Wellness

Gesund alt werden: So werden Sie hundert!

Die "Eiserne Nonne", Schwester Madonna Buder, 87, hatte vor vierzig Jahren eine bewegende Eingebung. Es war an einem sonnigen Frühlingstag am Strand von Oregon, die nackten Zehen im Sand, bekam sie plötzlich Lust zu laufen. Sie lief und lief und fühlte sich so frei wie lange nicht mehr – wie das letzte Mal als zehnjähriges Mädchen, als beim Seilspringen ihre Zöpfe durch die Luft flogen. Dieses Freiheitsgefühl überkam Madonna Buder mit 48 Jahren. Ihr Leben bestand bis dahin aus einem geregelten Klosteralltag: beten, arbeiten, schlafen. Und sie ahnte noch nicht, dass sie die nächsten Jahrzehnte 45 Ironman-Wettkämpfe absolvieren und weltberühmt werden würde.

"Irun Nun" Madonna Buder, 87:

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Es ist nie zu spät, um (wieder) anzufangen

Alles zu geben, das beschloss auch der französische Radsportler Robert Marchand erst in seiner Pension. Er war bereits 67, als er – nach dreißig Jahren Pause – wieder in den Radrennsport zurückkehrte – und triumphierte. Das letzte Mal mit 105. Das lasse man sich einmal auf der Zunge zergehen – Hundertfünf! Es ist also nie zu spät, um (wieder) anzufangen, Sport zu machen. Man muss ja nicht gleich Rekorde einfahren. Aber der Weltmeister des eigenen Glücks und der eigenen Gesundheit zu werden, und zwar bis zum letzten Atemzug, das wäre schon was.

Bewegung wirkt wie Medizin

Die medizinische Forschungsarbeit ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass man weiß: Bewegung wirkt wie Medizin, Rauchen kostet Lebensjahre und sich vorwiegend von Fertigprodukten zu ernähren macht auf Dauer krank. Hält man sich an diese simplen Regeln, steckt der Körper auch die eine oder andere Sünde leichter weg. Denn sobald Bewegung ins Spiel kommt, erhält der Mensch, was er braucht. Das liegt in seiner Natur, war er doch laut Evolutionsforschern als Jäger und Sammler durchschnittlich bis zu 15 Kilometer per pedes unterwegs. Täglich. Heute sind es im Schnitt 3,5 Kilometer."Was ich mache, kann jeder machen", behauptete Marchand im Angesicht seines Erfolgs. Wirklich schwierig sei nur, "100 Jahre zu leben."

Weltmeister mit 105 Jahren:

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Fit bleiben: das wollen doch alle. Und etwas dafür tun?

Eiserne Nonne und der 105-jährige Rad-Rekordler, zwei Extrembeispiele für Menschen im hohen Alter. Klar, dass diese beiden immer aktiv bleiben werden, solange sie können. So wie auch der 100-jährige Schwimmlehrer Leo Kuchwalek aus Berlin, die 99-jährige Yoga-Meisterin aus New York und die Wiener Schauspielerin Erni Mangold, 91, die überzeugt ist: "Man muss selbst was tun. Von nix kommt nix." All diese Menschen haben gemeinsam, dass sie ihre Ressourcen nutzen und dabei fit bleiben. Während wesentlich jüngeren Menschen bereits beim Stiegensteigen in den dritten Stock die Luft ausgeht. Gut, 42 Kilometer laufen, 180 Kilometer Radfahren und solange schwimmen, bis einem das Wasser bis zum Hals steht, ist vielleicht ein bisschen zu viel – und nicht für jeden gesund. Schließlich kann man seine Fitness auch langsamer und dennoch konsequent trainieren. Aber es stellt sich schon die Frage, warum derart gravierende Unterschiede existieren, wenn es um die physischen Kräfte geht? Und das obwohl laut Umfragen für die meisten Menschen "körperlich und geistig fit zu bleiben" viel wichtiger ist als "lange zu leben".

