"Denken an die Sicht des Kunden"
Barbara Weber-Kainz ist eine der wenigen Experten in Österreich, die sich mit dem Thema Service Design beschäftigen. Die Unternehmensberaterin und Service Designerin unterstützt Kunden dabei, ihre Serviceleistungen zu überdenken und innovative Lösungen zu finden. Was bei dem oft einige Jahre dauernden Prozess nicht zu kurz kommen darf: Humor und Lebensqualität.
KURIER: Was genau bedeutet der Begriff Service Design eigentlich?
Barbara Weber-Kainz: Service Design stellt das Wichtigste ins Zentrum: den Kunden. Zentral ist daher die Gestaltung von Funktionalität und Form von Dienstleistungen aus der Perspektive der Kunden. Man beschäftigt sich sowohl mit der Analyse, der innovativen Neugestaltung bestehender Dienstleistungen als auch mit der Entwicklung neuartiger Services.
Kann man das auch selbst machen, z. B. indem man besonders serviceorientiert ist? Wie wichtig ist die Unterstützung eines Experten?
Das Ziel des Service-Design-Prozesses ist es, Dienstleistungen nicht nur nützlich, nutzbar und begehrenswert für den Kunden zu gestalten. Gleichzeitig muss das Service auch effizient und effektiv sein. Es wäre doch eine sehr einfache Sache, wenn man jedem Kunden einen persönlichen Butler zur Seite stellen würde, aber wäre das auch effizient? Es geht im Service Design darum, wirklich neue und innovative Lösungen zu finden, dabei kann es sehr hilfreich sein, mit externen Experten zusammenzuarbeiten. Was wir in der Praxis oft erleben, ist eine gewisse Betriebsblindheit und Ängstlichkeit vor Veränderung, wenn es um wirklich innovative Lösungsansätze geht.
Wie schaut so eine Unterstützung denn aus? Was passiert dabei?
Das ist natürlich sehr unterschiedlich und hängt stark von der Ausgangssituation, der Art der Dienstleistung und dem Unternehmen ab. In den Service-Design-Prozessen, die wir aufsetzen, versuchen wir immer die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen einzubeziehen. Die Ergebnisse sollen vom Team nicht nur mitgetragen, sondern in erster Linie vom Team mitgestaltet werden. Wir verstehen uns eher als Prozessbegleiter, denn als externe Berater. Wir entwickeln zum Beispiel prototypische Kunden-Steckbriefe: für die alleinreisende Geschäftsfrau; für den etwas älteren, schon leicht schwerhörigen Herrn; für eine Familie, die mit ihrem Hund unterwegs ist. Dann gehen wir auf "Customer Journey", also auf die Kundenreise. Diese Reise wird dokumentiert und beurteilt, sie liefert dem Unternehmen detaillierte Ideen, das Service wirklich am Kunden auszurichten. Die Methode macht schnell und effizient Defizite im Service sichtbar.
Wie lange dauert so ein Prozess, wann ist er abgeschlossen?
Es gibt dafür keine 08/15-Lösung. Manche Prozesse erstrecken sich über zwei Jahre, es gibt aber auch ganz rasche ,Quickies', die im Rahmen eines Drei-Tage-Workshops zu erstaunlichen Lösungsansätzen führen. Im Regelfall ist der Prozess in vier Abschnitte gegliedert: Explorationsphase, Kreationsphase, Reflexionsphase, Implementierungsphase. Sowohl in der Exploration als auch in der Kreation geht Service Design unkonventionelle Wege und beschränkt sich nicht auf herkömmliche Marktforschungs- und Kreationsinstrumentarien. Oft genügt schon der Perspektivenwechsel, der die Sicht des Kunden in den Mittelpunkt stellt, um erstaunlich einfache Lösungen für zuvor schwierige Situationen hervorzubringen.
Sie haben eine spezielle Ausbildung gemacht, sind also Service Designerin.
Gemeinsam mit meiner Partnerin Linda Kaszubski bieten wir Service Design im Rahmen unsere Tätigkeit als Unternehmensberaterinnen und Trainerinnen an. Service-Design-Prozesse gehen oft Hand in Hand mit Organisations- und Personalentwicklungsprozessen, damit können wir unseren Kunden sehr umfassende Pakete anbieten. Es geht uns nicht darum, seitenlange Konzepte für die Schreibtischladen des Managements zu produzieren. Vielmehr wollen wir umsetzbare, lebendige, innovative Lösungen für das Unternehmen bieten, die von den Mitarbeitern angenommen, getragen und im besten Fall selbst kreiert werden.
Und nun bilden Sie selbst auch Service Designer aus. Warum?
Wir bieten ein Mal im Jahr einen Lehrgang in Kooperation mit Professor Birgit Mager an, sie ist Professorin für das Lehrgebiet ,Service Design' an der Köln International School of Design (KISD). Unser Ziel ist es, dass die Teilnehmer nach dem Lehrgang in Ihrem Unternehmen oder für andere Unternehmen Service-Design-Prozesse aufsetzen und begleiten können. Es wird großen Wert darauf gelegt, dass Theorie und Praxis im gleichen Maße zu Wort kommen. Teilnehmer an den Lehrgängen sind Mitarbeiter aus großen und kleineren Unternehmen, öffentlichen Körperschaften, aus dem Gesundheitswesen, dem Tourismus, aber auch Kolleginnen und Kollegen aus der Beraterbranche.
Wie gut ist Österreich im Bereich Service aufgestellt?
Wir haben vor allem im Ausland einen guten Ruf betreffend der Ausbildung von Mitarbeitern in Dienstleistungsbranchen, speziell im Tourismus. Doch hält dieser Ruf auch stand, wenn man sich die Servicequalität der österreichischen Betriebe ansieht? Ich denke, der Konsument hat sich geändert, die Ansprüche, aber auch die Standards steigen stetig. Österreichische Unternehmen könnten eine Menge lernen, ein Blick über den Tellerrand könnte nicht schaden. Wenn sich erst herumspricht, dass der Kunde der beste Imageträger und wichtigste Multiplikator für Marke und Markenwert ist, steigt umgehend die Servicequalität. Selbst in traditionell produktorientierten Unternehmen steht Dienstleistungsqualität immer mehr im Mittelpunkt des Kundeninteresses, es braucht hier ein wenig Innovationsenergie und Mut, um die gewohnten Wege zu verlassen.