WM-Aus für Superstar Neymar
Der Superstar der Selecao fällt für den Rest des Turniers aus. Nach einem schweren Foul in der 86. Spielminute hat Brasiliens Stürmer Neymar im WM-Viertelfinale gegen Kolumbien einen Wirbelbruch erlitten. Das sagte der Teamarzt der Selecao, Rodrigo Lasmar, dem TV-Sender SporTV in der Nacht auf Samstag. Damit verliert der Rekord-Weltmeister seinen vierfachen Torschützen. Mit 54 Fouls war das Spiel eines der härtesten Spiele bei der Fußball-WM bisher.
Der 22-Jährige war wenige Minuten vor Spielende bei einer harten Knie-Attacke des Kolumbianers Juan Zuniga am Rücken verletzt worden. Der Schiedsrichter hatte die Attacke in der 86. Minute nicht gesehen. Neymar wurde mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einer Trage vom Platz gebracht und in ein Krankenhaus eingeliefert. Brasiliens bekanntester TV-Kommentator Galvao Bueno sprach von einer "Aggression" Zunigas und einem "kriminellen Vorgang". Neymar hatte vor Schmerzen geweint und war auf einer Trage aus dem Innenraum gebracht worden.
Diagnose
Bei Neymar sei ein Bruch des dritten Lendenwirbels festgestellt worden, sagte Lasmar. Es sei keine ernsthafte Fraktur und auch keine schwierige Behandlung. Aber es werde einige Wochen dauern, bis Neymar seine volle Bewegungsfähigkeit wiedererlangt habe. "Er wird nicht binnen einer Woche genesen", sagte der Mediziner. Die Diagnose wurde nach Untersuchungen in einer Privatklinik gestellt. "Als ich da reingegangen bin, habe ich an nichts Böses gedacht. Ich hoffe, dass er mit Gottes Hilfe sich wieder erholt", sagte der kolumbianische Gegenspieler Zuniga zu seiner Attacke.
Vor dem Krankenhaus versammelten sich zahlreiche Fans, die Neymar mit "Forca Neymar"-Rufen Mut zusprachen. Auch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff meldete sich über Twitter zu Wort und sagte, dass sie auf eine Genesung Neymars hoffe.
"Gewaltsames Spiel"
Nationalcoach Luiz Felipe Scolari hatte sich schon bei der Pressekonferenz nach dem Spiel skeptisch gezeigt, dass Neymar bei der nächsten Partie gegen Deutschland wieder einsatzbereit sein werde. "So wie ich es sehe, kann er nicht spielen", erklärte der 65-Jährige. "Er weinte vor Schmerzen. Ich garantiere, dass es nicht leicht für ihn wird sich zu erholen, basierend darauf, was der Arzt uns gesagt hat...."
Scolari warf dem spanischen Schiedsrichter Carlos Velasco vor, bei Fouls nicht energisch genug durchgegriffen zu haben, gesteht aber auch ein, dass auch Brasilien "gewaltsam" gespielt habe. "Er hätte in bestimmten Situationen unser gewaltsames Spiel unterbinden müssen und ihr gewaltsames Spiel und vielleicht wäre es dann nicht so weit gekommen", sagte Scolari mit Blick auf das brutale Foul an Neymar.
Übeltäter entschuldigt sich
Inzwischen hat sich Juan Zuniga für seine brutale Attacke entschuldigt. "Als ich da reingegangen bin, habe ich an nichts Böses gedacht. Ich hoffe, dass er sich mit Gottes Hilfe wieder erholt", ließ der Defensivmann Neymar ausrichten. Die FIFA hat in Person von Sprecherin Delia Fischer inzwischen bekanntgegeben, dass sie den Fall am Samstag genau unter die Lupe nehmen wird und anschließend eine Entscheidung durch die Disziplinarkommission fällt.
Shitstorm gegen Zuniga
Der Attentäter hat sich mit seinem Foul keine Freunde gemacht. Ganz im Gegenteil. In sozialen Netzwerken schlägt dem Kolumbianer eine Welle des Hasses entgegen. "Egal, welches Team du unterstützt, du hasst diesen Typen", steht unter einem Foto Zunigas auf Twitter. Unter dem Hashtag #Zuniga wird der 28-Jährige von Fans aus aller Welt wüst attackiert, auch Morddrohungen wurden ausgesprochen. Viele der User sind der Meinung, die FIFA müsse die Attacke noch schärfer als die Biss-Attacke von Luis Suarez bestrafen.
Fans beten für Neymars Genesung
Brasilien konnte sich in Fortaleza am Freitag gegen Kolumbien mit einem 2:1 durchsetzen und trifft damit am kommenden Dienstag in Belo Horizonte im Halbfinale auf Deutschland. Der Traum vom sechsten WM-Triumph darf weiter geträumt werden. Die kolumbianischen Fans kleideten sich am Freitag bewusst in rote Auswärtstrikots, um sich vom brasilianischen Gelb zu unterscheiden. Nach nervösen Anfangsminuten auf beiden Seiten machte auf dem Feld eine Standardsituation den Unterschied für Brasilien: Einen Eckball von Neymar verwertete der völlig allein gelassene Kapitän Thiago Silva (7.).
