Wien Will’s Wissen

Michael Häupl: Der Wissenschaftsanimateur

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Der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, kurz WWTF, ist der einzige größere privat-gemeinnützige Forschungsförderer in Österreich. Wir sprachen mit seinem Präsidenten, Michael Häupl, über die Faszination Wissenschaft, Spitzenprojekte von globaler Relevanz, auch über aktuelle Herausforderungen wie künstliche Intelligenz und weshalb Forschung eine Stütze demokratischer Gesellschaften ist.

Vor der Politik haben Sie als Biologe zunächst eine wissenschaftliche Karriere eingeschlagen. Wer hat Ihre Liebe dafür geweckt? 

Michael Häupl: Das weiß ich noch sehr genau. Es war der Universitätsprofessor und Entomologe, also Insektenkundler, Fritz Schremmer. Er hatte in dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, sein Sommerhaus. Bei Spaziergängen, ich muss damals im Volksschulalter gewesen sein, hat er sich ab und zu ins Gras gelegt und Dinge unter die Lupe genommen. Das hat mich neugierig gemacht. In dem Moment, als dieser liebenswürdige und begnadete Pädagoge dann mir die Lupe in die Hand gegeben hat, eröffnete sich mir eine neue, faszinierende Welt. Das hat bewirkt, dass ich schon mit 15 wusste, dass ich Biologie studieren werde.

Was macht Forschung so faszinierend und wichtig? 

Das sind zwei wesentliche Fragen. Faszinierend ist, das liegt meiner Ansicht nach im Wesen des Menschen, die Natur und damit auch sich selbst zu erkennen. Naturwissenschaften sind, und das betone ich stets auch in meiner Funktion als Präsident des WWTF, extrem wichtig, weil wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt den Wohlstand unserer Kinder sichert. Mit den Bereichen künstliche Intelligenz inklusive Machine Learning kommt derzeit ein enormer Technologiewandel auf uns zu. Das wird unsere Gesellschaft verändern und die Forschung wird dabei der Schlüsselspieler sein.

Wie kann man die Lust an der Forschung fördern?

Bei Jungforscher*innen ist das relativ einfach. Diese haben sich ja schon dafür entschieden. Hier geht es dann vor allem darum, sie zu unterstützen. Wir tun das im Rahmen unserer Vienna Research Groups. Damit versuchen wir, gute, junge Wissenschafter*innen nach Wien zu holen. Diese Förderung bieten wir erfolgreich seit zehn Jahren an. Aber auch Humor tut, wie ich finde, bei aller Wissenschaftlichkeit gut. Es sind solche Kapazitäten wie der deutsche Mathematiker Albrecht Beutelspacher oder der Österreicher Rudolf Taschner, die mit Esprit und Schmäh komplexe Themen verständlich machen können.

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Was ist der WWTF konkret?

Den WWTF gibt es seit über 20 Jahren, er hatte seine Geburtsstunde noch zu Zeiten einer SPÖ-ÖVP-Koalition. Damals war klar, dass der Fonds aus Mitteln der AVZ, der ehemaligen Anteilsverwaltung Zentralsparkasse, gespeist werden soll. Die Organisation des Fonds und damit die Forschung sollte dadurch absolut unantastbar sein. Ziel war und ist, die Stärken der Wissenschaft zum Nutzen Wiens.

Wo liegen die Schwerpunkte der Förderung?

Die Life Sciences sind eine der zentralen Stärken der Wiener Forschungslandschaft, und mit ein Grund für den WWTF, dieses Thema langfristig weiter zu verfolgen. Seit 2003 haben wir im Rahmen vieler hochkompetitiver Calls 100 Millionen Euro in die Life Sciences investiert.

Alle Welt redet von künstlicher Intelligenz, wie geht der WWTF damit um ?

Auch wir forcieren den Bereich der künstlichen Intelligenz, kombinieren diesen aber mit einem wichtigen Element, nämlich dem digitalem Humanismus. In Wien hat das eine große Tradition. Ich halte das für unendlich wichtig, denn künstliche Intelligenz ohne digitalen Humanismus würde vermutlich zu einem rein technologischen Elitenprojekt führen. Das wollen wir auf keinen Fall. Digitaler Humanismus heißt aber auch, dass man den digitalen Analphabetismus bekämpft – von den Schulen bis zu den Senioren. Ohne Zweifel eine Aufgabe, die beinahe einer Maria Theresia würdig wäre.

Wie kommen Sie zu förderwürdigen Projekten?

Zu den jeweiligen Wissenschaftsthemen werden Calls gemacht und aufgrund dieser Projektanträge bei uns eingereicht. Diese werden dann in verschiedenen Instanzen begutachtet, unter anderem in einer Expert*innengruppe. Hier ist kein*e österreichischer Wissenschafter*in vertreten. Nicht deshalb, weil wir keine guten Leute hätten, aber es soll nie jemand sagen können, dass hier durch persönliche Bekanntschaften und Ähnliches Projekte vergeben werden. Diese Korrektheit ist gewissermaßen das Top-Asset dieses Förderungsfonds. Pro Call fördern wir zirka sechs bis acht Projekte, die nach einer Kuratoriumsrunde letztlich im Vorstand abgesegnet werden. Wir setzen in etwa 15 Millionen Euro im Jahr um. Das ist für eine Wissenschaftseinrichtung relativ schmal, im Gegenzug können wir uns auf wesentliche Assets wie „Korrektheit“ und „Exzellenz“ berufen.