Lieber Couchpotato? Lieber nicht

Um die körperliche Gesundheit möglichst lange zu halten beziehungsweise zu verbessern, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Erwachsenen als Grundvoraussetzung zweieinhalb Stunden Ausdauertraining und zwei Mal pro Woche am Muskelaufbau zu arbeiten. Denn wer das tut, gewinnt enorm an Lebenserwartung. WHO-Berechnungen zufolge fördert mangelnde Bewegung Diabetes mellitus, Darmkrebs, Brustkrebs und koronare Herzkrankheiten. Wer die Couch-Potato-Variante als Lebenselixier bevorzugt, schaut da eher alt aus der Wäsche. Dann noch Zigaretten, möglichst viel Industriezucker – reichlich enthalten in allen Fertigprodukten – und das Greisenalter kommt schneller als gedacht. Oder wird nicht einmal annähernd erreicht.Aber was ist mit jenen Faktoren, die das Alter und die Konstitution eines Menschen maßgeblich bestimmen? Die Theorie vom Methusalem-Gen ist vom Tisch. Wie der Mensch altert, wie es ihm gesundheitlich geht, wie alt er wird, das bestimmen seine Gene nur zu 20 Prozent. Mehr Einfluss hat die Umwelt, in die wir hineingeboren werden – und zwar 30 Prozent.

Altwerden? Was soll das sein?

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Unsportliche Menschen gibt es nicht

Doch den größten Beitrag zur eigenen Gesundheit leistet der Mensch selbst. Ernährungs-, Sportmediziner und Genetiker sind sich in diesem Punkt längst einig: Durch den entsprechenden Lifestyle kann der Einzelne sein Leben nicht nur verlängern (beziehungsweise verkürzen), sondern sogar selbst darüber entscheiden, wie gebrechlich er im Alter sein wird. Er kann also auf seine Lebensqualität selbst Einfluss nehmen. Pech für Unsportliche? "Ich glaube nicht, dass Menschen von sich aus unsportlich sind", sagt Thomas Ernst Dorner von der MedUni Wien, am Institut für Public Health, das sich mit der öffentlichen Gesundheit beschäftigt. "Sich zu bewegen, liegt in der Natur des Menschen. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch Freude an der Bewegung finden kann." Als Studienleiter eines Trainingsprogramms zur Reaktivierung älterer und gebrechlicher Männer und Frauen kann er davon berichten, wie sehr selbst bereits physisch stark eingeschränkte Menschen davon profitieren, wieder aktiv zu werden. Etwa der 95-jährige Mann, der glücklich ist, weil er wieder seine Schuhe selbst binden kann. Professor Dorner ist davon überzeugt: "Es ist nie zu spät, sich mehr zu bewegen, aktiver zu werden und auch mehr Spaß an der Bewegung zu entdecken."

Schon als junger Mensch der Gebrechlichkeit vorbeugen

Eine lohnende Investition in die Lebensqualität. Denn je älter man wird, desto wichtiger wird die Muskelkraft. Sie ist die Voraussetzung dafür, ein aktives Leben zu führen. Die Zahlen sind alarmierend: Laut Studien sind elf Prozent der über 65-jährigen Österreicherinnen und Österreicher gebrechlich und 41 Prozent von einer Vorstufe dazu betroffen. Verliert der Mensch die Fähigkeit, seinen Körper selbst zu bewegen, droht eine Abwärtsspirale. Die wirkliche Gefahr, so Dorner, sei die Angst vor Stürzen. "Das führt dazu, dass man das Haus nicht mehr verlässt, nicht mehr das richtige Essen besorgt, keine sozialen Kontakte mehr hat, sich weniger bewegt und damit noch unsicherer in seinen Bewegungen und damit noch gebrechlicher wird."Trauen sich alte Menschen hier womöglich auch selbst zu wenig zu? Dorner geht sogar noch weiter: "Ich finde, dass den alten Menschen von anderen zu wenig zugetraut wird." Dafür bist du doch schon zu alt oder quäl’ dich nicht, schon dich lieber, sind Stehsätze, die nicht immer helfen.

Immer eine Herausforderung, etwas Neues auszuprobieren

Dazu kommt, dass es natürlich schwierig ist, sich aufzuraffen, wenn einen schon Knochen und Gelenke schmerzen, oder die Sehkraft nachgelassen hat. Man gibt dann der Bequemlichkeit eher nach, als sich anzuspornen weiterzumachen. Helfen kann hier die Gemeinschaft, gibt es doch mittlerweile für jede Lebenslage Angebote, die den Körper kräftigen. "Natürlich muss man sich motivieren, es ist immer eine Herausforderung, etwas Neues auszuprobieren, in jedem Alter", so der Mediziner für öffentliche Gesundheit.

