Spott und Hohn vom Nachbar
Es ist gar nicht so lange her. Etwas mehr als ein Jahrzehnt. Damals flogen die Reichen aus Buenos Aires nach London oder New York. Nach Brasilien kamen sie bestenfalls, um es sich an den Stränden des Nachbarlandes gut gehen zu lassen. Für argentinische Pesos – damals im Wechselkurs an den US-Dollar gebunden – bekamen sie viele von diesen Reais. Doch dann kam der Staatsbankrott. Und seit 2001/2002 ist in Südamerika vieles ganz anders.
Argentinien leidet noch immer an den Folgen der Pleite, steht vielleicht gerade vor der nächsten. Und Brasilien hat sich zum Boom-Staat in Südamerika gemausert. Jetzt trifft man oft gut situierte Brasilianer in den besten Steakhäusern in Buenos Aires. Währenddessen tun sich die Argentinier aufgrund der Devisenbeschränkungen schwer, an Reais heranzukommen.
Die Invasion
Aber irgendwie schaffen es die Argentinier, das Geld aufzutreiben für den WM-Trip. Man sieht sie auf Flughäfen, in Busbahnhöfen, in Supermärkten, an den Stränden. Nachdem die Fans aus Chile und Kolumbien schon wieder daheim sind, sind Blauweiße allgegenwärtig "Oh, mein Gott, sie haben unsere Strände eingenommen", sagte die brasilianischen Sängerin Isabel Monteiro erschrocken beim Anblick der Fan-Scharen auf der Copacabana.
Sie haben auch Geld für die Tickets aufgetrieben. Bei der FIFA kosteten Karten für die ersten drei Gruppenspiele rund 800 US-Dollar. Den Rest mussten sie sich auf dem Schwarzmarkt besorgen, wo Final-Tickets um rund 1000 Dollar angeboten werden.
Auch dem Selbstvertrauen der argentinischen Fans tut das keinen Abbruch. Sie singen in den brasilianischen WM-Stadien Lieder, mit denen sie den Nachbarn ärgern. Sie singen, dass Vater im Land ist, um dem Kind zu zeigen, wie man Fußball spielt: "Brasil, decime que se siente, tener en casa a tu papa". Das heißt: "Brasilien, sag mir, wie es sich anfühlt, wenn Papa daheim ist".
Nach dem Sieg gegen Belgien kursierte im Internet ein Video aus der Kabine des Stadions in Brasilia. Die argentinischen Spieler schwangen ihre Trikots, klopften auf den Spinden den Takt und sangen dieses höhnische Lied. Die Melodie stammt von "Bad moon rising" von Creedence Clearwater Revival. Der Hohn geht so weiter: "Messi – ihr werdet sehen – wird uns den Pokal tragen lassen." Wurde in der Kabine von Messi höchstpersönlich mitgegrölt. Das große Finale des Gesangs lautet: " Maradona ist größer als Pele". Das wurde begeistert von Sergio Agüero intoniert. Obwohl sein ehemaliger Schwiegervater ihn nach der Scheidung als Schlappschwanz bezeichnet hatte.
Der Soundcheck
Die Brasilianer wollen nicht verstehen, dass Maradona und Messi besser seien als Pele und andere Helden der Seleção. Immerhin hat Brasilien schon fünf Mal die WM gewonnen, Argentinien aber erst zwei Mal. In den WM-Stadien liefern sich brasilianische Zuschauer und argentinische Fans regelmäßig einen Gesangswettstreit. Die Brasilianer singen über den Falklandkrieg, den Argentinien verloren hat. Die Argentinier revanchieren sich mit einer Verhöhnung des Jahres 1950, als Brasilien daheim den Titel verspielt hat.
Erst die Pleite, dann der erfolgreiche Nachbar. Brasilien ist zerknirscht. "Der Albtraum wird noch größer. Argentinien steht im Finale", schrieb die Zeitung O Dia. Und die Sportzeitung Lance schwört die Fans schon für das Finale am Sonntag ein: "Wir sind alle Deutschland." Da kann Papst Franziskus endlich zu seiner Heimat halten. "Die Brasilianer haben mich um Neutralität gebeten", verriet er vor der WM. Doch Brasilien ist out.
BRASIL, DECIME QUE SE SIENTE
TENER EN CASA A TU PAPA
SEGURO QUE AUNQUE PASEN LOS AÑOS
NUNCA LO VAMOS A OLVIDAR
QUE EL DIEGO TE GAMBETEO
EL CANI TE VACUNO
ESTAS LLORANDO DESDE ITALIA HASTA HOY
A MESSI LO VAS A VER
LA COPA NOS VA A TRAER
MARADONA ES MAS GRANDE QUE PELE
Übersetzung:
Brasilien, sag mir, wie es sich anfühlt,
wenn Papa zu Hause ist?
Ich bin sicher, obwohl so viele Jahre vergangen sind,
dass wir nicht vergessen werden,
wie Maradona euch überlegen ist
und Caniggia euch überrascht hat.
Ihr weint seit Italien bis heute
Ihr werdet Messi sehen,
wie er uns den Pokal tragen lässt.
Maradona ist größer als Pele.