Drei wissenschaftlich fundierte Abnehmtricks
Von Ingrid Teufl
Rund um das Thema Diät gibt es viele Mythen und Tipps. Viele davon sind nicht zielführend. Hier neue Erkenntnisse, die wirklich etwas bringen.
1. So unterstützt Vollkorn beim Abnehmen
Dass Vollkorn gesund ist, könnte man als Binsenweisheit abtun. Doch jetzt haben Forscher der Tufts University in Boston,USA, erstmals genau untersucht, wie sich Vollkornprodukte konkret auf Darm, Immunsystem und unseren Stoffwechsel auswirken. Ergebnis: Vollkorn-Kost fördert nicht nur den Anteil gesunder Bakterien im Darm, auch Immunzellen werden positiv beeinflusst. Gleichzeitig steigt der Grundumsatz des Stoffwechsels – als Folge verbrennen wir täglich etwa 100 Kalorien mehr.
Für die Studie wurden zwei Gruppen ausschließlich aus der Versuchsküche des Forschungszentrums verköstigt – eine mit Vollkornprodukten, die andere mit der geschälten Variante. Stuhlproben gaben Aufschluss über Bakterien, Botenstoffe und kurzkettige Fettsäuren im Stuhl der Probanden, deren Stoffwechselraten, Blutzucker und Körpergewicht ebenfalls ständig überprüft wurden. Der Vergleich nach sechs Wochen machte die Forscher sicher: Vollkorn-Ernährung reduziert die Kalorienaufnahme, hemmt entzündungsfördernde Bakterien im Darm und wirkt positiv aufs Immunsystem. Theoretisch könnte das eine Gewichtsabnahme von bis zu 2,5 Kilogramm pro Jahr bedeuten.
2. Wie Sirtuine beim Gewichstverlust unterstützen
Weniger Kalorien zu sich nehmen, hilft nicht nur, Gewicht zu reduzieren. Wer im Gegenzug das Richtige isst, kann die Kalorienrestriktion sogar als Jungbrunnen nutzen. Das zeigten zumindest die Blutwerte der Teilnehmer des „Biosphere2“-Projekts. 1991 hatte man sozusagen unter einer Glaskuppel ein eigenes Ökosystem in der Wüste Arizonas geschaffen, um die Auswirkungen dieser Autarkie auf Menschen, Tiere und Pflanzen zu erforschen. Die Menschen ernährten sich vorrangig von selbst angebautem Obst und Gemüse und blieben trotz Gewichtsabnahme leistungsfähig. In Blutproben lagen alle Biomarker für Langlebigkeit im optimalen Bereich. Hinter diesen positiven Effekten einer Kalorienrestriktion steckt ein Gen namens „Sir2“, das erstmals in Hefepilzen entdeckt wurde. Es hilft ihnen, in Zeiten von Nahrungsknappheit zu überleben. Der Biologe und Genetiker David Sinclair, der heute an der Harvard Universität forscht, fand Sir2-ähnliche Proteine bzw. Enzyme in allen Lebewesen. Sie bewirken auch dort bei Nahrungsmangel eine „Art Überlebensmodus“, sagt Bernd Kleine-Gunk, Präsident der deutschen Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin. Der Körper reagiert darauf mit Aktivität – das lasse sich wiederum zum Abnehmen nutzen. Mit bestimmten Nahrungsmitteln – „Sirtfood“ – auf dem Speiseplan werden die Sirtuine im menschlichen Körper aktiviert. Dazu zählen v.a. sekundäre Pflanzenstoffe wie etwa Resveratrol in Himbeeren oder roten Weintrauben) oder Sulforaphan (Brokkoli). Aber auch Knoblauch, Zwiebel, Äpfeln, grüner Tee, Olivenöl und Buchweizen aktivieren die Sirtuine.
3. Diese wichtige Rolle spielen Darmbakterien
Die Bedeutung der bei jedem Menschen einzigartigen Besiedelung des Darms mit Mikroorganismen – das sogenannte Mikrobiom – wurde erst den vergangenen Jahren genauer erforscht. Immerhin beherbergt der Darm Millionen von Bakterien – und er kommuniziert mit dem restlichen Körper. Kein Wunder, dass Darmmikroben auch dazu beitragen, den Appetit zu steuern und überhaupt Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden haben. Das Wohlbefinden der Darmflora „hängt davon ab, was man isst“, betont Emeran Mayer in seinem Buch „Das zweite Gehirn“. Der Mediziner forscht seit 40 Jahren an der Verbindung zwischen Darm und Gehirn. Für den britischen Genetiker Tim Spector hat die Zunahme von restriktiven Diäten auch Auswirkungen auf die Mikroorganismen. „Sie werden unweigerlich weiter zurückgehen und das wird unsere Gesundheit verschlechtern.“ Schon jetzt zeige sich, dass das Mikrobiom zum Teil für Fettleibigkeit verantwortlich sein dürfte.
Viele Zusammenhänge sind noch nicht ausreichend erforscht. Die Europäische Kommission unterstützt die Forderung vieler Wissenschaftler nach neuen Studien mit ausreichend großer Teilnehmerzahl und stellte rund 13 Millionen Euro für das Projekt „MyNewGut“ zur Verfügung. Es läuft bis 2018 und soll neue Erkenntnisse bringen, wie Mikroben im Darm Energie aus der Nahrung gewinnen und wie sich diese auf Körper- und Gehirnfunktionen auswirken
Das ist eine Diät, auf die man sich freuen könnte: völlern, worauf man gerade Lust hat, bis der Bauch übervoll ist, den ganzen Tag lang. Die restlichen sechs Tage der Woche ernährt man sich dafür gesund und maßvoll. Unter dem Namen "Cheat Day Diät" ist dieses Konzept derzeit ein heißer Anwärter für die nächste Trend-Diät.