Erni Mangold: Hanteltraining und Disziplin

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Erni Mangold: "Ich liebe das Leben"

"In unserem Alter ist die Selbstständigkeit das Wichtigste", sagt Theater- und Filmschauspielerin Erni Mangold, 91. Im Dezember stand sie in dem Stück "Harold und Maude" das letzte Mal auf der Bühne. Filme dreht sie noch, aber auf die Bühne will sie nicht zurück. Sie habe gespürt, dass das Theaterspielen an ihr knabbere, der Blutdruck ging in die Höh, es wurde zu anstrengend. "Viele sagen, dir muss doch fad sein. Warum soll mir fad sein?", sagt sie und hebt entnervt den Blick zur Decke. Das Leben bestehe ja nicht nur aus Arbeit. "Ich liebe das Leben. Ich liebe die Einfachheit, die Natur, die Einsamkeit hier draußen im Waldviertel. Das gibt mir Kraft, hat mich auch immer wieder aufgebaut."

Was Erni Mangold jetzt den ganzen Tag macht? Spazieren gehen – wobei sie flott unterwegs ist –, die Bäume anschauen, die Vögel beobachten, mit Leuten reden, Fernschauen. Man muss sich keine Sorgen machen: Sie hat Freundinnen, Freunde, ihre Wahlfamilie, sie liest, geht einkaufen, kocht und trainiert zwei Mal pro Woche mit ihren Hanteln. Erni Mangold schaut auf sich und ihren Körper, denn "der war mir immer wichtig, das Gesicht ist mir egal". Hat sie Verständnis dafür, wenn andere Menschen nicht trainieren, ungesund essen? "Naja – nein. Ich versteh’s auch nicht, wenn einem die Bio-Produkte zu teuer sind." Ja, wenn man fünf Kinder hat, dann müsse man schon anders rechnen. Sie selbst isst nur wenig Fleisch, verzichtet auf Zucker und isst auch zwei Wochen altes Brot: "Mein Vater hat mir alles über Ernährung beigebracht, was ich brauche."

Schweinehund? "Bei mir ist es der Elefant"

Erni Mangold, eine starke Frau und ein Vorbild? Beides hört sie nicht so gerne. "Ich muss mich genauso überwinden rauszugehen, bin müde und träge, gerade jetzt, da ich wegen meiner Schulter im Krankenhaus war, Antibiotika nehmen musste", sagt sie. Aber es bleibt einem ja nichts anderes übrig. Sie mag das Wort nicht, das bezeichnet, was ihr hilft: Disziplin. "Aber es ist halt so, ohne Disziplin geht es nicht. Und wenn man nichts macht, dann ist man nicht gut beinand." Das Energiebündel Erni Mangold muss sich also überwinden, kennt womöglich den inneren Schweinehund? Echt jetzt? "Blödsinn! Bei mir ist es der Elefant, den ich bezwingen muss. Der ist auch träge, aber wenn er mal in den Tritt kommt, dann arbeitet er fleißig und stapft drauflos", sagt sie, setzt ihre rote "Oma-Haube" auf, nickt zum Gruß und geht in die frisch verschneite Waldviertler Landschaft.

Buchtipps zum Thema:

Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung sind wichtig. Was hilft, ist die Entschlossenheit, „Ja“ zum Leben zu sagen. Die Bereitschaft in jeder Lebensphase das Beste aus sich herauszuholen („Wie Sie beim Altern ganz sicher scheitern“/Uwe Böschemeyer/Ecowin, 24 €)

Jede Aktivität ist besser, als nur herumzusitzen. Thomas E. Dorner, Professor am Zentrum für Public Health, empfiehlt: Immer wieder aufstehen, vom Bett, vom Sofa, vom Sessel. Das ist für jeden gut, aber im Alter umso wichtiger. Auch empfiehlt es sich, Kniebeugen zu trainieren. (Buchtipp: „Gesundheit im Alter“/Manz Verlag. Ein Ratgeber, der MedUni Wien, der erklärt und zeigt, wie man möglichst gesund altern kann. Mit konkreten Trainings- und Ernährungstipps, 23,90 €)