Wie werden die Projekte überprüft bzw. werden Ergebnisse auch eingefordert?

Selbstverständlich freuen wir uns über Ergebnisse und erwarten diese natürlich auch, eingefordert werden sie aber nicht, denn auch hier gilt das Prinzip der Freiheit der Wissenschaften. Abgesehen davon, wissen wir vorweg genauso wenig über mögliche Ergebnisse Bescheid, wie die Projektleiter*innen bzw. ihre Teams.

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Der WWTF ist ein Impulsgeber und starker Partner für Wiener Universitäten 

Dr. Michael Häupl, Präsident des WWTF

Auf welche Projektförderungen der letzten Jahre sind Sie besonders stolz?

Dazu zählt, wie eingangs schon kurz erwähnt, sicherlich jenes Projekt, an dem auch die spätere Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier mitgearbeitet hat. Am Wissenschaftsstandort Wien wurden seinerzeit von ihr und Kolleg*innen wesentliche Arbeiten zur Entdeckung und Entwicklung von CRISPR-CAS9, der Genschere, geleistet. Wien hat in der Forschungsarbeit der Biochemikerin eine wichtige Rolle gespielt. Das zeigt die Relevanz und das Potenzial der Grundlagenforschung, die hier vor Ort geleistet wird.

In anderen Ländern wird über Stiftungen und Firmen viel mehr in Forschung investiert. Warum funktioniert das in Österreich nicht?

Ich habe nichts gegen einen gewissen Etatismus. Aber es ist natürlich schon leicht skurril, dass die einzige größere private Forschungseinrichtung Österreichs, der WWTF ist. Ich bin auch für Parität. Und ja, ein Staat sollte insbesondere universitäre und außeruniversitäre Forschung großer Institute, wie der Akademie der Wissenschaften unterstützen. Alles super, keine Frage. Dass die mit Abstand größten Forschungsförderer in Österreich, nämlich der FWF-Wissenschaftsfonds und die österreichische Forschungsförderungsgemeinschaft FFG, staatlich sind, ist aber diffizil.

Wenn Sie für die Forschung drei Wünsche frei hätten, welche wären das?

Der erste Wunsch wäre ein übergeordneter, nämlich, dass man alle Kräfte, die politischen, aber auch die der Zivilgesellschaft bündelt, um die Wissenschaftsfeindlichkeit, so wie übrigens auch andere Irrationalismen der Gesellschaft, vehement zu bekämpfen. Wissenschaftsfeindlichkeit ist, ähnlich wie Rassismus, Antisemitismus, aber auch Armut, nicht selten ein Nährboden für Demokratiefeindlichkeit. Das ist heikel, denn diese bedingt nicht nur die Selbstbeschädigung der ökonomischen Situation, sondern ebenso eine Beschädigung der Demokratie.

Und die weiteren Wünsche?

Absolute Wissenschaftsfreiheit. Heißt: Wissenschafter*innen sollen völlig frei forschen können, auch mit der Möglichkeit des Irrtums. Schon Popper sagte: Was man nicht falsifizieren kann, ist keine Wissenschaft. Und das soll man eben auch zur Wirklichkeit werden lassen. Und der dritte Punkt ist ein sehr profaner, indem nämlich ordentliche Mittel in die Wissenschaft gepumpt werden. Andere Länder haben das bereits begriffen, etwa die Schweiz oder Bayern, das in den nächsten fünf Jahren dreieinhalb Milliarden Euro investieren und wenigstens 100 neue KI-Professor*innen an die Universitäten verpflichten wird. Da sollten wir schon etwas aufpassen, sonst hinken wir sehr schnell, sehr bald allen anderen hinterher. Wir wären dann keine Player mehr und könnten Dinge nicht mehr selbst gestalten. Das gilt übrigens mit Blick auf China nicht nur für Österreich, sondern für Europa generell. Die chinesische Kombination aus beinahe raubkapitalistischen Elementen der Wirtschaft und einer kommunistischen Überbau-Diktatur ist an und für sich fragwürdig, sie wird es aber umso mehr, wenn man bedenkt, was künstliche Intelligenz in einem derartigen Umfeld verursachen könnte.

Der 2001 gegründete Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds ist  der größte privat-gemeinnützige Forschungsförderer Österreichs. Die Aufgabe des WWTF ist die Finanzierung von Spitzenprojekten der wissenschaftlichen Forschung. Gleichzeitig hat der WWTF zum Ziel, exzellente junge Forscher an Wien zu binden. Finanziert wird der WWTF durch die AVZ Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten, über Mittel der Stadt Wien und private Spenden. Seit seinem Bestehen hat der Fonds mehr als 200 Millionen Euro an etwa 500 WWTF Projekte vergeben. 

www.wwtf.at