Sneaker-Trend: Hässlich ist das neue Weiß
Von Julia Pfligl
Wer an einem der ersten Frühlingstage durch die Stadt spaziert und den Blick längere Zeit gen Boden senkt, wird es merken: Sneaker, vorzugsweise in Weiß, sind aus den Schuhregalen der Österreicher nicht wegzudenken. Drei Paar straßentaugliche Sportschuhe, ergab eine repräsentative Umfrage von Marketagent, hat jeder Österreicher im Schnitt zu Hause, und sie kommen nicht mehr nur in der Freizeit zum Einsatz: Jeder Zweite trägt sie im Büro, jeder Dritte im Club oder in der Bar.
Klobig ist cool
Der Siegeszug weißer Sneakers – deren Name sich aufgrund ihrer leisen Sohlen übrigens vom englischen Wort für „schleichen“ ableitet – begann vor etwa drei Jahren, als Adidas seinen Tennisschuhklassiker aus den Siebzigerjahren neu auflegte. Der "Stan Smith" geriet zum Megaerfolg unter modebewussten Millennials und inspirierte in Folge andere Sportmarken wie Reebok zum weißen Retrodesign.
Jetzt wird der Trend langsam von einem neuen abgelöst. Und der scheint auf den ersten Blick um einiges weniger kleidsam: "Ugly Sneakers" (hässliche Sneakers) sind der neueste Schrei im Sportschuhuniversum, und wie der Name bereits verheißt, sind sie auf der Ästhetikskala eher im unteren Bereich angesiedelt – klobige Sohlen, wilder Farbmix, ausladende Silhouetten. Weil derartiges Schuhwerk bislang bevorzugt von amerikanischen Familienvätern mit unterdurchschnittlichem Stilbewusstsein ausgeführt wurde, werden die neuen In-Treter auch "Dad Shoes" genannt. "Der Sneaker-Trend ist schon relativ lange im Mainstream angekommen. Mit Ugly Sneakers hebt man sich ab", erklärt Florian Kampelmühler, Einkäufer und Abteilungsleiter der Sneaker Gallery im Kaufhaus Steffl, den eigenwilligen Trend. Das Luxuslabel Balenciaga war eines der ersten, das Mut zur Hässlichkeit zeigte. Vergangene Saison präsentierte das Modehaus sein Sneakermodell „Triple S“ und sorgte damit für Kontroversen in der Branche. Auch Sportartikelhersteller wie Ni ke oder New Balance brachten konservative Papa-Sneakers auf den Markt.
Schuh und #metoo
Generell sei Streetwear im Mainstream angekommen, sagt Kampelmühler. "Ein Beispiel dafür ist Virgil Abloh, der ein hippes Streetwear-Label etabliert hat und jetzt als neuer Kreativdirektor zu Louis Vuitton wechselt – einer der konservativsten und teuersten Marken der Welt. Das ist schon sehr bezeichnend.“
Die Entscheidung zwischen Schick und Komfortabel sei passé, meint der Schuhexperte. Der Trend zum flachen Schuh wird nicht nur von namhaften Designern, sondern auch vom gesellschaftlichen Wandel beeinflusst: In Zeiten von #metoo, im Kampf gegen Geschlechterdiskriminierung und Stereotypen wollen sich Frauen nicht mehr in orthopädisch fragwürdiges Schuhwerk zwängen (lassen), schrieb die New York Times. Geraten hohe Hacken also "ins Stolpern", wie die Autorin des Artikels konstatierte? Kampelmühler: "Bis Mitte der Nullerjahre waren High Heels, nicht zuletzt durch Serien wie 'Sex and the City', das Nonplusultra. Diese Phase ist vorbei, aber ihre Ästhetik wird nie ganz aus der Mode kommen. Ich glaube an eine friedliche Koexistenz."