Das 1:0 war ein Beruhigungsmittel für die Brasilianer, während Kolumbien erstmals bei dieser WM in Rückstand geriet und mit dieser Premiere nichts anzufangen wusste. Es schien, als wäre ihnen der Schneid abgekauft worden. Brasilien wirkte agiler und williger, vor allem im Mittelfeld, wo Fernandinho und Oscar unermüdlich rackerten – wie auch Hulk in der Offensive, der mit zwei Schüssen für weitere Gefahr sorgte.
Flottes Spiel
Beide Teams hielten das Tempo hoch, zeitweise ging es vor allem den Kolumbianern zu schnell, denn sie agierten fehlerhaft im Spielaufbau, weshalb auch Treff-Ass James Rodríguez kaum zur Geltung kam. Das Kollektiv fand nicht so recht in die Partie, gefährlich wurde man nur durch einen Schussversuch von Cuadrado.
Nach der Pause ging es weiterhin flott hin und her, allerdings jeweils nur bis zum Strafraum. Zwischendurch wurde fleißig Trikot gehalten, auf die Füße getreten oder auf Schienbeine geklopft. Das Südamerika-Duell hatte seine sehr rustikale Seite zu bieten. Und das spielerische Element blieb dabei auf der Strecke, Kolumbiens Vorträge gestalteten sich meist bruchstückhaft. Auch weil Brasiliens Innenverteidiger Thiago Silva und David Luiz alles abräumten, was so auf sie zukam.
Brutales Finish
Und auch im Angriff waren es diese beiden Herren, die Neymar in eine Nebenrolle schlüpfen ließen. David Luiz hämmerte einen Freistoß aus 30 Metern ins rechte Eck zum 2:0 (69.). Brasilien war schon mit einem Fuß im Halbfinale – ehe Goalie Júlio César Kolumbiens Star Rodríguez regelwidrig stoppte. Den Elfmeter verwertete der Gefoulte höchstpersönlich zum 1:2 (80.), wodurch die Schlussphase zur Zitterpartie und Härteschlacht wurde.
Kolumbien stürmte verzweifelt, Brasilien verteidigte erfolgreich mit Händen und Füßen. Trotz des Sieges gab es zwei Wermutstropfen: Thiago Silva erhielt nach einer völlig unnötigen Aktion Gelb und ist im Halbfinale gegen Deutschland gesperrt. Für ihn wird erstmals Bayerns Dante zum Einsatz kommen. In der 86.Minute kam es dann zu der Szene, die ganz Brasilien in Schockstarre verfallen ließ. Kolumbiens Rechtsverteidiger Zuniga besiegelte mit einem Sprung in den Rücken Neymars dessen WM-Aus.
Fortaleza, Estadio Castelao, 60.000, SR Velasco (ESP)
Tore:
1:0 ( 7.) Thiago Silva
2:0 (69.) David Luiz (Freistoß)
2:1 (80.) J. Rodriguez (Elfmeter)
Brasilien: Julio Cesar - Maicon, Thiago Silva, David Luiz, Marcelo - Fernandinho, Paulinho (86. Hernanes) - Oscar, Neymar (88. Henrique), Hulk (83. Ramires) - Fred
Kolumbien: Ospina - Zuniga, Zapata, Yepes, Armero - Cuadrado (80. Quintero), Guarin, Sanchez, Ibarbo (46. Ramos) - T. Gutierrez (70. Bacca), J. Rodriguez
Gelbe Karten: Thiago Silva (im nächsten Spiel gesperrt), Julio Cesar bzw. J. Rodriguez, Yepes
Jose Pekerman (Kolumbien-Teamchef): "Es ist sehr traurig, weil uns eine große Illusion genommen wurde. Wir haben in einem sehr intensiven Spiel zwei Tore aus Standards bekommen. Kolumbien kann trotzdem stolz sein auf diese Mannschaft. Wir waren lange nicht bei einer WM vertreten, waren jetzt aber nicht nur dabei, sondern haben auch tollen Fußball geboten."
Maicon (Brasilien-Außenverteidiger): "Es war schwierig, das haben wir aber vorher gewusst, weil sie alle Spiele gewonnen hatten. Wir haben es aber geschafft und jetzt wird das nächste Spiel hoffentlich auch erfolgreich sein. Deutschland hat ein starkes Team, sie waren zuletzt immer im Halbfinale, das wird nicht leicht."
David Luiz (Brasilien-Torschütze): "Es war ein sehr intensives und tolles Spiel, beide Mannschaften haben schönen Fußball gespielt. Es wird jetzt ein großartiges Spiel gegen Deutschland geben. Ich hoffe, dass wir so spielen werden, wie wir es können. Freistöße übe ich das ganze Jahr, auch bei Chelsea. Das sind Spielzüge, die ich einüben will. Darüber, dass es so geklappt hat, bin ich sehr glücklich"
Thiago Silva (Brasilien-Kapitän, 1 Tor): "Bei der Gelben Karte ist es dumm für mich gelaufen, ich konnte nicht mehr ausweichen. Ich weiß auch nicht, warum der Schiedsrichter das so interpretiert hat. Dante und Henrique können mich gut ersetzen."
James Rodriguez (Kolumbien-Torschütze): "Ich bin traurig weil wir alles versucht haben, aber mit leeren Händen dastehen. Wir sind leider draußen, wären wirklich gerne weitergekommen. Der Schiedsrichter hat uns auch nicht viel geholfen. Insgesamt sind wir aber zufrieden, weil wir alles probiert haben. Kopf hoch und Danke Kolumbien für diese tolle Unterstützung. Wir können auch stolz sein auf unsere Leistung bei dem Turnier."