Ähnliches erhofft sich wohl auch Valter Longo, Biochemiker an der University of California. Er nennt seine Diät "fasting mimicking" ("Scheinfasten-Diät"). Dabei muss sogar nur fünf Tage pro Monat eine spezielle, kalorien- und eiweißreduzierte Diät mit vielen ungesättigten Fetten eingehalten werden. Bereits dadurch würden, Alterungsprozesse verlangsamt, schreibt er in seiner diese Woche im Fachmagazin Science Translation Medicine veröffentlichten Studie. Und zwar, weil durch die Diät unter anderem das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes gesenkt werde. In der Studie hatten die 71 Teilnehmer, die sich nach diesem Konzept ernährten, in drei Monaten im Schnitt 2,6 Kilogramm abgenommen.
Immer neue Ansätze
Das sind nur zwei Beispiele für Trend-Diäten, die mittels neuer Ernährungsratgeber oder angeblich darauf schwörender Promis den ohnehin boomenden Markt weiter beleben. Dahinter stehen aber oft weniger gesundheitliche, sondern rein wirtschaftliche Interessen. Jährlich verbuchen Hersteller und Vertreiber Milliardenumsätze, kritisiert etwa die deutsche Gesellschaft für innere Medizin.
Auf der anderen Seite stehen Abnehmwillige, die jede neue Trenddiät freudig aufgreifen. Immerhin ein Drittel der Österreicher und Deutschen startet laut Umfragen alljährlich einen Abnehmversuch. Insgesamt haben mehr als 40 Prozent der Österreicherinnen und immerhin etwa 20 Prozent der Österreicher bereits Erfahrungen mit Diäten gesammelt. In seinem ursprünglichen Sinn bedeutet das Wort eigentlich "Lebensweise". Doch im modernen Sprachgebrauch ist davon wenig übrig geblieben. Da versteht man darunter nur Gewichtsreduktion.
Warum Diäten beim modernen Menschen so beliebt sind, erklärt Ass.-Prof. Petra Rust vom Department für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien so : "Die meisten Diäten bieten Konzepte, die eine bestimmte Zeit lang funktionieren. Sie versprechen sehr viel Gewichtsverlust in sehr kurzer Zeit." Es sei verständlich, dass das vielen lieber ist, als eine grundlegende Ernährungsumstellung. Eine solche verlange schließlich, den gesamten Lebensstil zu verändern "und sich intensiv mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen".
Hormone und Gehirn
Der vermeintlich einfachere Weg einer Radikaldiät sorgt allerdings für tiefgreifendere Veränderungen im Stoffwechsel als gedacht. Untersuchungen von Menschen vor und nach einer Radikaldiät zeigten, dass danach vom Hungerhormon Ghrelin um 20 bis 25 Prozent mehr ausgeschüttet wurde, dafür aber weniger vom Sättigungshormon Leptin. "Das Gehirn glaubt bei einer Diät, es wird ihm etwas weggenommen und reagiert darauf", sagt die Neurochirurgin Iris Zachenhofer. Mit ihrer Kollegin Marion Reddy hat sie ein Abnehmprogramm entwickelt, das auf diesen Erkenntnissen aufbaut.
Die Eingriffe von Diäten in Hormonhaushalt und Gehirnfunktion werden immer detaillierter entschlüsselt. "Aus seiner evolutionären Entwicklung verfolgt der Körper als oberstes Ziel, schnell wieder zuzunehmen", erklärt Zachenhofer. Das ist mit ein Grund, warum es zum Jo-jo-Effekt kommt (siehe dazu auch Grafik).
Ebenso beteiligt ist das Belohnungssystem – "jene Region, die Genuss möchte" – und der Hypothalamus, wo ständig die Blutzuckerkonzentration gemessen wird. Das heißt zuerst einmal: Schnell geht gar nichts, und ein wesentlicher Faktor fürs Abnehmen ist Zeit. Im Programm von Zachenhofer und Reddy wird ein Jahr lang jeweils eine Maßnahme pro Monat eingeübt. Egal, ob es darum geht, die Schlafgewohnheiten positiv zu verändern, selbst zu kochen und zwischen den Mahlzeiten vierstündige Essenspausen einzulegen. Den Sinn hinter diesem Ein-Jahres-Programm erklärt Zachenhofer so: "Es geht darum, neue Verhaltensmuster einzuüben, es geht nicht um Entbehrungen. Unser Gehirn mag im Grunde keine Veränderungen. Daher braucht es viel Übung, um etwas dauerhaft anders zu machen." Mit der Zeit verfestigen sich neue Verhaltensweisen in den Basalganglien, die unter anderem für die Regulation motorischer Gedächtnisfunktionen zuständig sind.
Realismus
Apropos dauerhafte Veränderung: Ein wenig Realismus kann beim Abnehmen nicht schaden. "Wenn bei manchen Diäten versprochen wird, dass man pro Woche vier Kilo verliert, ist das nicht seriös. Da verliert man maximal Flüssigkeit, aber kein Körperfett", warnt Ernährungswissenschaftlerin Rust. Realistisch seien maximal 0,5 Kilogramm Gewichtsverlust pro Woche. Der renommierte britische Genetiker Tim Spector empfiehlt in seinem Buch "Mythos Diät" überhaupt, Diäten skeptisch zu sehen. "Gehirn und Darm reagieren bei jedem Menschen sehr individuell auf Nahrung. Keiner ist dafür der unfehlbare Experte."