Warum immer mehr Diamanten aus dem Labor kommen
Von Maria Zelenko
Auf den ersten Blick ist kein Unterschied zu erkennen. Sie funkeln ebenso schön, sind perfekt geschliffen – und dennoch anders. Was das Atelier Swarovski in seiner aktuellen Echtschmuck-Kollektion verwendet, sind keine Diamanten, die über Tausende Jahre hinweg mehrere Hundert Meter tief unter der Erde bei hoher Hitze und immensem Druck entstanden sind. Das österreichische Schmuckunternehmen ist eines der ersten, die in großem Stil mit Diamanten aus dem Labor arbeiten. Warum? "Durch die Verwendung von nachhaltigen Materialien, wie im Labor hergestellten Diamanten sowie Edelsteinen aus rückverfolgbarem Abbau und Fairtrade Gold, zeigen wir unser starkes Engagement für bewussten Luxus", sagt Nadja Swarovski im Gespräch mit dem KURIER. Die Urenkelin des Unternehmensgründers springt damit auf den Nachhaltigkeits-Trend auf. Denn nicht nur bei Lebensmitteln und Mode stellt der Kunde immer häufiger die Frage: Woher kommt das Produkt?
Herkunft ungewiss
Bei Diamanten aus der Natur ist diese nach wie vor nicht einfach zu beantworten. "Es ist nicht möglich, die Herkunft eines natürlichen Diamanten zu bestimmen", sagt Stefan Nikl, Präsident des Diamant Club Wien. Aufgrund von Qualität und Farbe könne man in manchen Fällen zwar Rückschlüsse auf den Herkunftsort ziehen, eine explizite Bestimmung sei jedoch nicht möglich.
Dennoch müssen sich Kunden keine Sorgen machen, dass sie einen sogenannten Blutdiamanten, mit dessen Erlös gewalttätige Konflikte finanziert werden, mit nach Hause nehmen. 2003 wurde der Kimberley-Prozess verabschiedet, der durch staatliche Herkunftszertifikate den Handel mit konfliktbeladenen Steinen fast zur Gänze unterbindet.
Heute sind laut Nikl die Arbeits- und Lebensbedingungen der Diamantschürfer das größere Problem. Hinzu kommt, dass Schätzungen zufolge der natürliche Diamantbestand zwischen 2030 und 2040 erschöpft sein wird. Bei Diamanten aus dem Labor muss man sich keine Gedanken um die Auswirkungen auf Minenarbeiter und Umwelt machen.
Für die Herstellung eines synthetischen Edelsteins kommen zwei gängige Verfahren zur Anwendung, bei denen immer ein kleiner Diamantkern als Ausgangsbasis dient. Beim HPHT-Verfahren (High Pressure – High Temperature) werden natürliche Bedingungen des Diamantwachstums, wie hoher Druck und hohe Temperaturen, in großen Pressen nachgestellt. Bei der CVD-Methode (Chemical Vapour Deposition) wächst der Edelstein bei niedrigen Temperaturen auf einer Keimplatte. Der notwendige Kohlenstoff kommt von Gasen wie Methan. Nach mehreren Wochen ist der Stein fertig. In den USA greifen vor allem junge Kunden immer öfter zu Synthesen. Neben der gesicherten Herkunft dürfte auch der deutlich niedrigere Preis der Labor-Diamanten ausschlaggebend sein: Sie sind zwischen 30 und 50 Prozent günstiger als jene aus Minen.
Für Stefan Nikl hat die wachsende Popularität von Synthesen einen sozialen Nachteil: "Wenn den Millionen Menschen, die Diamanten schürfen, die Steine nicht mehr abgekauft werden, verlieren diese auf unbestimmte Zeit ihre Lebensgrundlage." Dennoch sei aus seiner Sicht nichts gegen synthetische Diamanten einzuwenden. "Wichtig ist die klare Offenlegung. Es sollen keine Verwechslungen auftreten können." Swarovski kennzeichnet seine Steine mit einer winzigen Gravur, die nur unter dem Mikroskop sichtbar ist. In ihren Zertifikaten und auf Rechnungen müssen Labor-Diamanten als solche ausgewiesen sein.
Keine Wertanlage
Dass Synthesen in Zukunft den Diamantschmuck-Markt dominieren werden, glaubt der Wiener Juwelier Felix Köck-Marek nicht. "Beim Diamantenkauf wird auch immer eine gewisse Wertbeständigkeit mitgeliefert, was beim Labor-Stein nicht der Fall ist." Als Wertanlage sei eine Synthese für ihn deshalb unbrauchbar. Hinzu komme der emotionale Aspekt: "Damit ein Diamant entstehen kann, müssen viele Faktoren in der Natur perfekt zusammenspielen. Wenn etwas, das normalerweise Tausende Jahre zur Entstehung braucht, innerhalb von kürzester Zeit nachgemacht wird, geht für mich als Juwelier die Faszination verloren."
Nikl ist sich sicher, dass der Sekundärmarkt, also das Recycling bestehender Steine aus der Natur, in Zukunft von größerer Bedeutung sein wird. "Aber wenn es zu einer natürlichen Verknappung der Steine aus der Natur kommt, könnten auch Synthesen in manchen Schmuckbereichen eine größere Rolle spielen." Im Luxus-Segment sieht er Labor-Diamanten jedoch auch langfristig als Nischenprodukt.