Und es ist alles nur geklaut
Von Jasmin Schakfeh
Seit Jahren reißt die Klagewelle in der Modebranche nicht ab. Internationale Luxus-Labels wie Louis Vuitton oder Gucci haben der Produktpiraterie den Kampf angesagt und wehren sich gegen billige Imitate. Doch jetzt findet eine Trendwende statt: Etablierte Markenhäuser werden von Kleinbetrieben verklagt. Dabei geht es um Muster- und Designschutz.
Der Rechtsstreit zwischen dem Couturehaus Chanel und dem kleinem Strickwaren-Zulieferer World Tricot sorgte für Aufsehen. Chanel soll eine Damenweste mit gehäkeltem Blumenmuster eins zu eins kopiert haben. Ein Pariser Gericht erkannte die "exakte Kopie" des Strickmusters und verurteilte das französische Traditionshaus wegen des Tatbestandes der Nachahmung zu einer Geldstrafe.
Reine Formsache
Ähnlich ergeht es dem Unternehmen Calvin Klein.Die kanadische Fitnessmarke Lululemon, ein Textilhändler mit Fokus auf Yoga-Bekleidung, brachte die "Astro-Pant" mit doppeltem Bund und spezieller Naht auf den Markt. Kurze Zeit später hatte Calvin Klein ein identes Modell im Sortiment und wurde verklagt. Calvin Klein hat die Yogahose zwar aus dem Sortiment genommen, fraglich ist, ob die Firma etwas zu befürchten hat. Es ist nicht geklärt, ob Lululemon konkret ein Patent auf den Hosenbund oder die Naht hat. Und hier liegt das Problem. Man kann Markennamen und innovative Muster schützen lassen, aber ein Designpatent (soll den Designer vor exakten Kopien schützen) befindet sich fast immer in einer Grauzone. Die Form einer Hose oder eine Naht urheberrechtlich zu schützen, ist schwierig.
Erfolgswelle
Schuhdesigner Christian Louboutins Markenzeichen ist die rote Sohle. Als Yves Saint Laurent die "Tribtoo-Pumps" (mit roter Sohle) auf den Markt brachte, klagte er und bekam in zweiter Instanz recht, da seine berühmte rote Sohle vom amerikanischen Patent- und Markenrecht geschützt ist. Besagte Sohle findet übrigens auch bei Männern Anklang. Demnächst eröffnet Louboutin seine erste Herren-Boutique in New York.
Interview: Kopieren versus. Kommerzialisieren
Vor etwa einer Woche hat Senator Charles Schumer in Washington einen neuen Gesetzesentwurf eingebracht. Zum Schutz der Modeindustrie, da sie einen wesentlichen Wirtschaftsbeitrag leistet. Künftig soll jede Kopie eines Designs geahndet, geistiges Eigentum geschützt werden. Doch ist das nicht ein Fass ohne Boden? Rechtsanwalt Thomas Höhne, Experte für Markenrecht, im Interview.
KURIER:
Zurzeit werden große Modehäuser wie Chanel und Calvin Klein von kleinen Betrieben verklagt. Was ist davon zu halten?
Thomas Höhne:
In der Modebranche hat es solche Klagen immer schon gegeben. Die Wogen gehen jetzt hoch, weil die aktuellen Fälle umgekehrt sind. Es erregt Aufsehen, wenn ein namhaftes Couturehaus wie Chanel von einem Kleinbetrieb verklagt wird. Ein Design ist geistiges Eigentum, aber hier liegt die Schwierigkeit und zieht sich durch alle kreativen Berufe, wie etwa der Musikbranche.
Was ist konkret geschützt, wenn man von "geistigem Eigentum" spricht?
Es beinhaltet das Urheber-, Patent-, das Muster- und das Markenrecht. Die Unterscheidung ist wichtig: ein Stil, eine Idee, eine Manier, eine bestimmte Art und Weise ist nie geschützt. Geschützt werden kann nur eine konkret manifestierte Sache. Das ist die Problematik. Es hat immer einen Ersten gegeben – einer erfand den Minirock erstmals, einer hat das Safarimuster etabliert. Nur darauf kann es kein Monopol geben. Jeder kann den Minirock in die Kollektion integrieren. Das ist vom Urheberrecht nicht gedeckt.
Fast-Fashion-Unternehmen wie Mango, H&M, Zara & Co. leben davon, internationale Laufstegtrends zu kopieren ...
Natürlich schauen die auf aktuelle Trends und lassen sich inspirieren. Eine Rocklänge oder bestimmte Schulterdesigns sind nicht geschützt. Es stellt sich die Frage: "Wo beginnt das Abkupfern"?
Flaminia Guarnieri-Vives, Designkoordinatorin von Mango, versteht die aktuelle Aufregung nicht. In einem Interview mit dem Magazin Stern sagte sie: "Wir kopieren nicht, wir kommerzialisieren internationale Trends".
So hat Mode immer funktioniert. Internationale Designer fungieren als Trendsetter und die Massenhäuser kopieren es. Das ist keine Konkurrenz. Die Gucci-Kundin am Graben geht nicht zu H&M. Sie weiß, sie trägt das Original.
Der US-Schuhdesigner Christian Louboutin hat seine rote Sohle als Marke patentiert und erfolgreich gegen Yves Saint Laurent geklagt.
Zu Recht. Musterschutz und Markenschutz haben ihre Berechtigung. Dietrich Mateschitz hat sich auch die speziellen Farben seiner Red Bull-Dose patentieren lassen. Das ist ein wesentlicher Wiedererkennungswert.