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Ästhetikforschung: Schönheit liegt im Auge des Betrachters?

Ob Werbeplakate, TV-Spots oder Soziale Medien – unser Alltag ist von Bildern geprägt. Seit dem Aufkommen der Digitalfotografie, der kostengünstigen und folglich massenhaften Vervielfältigung von Fotos, spricht man von der „Bilderflut“, die durch das Smartphone und die Sozialen Medien weiter gespeist wurde. Alleine auf Instagram werden weltweit über tausend Fotos pro Sekunde hochgeladen, an die 95 Millionen sind es täglich. Die Omnipräsenz der Bilder gehört mittlerweile zum Alltag – und prägt uns in diesem maßgeblich. Vor allem Heranwachsende orientieren sich stark an den kursierenden Bildern. Was angesagt ist, wird großteils über die Sozialen Medien transportiert. 

„Digitale Bilder haben einen starken Einfluss auf unseren Schönheitssinn“, sagt Helmut Leder, Professor für Psychologie an der Universität Wien und führend in der Erforschung des Ästhetikempfindens des Menschen. „Besonders, was Gesichter anbelangt.“ Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen Abbildungen von Gesichtern und „echten“ Gesichtern. Die Masse an Bildern trägt somit dazu bei, unsere Vorstellung von einem Gesicht zu formen. Wir bilden daraus eine Art Prototyp, ein Durchschnittsgesicht. Problematisch ist das deshalb, weil viele der Fotos, die wir wahrnehmen, bearbeitet bzw. „verbessert“ wurden. „Filter und Co. führen zu einer Verzerrung, da wir nun einen zu schönen Prototypen als Maßstab für unsere Einschätzung von Schönheit bilden“, erklärt Leder.

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Filter und Co. führen zu einer Verzerrung in unserer Einschätzung von Schönheit

Helmut Leder Professor, Uni Wien & Ästhetikforscher

Wie echt, nur besser

Typisch für die Fotos in den sozialen Medien ist, dass sie Alltägliches abbilden, dieses jedoch so präsentieren, dass es mit der Realität nur mehr wenig zu tun hat. Obwohl dies den meisten bewusst ist, beeinflusst alleine die Masse an Bildern, was wir als ansprechend definieren. Eine bestimmte Ästhetik ist somit nicht nur etwas, das sich durch die Feeds der Sozialen Medien zieht, sondern etwa auch in Wohnzimmern niederschlägt. Für den Einrichtungsstil der zwischen 1980 und 1996 Geborenen gibt es dafür sogar einen Ausdruck: Millennial-Ästhetik. Ein Look, der eine ganze Generation prägt, und der sich durch Weiß-, Beige-, Rosatöne („Millennial Pink“), klare Formensprache und Terrazzo-Optik auszeichnet.

Die Erkenntnis „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ scheint damit nicht mehr gültig zu sein. Doch war es das jemals? „Wenn man in Experimenten symmetrische und nicht-symmetrische Formen gegenüberstellt, sprechen die meisten Versuchspersonen eher auf die symmetrischen Formen an. Es gibt aber auch immer Ausnahmen, sodass man nicht von einer universellen Präferenz für Symmetrie sprechen kann“, sagt Leder, der sich in seinen Untersuchungen auch auf neurowissenschaftliche Methoden stützt. Was wir als schön empfinden, lässt sich ein Stück weit quantifizieren, doch wo schließlich die individuellen Präferenzen liegen, hängt auch von der Kultur, dem Umfeld und den persönlichen Lebenserfahrungen ab. Vor allem Vertrautheit spielt hier eine wesentliche Rolle. Wir mögen, was wir kennen. Immer wieder mit denselben Bildern konfrontiert, entwickeln wir auch dahingehend eine gewisse Vertrautheit. „Die psychologische Forschung zeigt, dass wir oft schon nach wenigen wiederholten Kontakten Dinge ansprechender finden“, bestätigt Leder.

Der Einfluss der (digitalen) Bilderflut lässt sich nicht leugnen, doch man muss es nicht nur aus kulturpessimistischer Perspektive sehen. Früher kamen die Schönheitsdiktate vor allem von den großen Unternehmen oder Stars. Auch heute spielen sie noch eine Rolle, aber nicht mehr ausschließlich. Trends werden nun auch „von unten“ generiert – und wir haben es in der Hand, neue Maßstäbe zu setzen. 

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