. 

Kosten sind auch ein Faktor, wenn es um klimagerechtes Wohnen geht, denn grün und gut (gedämmt) wohnen sowie bei Hitze die Stadt verlassen zu können, ist auch eine Einkommens- und somit eine soziale Frage. Wie der Wiener Weg in den 1970ern aber zeigt, ist eine Stadt kein starres Konstrukt. Die Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen kann viel bewirken. Politik, Medien, Forschung sowie die Bewohnerinnen und Bewohner sind gefragt. „Städte sind immer im Wandel, es gibt keinen Idealzustand, der zu erreichen wäre.“

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