Thema/Best of Kabarett

Karl Valentin: Ein Komikergenie

So sah Karl Valentin sich selber: "Meine Eigenheiten sind eigen. Mein Körpergewicht ist unwichtig, meine Größe länglich, mein Gang beweglich, mein Charakter charakteristisch, meine Haltung lächerlich und mein Hemd farbig. Ich lebe von Unsinnfabrikationen, wie die meisten meiner Mitmenschen."

Für die einen ist er ein Komödienschreiber und genialer Schauspieler, ein Avantgardist, Hofnarr des Volkes oder schlicht: ein Meister des gehobenen Blödsinns. Andere nennen ihn einen eigenwilligen Egozentriker, Misanthropen und Hypochonder, einen Kleinbürger von mäßiger Bildung. Doch alle sind sich einig: Valentin ist einer der größten Komiker des 20. Jahrhunderts.

Stummfilmpionier

Alle Inhalte anzeigen

Seine Stärke war das gesprochene Wort, die philosophische Miniatur, wie "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" oder "Zuerst wartete ich langsam, dann immer schneller". Das kam bei einfachen Leuten und Intellektuellen wie Bert Brecht, Alfred Kerr und Kurt Tucholsky gleich gut an.

Für ihn hatte "jedes Ding drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische". Aber Valentin war auch Stummfilmpionier. In "Der neue Schreibtisch" (um 1914) kürzt er als Sekretär Dürr bei einem Schreibpult die Beine mit einer Säge so lange, bis er sogar ein Loch in den Boden sägen muss, um seine Beine noch unter das Pult zu bekommen. Als er sich endlich hinsetzen kann, bricht er durch den Boden in den darunter liegenden Friseursalon.

"Mysterien eines Frisiersalons" (1922) gilt als früher deutscher Avantgardefilm. Nach Drehbucheinfällen von Brecht, unter der Regie des später berühmten Theaterregisseurs Erich Engel, tritt Valentin als Verunstalter von Frisuren auf, der einem Kunden aus Versehen das Kopfhaar absäbelt. Da wird elektrisiert, gefoltert und an Liesl Karlstadts Gesicht herumgemeißelt. In puncto Gags und Widersinn läuft Valentin auch in Filmen wie "Die karierte Weste" (1936) zur Hochform auf: In "Beim Nervenarzt" (1936) misst er mit aufreizender Langsamkeit und Sorgfalt eine Brezel ab.

Multimediakünstler

Valentin klagte immer wieder, dass er keine abendfüllenden Filme nach seinem Gusto drehen konnte - nur Kurzfilme, wie er überhaupt ein Meister der kleinen Form war, des Couplets, des Sketches, des Einakters. Er bewegte sich erstaunlich virtuos im neuen Medium Film. Deutlich wird hier seine lange Bühnenerfahrung, die Routine nach zahllosen Auftritten. Er war der Prototyp eines multimedialen Künstlers, der die einzelnen Medien mit Mut und Talent miteinander verbinden konnte.