Tschüss Protz-Mode: Wie sich Russinnen heutzutage kleiden
Von Maria Zelenko
Rosie Huntington-Whiteley hat einen erlesenen Modegeschmack. Postet das Topmodel auf seinem Instagram-Account Schnappschüsse von Outfits, handelt es sich meist um Kreationen namhafter Labels wie Chloé oder Bottega Veneta. Umso überraschender ihr aktuellster Look: ein schlichtes Trägerkleid in gebrochenem Weiß – nicht von einem alteingesessenen Modehaus, sondern einer jungen Marke aus Moskau. Kostenpunkt: 150 Euro.
Minimalistische Mode aus Russland? Klingt zuerst einmal paradox. Die Klischees sind in den Köpfen vieler fest verankert. Fallen die Begriffe "Mode" und "Russland" in einem Satz, denken die meisten noch immer an Pelz, Glitzer, tiefe Ausschnitte und schwindelerregende Absatzhöhen. Auffällig ja, geschmackvoll eher weniger.
Blick in den Westen
"Es ist dem Kapitalismus der Neunzigerjahre geschuldet, dass eine bestimmte Gruppe an Menschen ihren sozialen Status mithilfe solcher Outfits unbedingt zeigen wollte", sagt Lena Kvadrat, gebürtige Russin und Gründerin des in Wien ansässigen Modelabels art point, im Gespräch mit dem KURIER. Doch in den vergangenen Jahren hat sich im Osten in Sachen Stilgespür viel getan. "Für junge Frauen ist Protz nicht mehr Priorität."
Grund dafür sei laut Kvadrat zum einen die wirtschaftlich schwierigere Lage. Zum anderen hätten die sozialen Medien einen großen Einfluss auf den Modegeschmack in ihrem Heimatland. "In Moskau verfolgt man die Trends im Westen ganz genau", weiß die 52-Jährige.
Selbiges beobachtet auch Irina Maximova, Designerin beim Label Bazilika, das Rosie Huntington-Whiteley für sich entdeckt hat: "Der Stil der Russinnen ist jetzt minimalistischer. Instagram hat bei dieser Entwicklung eine große Rolle gespielt."
International erfolgreich
Firmen wie Bazilika passen perfekt in diese neue Ästhetik. Reduzierte Schnitte und gedeckte Farben zu leistbaren Preisen sind das Erfolgskonzept des Moskauer Labels. Die beiden im zweieinhalb Flugstunden von Moskau entfernten Jekaterinburg gegründeten Marken Ushatava und Namelazz verfolgen ein ähnliches Prinzip.
Alle drei bewerben ihre Entwürfe vor allem dort, wo der Trend herrührt: auf Instagram. Und machen ihre Mode damit auch über die Grenzen hinweg zugänglich. "Aus Deutschland, der Schweiz und Tschechien kommen besonders viele Bestellungen", sagt Maximova. Dank Rosie Huntington-Whiteley dürfte das Geschäft in den USA, wo das Topmodel lebt, bald auch florieren. "Dabei haben wir sie nicht einmal angeschrieben – sie hat einfach uns kontaktiert, um sich ein paar Sachen zu bestellen", verrät die Bazilika-Designerin. Das sei der große Vorteil von Instagram.
Oder anders gesprochen: Man hat aus der Not eine Tugend gemacht: Weil in Moskau und St. Petersburg die Mieten für junge Designer unerschwinglich sind, konzentrieren sie sich auf den Online-Vertrieb. Mit Erfolg, wie Bazilikas neuer Promi-Fan zeigt. "Die Kundinnen finden uns von alleine", erzählt Irina Maximova.
Dennoch sei sie sich bewusst, dass das Image der aufgetakelten Russin im Westen noch immer sehr präsent ist. "Wir hoffen, dass wir mit unseren Entwürfen dazu beitragen, dass unser Land nicht mehr nur mit kitschigen Outfits assoziiert wird."