Kalzium ist gesund - oder auch nicht
Kalzium, auch Calcium, wirkt sich nicht nur in vielerlei Hinsicht positiv auf den Organismus aus, für Kinder in der Wachstumsphase, Schwangere, Frauen vor und nach der Menopause sowie ältere Menschen ist Kalzium ein besonders wichtiger Mineralstoff für den Knochenstoffwechsel. Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 1.000 Milligramm für Erwachsene ab 19 Jahren, Schwangere und Stillende. Kinder ab dem 10. Lebensjahr sollten zwischen 1.100 und 1.200 Milligramm zu sich nehmen.
Auch auf das Herz wirkt sich Kalzium förderlich aus. Die Nieren und die Lunge profitieren ebenso. Eine kalziumreiche Ernährung ist jedoch einer Zufuhr über Supplemente vorzuziehen, wie eine neue US-Studie zeigt.
Tabletten fördern Arteriosklerose
Im Zuge der Langzeituntersuchung mit über 2.700 Personen wurden die Auswirkungen der Kalziumzufuhr über die Nahrung sowie jener über kalziumhaltige Nährstoffpräparate unter die Lupe genommen. Dabei erhielten die Probanden über einen Zeitraum von zehn Jahren täglich unterschiedliche Kalziumdosen (zwischen 300 und 2150 Milligramm) - die einen in Form von speziellen Ernährungsplänen, die anderen in Form von Tabletten.
Die überraschende Erkenntnis: Während eine kalziumreiche Ernährung das Risiko für Arteriosklerose senkt und Herzerkrankungen vorbeugt, tragen Tabletten offenbar zur Entwicklung von Arteriosklerose bei. Um ganze 22 Prozent stieg bei den Probanden mit hoher Kalziumzufuhr (über 1.400 Milligramm) die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken. In der zweiten Teilnehmergruppe sank das Risiko bei einer ähnlichen Dosierung hingegen um 27 Prozent.
Kalziumsalze verantwortlich?
Die Forscher sehen die Ursache dafür in der Verarbeitung von Kalzium im menschlichen Körper. Das überschüssige Kalzium werde zwar gespeichert, komme aber nicht in den Knochen an. Da es nicht über den Urin ausgeschieden wird, lagert es sich in den Arterien ab. Das liegt den Wissenschaftern zufolge womöglich an den in Supplementen enthaltenen Kalziumsalzen. Es sei auch denkbar, dass der Körper eine derart abrupte Zufuhr an Kalzium nicht verkrafte. Überraschend seien hingegen die positiven Effekte der Aufnahme über die Nahrung. "Auch eine hohe Aufnahme des Minerals kann offenbar mehr nützen als schaden“, so Mitautorin Erin Mochos.
"Kalzium ist ein lebenswichtiger Nährstoff"
Verena Wartmann, private Ernährungsberaterin in Wien, warnt davor aufgrund der Studie voreilige Schlüsse zu ziehen. "Ich muss darauf aufmerksam machen, dass es wichtig ist diese Studie – so wissenschaftlich diese Studien auch scheinen mag – zu hinterfragen. Fakt ist: Kalzium ist ein lebenswichtiger Nährstoff, der Herzattacken vorbeugen kann und sie sicher nicht grundsätzlich begünstigt."
Wichtig sei, dass Kalzium nicht isoliert, sondern in Kombination mit Vitamin D, Vitamin K und Magnesium ein- bzw. im Organismus aufgenommen werde und man eine guten Vitamin K und Vitamin D Status hat. Besteht beispielsweise ein Vitamin K-Mangel, dringt das Kalzium in die Blutgefäße ein und lagert sich dort an den Wänden an. Liegt eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K vor, konzentriert sich das Kalzium auf den Einbau in die Knochen und unterstützt die Herzfunktion.
Eine Kalziumaufnahme bis 2.500 Milligramm pro Tag über pflanzliche und tierische Quellen ruft in der Regel keine negativen Effekte wie Intoxikation hervor. Hohe Mengen können aber zu Verstopfung führen und bei Männern das Risiko für Harnsteinbildung beziehungsweise Nierensteinen erhöhen. Generell begünstigt eine sehr hohe Kalziumzufuhr die Entwicklung von Hyperkalzämie, Hyperkalzurie und Nierenfunktionsstörungen. Neben einer toxischen Wirkung behindert Kalzium die Eisenabsorption. Diese sollte bei den Empfehlungen zur Kalziumzufuhr immer berücksichtigt werden.
Kalzium durch die Ernährung zuführen
Milch und Milchprodukte enthalten Wartmann zufolge reichlich Kalzium in komplexer, leicht absorbierbarer Form. "Sie weisen einen günstigen Ca/P Quotienten auf, da im Gegensatz zu den meisten anderen Lebensmitteln der Kalziumgehalt den von Phosphor übersteigt." Verschiedene Gemüsearten (z.B. Spinat, Brokkoli, Fenchel, Artischocken, Okra, Sellerie) sowie Nüsse (Mandeln, Paranuss, Haselnüsse) enthalten im Durchschnitt beachtliche Kalziummengen, die vom Körper jedoch nur in geringem Maße genutzt werden können.
Können Supplemente sinnvoll sein?
Ergänzende Kalziumpräparate sind laut Wartmann generell kritisch zu sehen. "Supplemente, egal welche, sollte man nie aus eigenem Glauben nehmen, sondern nur in Absprache mit seinem Arzt des Vertrauens. Eine Blutanalyse gibt Aufschluss darüber."
Häufig würden Menschen außerdem nicht aufgrund unzureichender Zuführung von Kalzium unter Mangelerscheinungen leiden, sondern wegen schlechter Mineralstoffverwertung. „Während einige Krankheiten der Nebenschilddrüse und der Nieren zu chronischen Problemen bei der Kalziumaufnahme führen, liegt häufig auch einfach ein Vitamin-D-Mangel vor. Dieses ist für die Kalziumverwertung essentiell“, so Wartmann. Ein Vorteil vieler moderner Kalziumpräparate liege darin, dass sie mit Vitamin D kombiniert angeboten werden.
Von starkem Kalziummangel sind vor allem schwangere Frauen, stillende Mütter sowie Senioren betroffen. Menschen, die nicht zu den genannten Risikogruppen zählen, können in der Regel durch den Verzehr von kalziumreichen Lebensmitteln ihren Bedarf decken. Eine eventuelle Notwendigkeit von Supplementen ist nach erfolgter Blutanalyse mit dem Arzt abzusprechen.
Verena Wartmann ist Ernährungswissenschafterin in Wien. Weitere Informationen finden Sie hier.