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Sebastian Kurz über das Reden

freizeit: Sie sind seit 21. April 2011 Staatssekretär für Integration. Haben Sie sich daran gewöhnt, mit Herr Staatssekretär angesprochen zu werden?

Sebastian Kurz: Am liebsten ist es mir immer noch, wenn ich mit meinem Vornamen angesprochen werde. Und das tun auch die meisten.

Sie waren damals 25, viele haben Ihnen den Job nicht zugetraut. Was ist Ihnen aus dieser schwierigen Zeit besonders stark in Erinnerung geblieben?

Als ich einige Wochen im Amt war, gab es immer wieder Anfragen, ob es schon Meinungsumfragen über die neuen Regierungsmitglieder gebe. Mein Büro hat das immer verneint. Kurz darauf habe ich aber in einer Zeitung eine Meinungsumfrage gesehen. Danach wusste ich, warum mir niemand davon erzählt hatte.

Ich nehme an, die Werte waren nicht allzu gut.

Es gab einige Minister mit einem kleinen Balken im Plus, manche standen auf der Nulllinie, dann kamen die mit einem Minusbalken. Minister Darabos, der damals noch im Amt war, hatte einen langen Balken nach unten, rechts davon war ich mit einem noch längeren Balken, der einen Pfeil dazwischen hatte. Zuerst wusste ich nicht, was das zu bedeuten hatte. Dann wurde mir klar, dass es eine Unterbrechung des Balkens war. Die Seite der Zeitung war nicht lange genug, um den Negativausschlag zu zeigen.

Was hat Ihnen damals geholfen?

Ein guter Freund hat mich in der Zeit der medialen Vernichtung angerufen und hat gesagt: „Schau nicht zu viel auf die Berichterstattung. Wichtig ist, dass du machst, was du für richtig erachtest.“ Als ich dann in den Rankings erstmals gut abgeschnitten habe, rief er wieder an und meinte: „Was ich dir damals gesagt habe, gilt nach wie vor.“ Das hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht.

Mittlerweile sind Sie zur Nachwuchshoffnung der ÖVP aufgestiegen. Setzt Sie das nicht unter Druck?

Ich halte nicht viel von solchen Begrifflichkeiten. Ich verstehe, dass die Medien das schreiben müssen, aber das ist ein bisschen ein gekünstelter Drang. Wenn jemand, was falsch macht, gilt er gleich als Versager und rücktrittsreif. Sobald jemand halbwegs was zusammenbringt, ist er gleich ein Star und großartig. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Ich habe mich am Anfang nicht als Idiot gesehen, fühle mich jetzt aber auch nicht als großartig. Ich bin Integrationsstaatssekretär und versuche, diese Rolle gut zu machen.

In den vergangenen Monaten wurden Sie vorwiegend gelobt. Nur einmal gab es eine Negativmeldung über falsche Facebookfreunde, die gefakte Postings auf Ihrem Profil hinterließen. Wie kam es dazu?

Ich habe die Anschuldigungen des „Standard“ relativ komisch gefunden. Die junge ÖVP hat für eine interne Veranstaltung ein Werbevideo produziert, bei dem viel Fiktives dabei war. So ist Werbung. Sie entspricht oft nicht der Realität.

Ist es nicht eine Täuschung, wenn man mit Fürsprechern wirbt, die es nicht gibt?

Diese Facebookfreunde gibt es ja nicht auf meinem Profil. Es war ein Video. Wenn Sie sich die Straßenumfragen von Werner Faymann anschauen, in der die Leute sagen, dass die SPÖ Arbeitsplätze schafft und die Partei der Arbeit ist, handelt es sich auch um Werbung. Ich denke nicht, dass das eine repräsentative Straßenumfrage war. Ich glaube auch nicht, dass man groß und stark wird, wenn man Spinat isst wie Popeye, oder dass Fewa das beste Waschmittel ist, nur weil es die Werbung so sagt.

Sie haben immer eine gute Antwort parat und werden als guter Rhetoriker gelobt. Von wem haben Sie das gelernt?

Von niemandem. Ich habe Reden nie als Selbstzweck empfunden und habe einfach früh begonnen, mich in einer politischen Jugendorganisation zu engagieren. Mein Ziel war es, mich vom Zeitungsleser-Politikkonsumenten zu jemandem zu entwickeln, der mitreden und vielleicht mitgestalten kann. Ich war auf vielen Veranstaltungen und habe viele Diskussionen miterlebt. So hat sich das ergeben.

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Unser Fotograf hat Sie vorhin auch gefragt, ob Sie eine Medienschulung hatten. Sie haben perfekt posiert.

Das finde ich so lustig. Jeder fragt sich, von wem Politiker gecoacht und beraten werden. Ich bin mir nicht sicher, wie das bei anderen ist. Ich kann nur sagen, dass mich nur mein Büro-Team berät. Außerdem gibt es noch einen unabhängigen Expertenrat, der mir inhaltlich in Integrationsfragen zur Seite steht. Aber das Feedback, ob ein Interview gut war oder nicht, kriege ich von meiner Büromannschaft.

Das Mediencoaching ist für einen Politikeinsteiger nicht im Paket inbegriffen?

Wenn das so wäre, gebe es ja nur grandiose Redner unter den Politikern. Und ganz so ist es ja nicht. Beim Politikernachwuchs werden keine großen Redner gecastet. Das sind Menschen, die sich in irgendeiner Form sozial engagieren, sei es in einer Partei, einer Freiwilligenorganisation oder der Gewerkschaft. Ich glaube auch, dass es nicht sonderlich entscheidend ist, ob jemand ein guter Redner ist oder nicht. Entscheidend ist, ob jemand ein inhaltliches Anliegen hat.

Hat sich Ihr rhetorisches Talent schon in der Kindheit bemerkbar gemacht?

Ich weiß ja gar nicht, ob ich da überhaupt eine spezielle Begabung habe. In der Schule habe ich mir Gott sei Dank immer leicht getan und ich habe mich schon früh für Politik interessiert. Aber es war nicht so wie bei Alfred Gusenbauer, dass ich schon in der Sandkiste den Wunsch gehabt hätte, Bundeskanzler zu werden.

Als Teenager war es dann aber auch bei Ihnen so weit und Sie wurden politisch aktiv. Wie war das damals?

Ich habe mit 16 den Obmann der jungen ÖVP in meinem Heimatbezirk angerufen. Der war sehr überrascht, dass sich da überhaupt jemand meldet. Man muss dazu sagen, dass Meidling eher ein Arbeiterbezirk ist, in dem die ÖVP sehr schwach ist und keine große Struktur hat. Der Obmann meinte, eine Mitarbeit sei wegen der seltenen Treffen sehr schwierig. Außerdem sei die Gruppe klein und alle seien älter als ich. Ich solle mich in einigen Jahren wieder melden. Damals dachte ich mir: „Das ist ein komischer Verein. Die Politik ist doch nichts für mich“, und habe mich wieder auf die Schule, lustige Abende und Tennisspielen fokussiert.

Wie ging es dann weiter?

Ich habe mir ein halbes Jahr später einen anderen Bezirk angeschaut und bin dann dort hängen geblieben. Seit damals kämpfe ich für die Öffnung des politischen Systems, weil es für mich nicht ganz leicht war, Fuß zu fassen. Man erbt das Parteibuch heute nicht mehr von den Eltern. Die Möglichkeiten mitzumachen, müssen vielfältig sein. Ich bin mir sicher, dass sich dann auch wieder mehr Menschen für Politik interessieren.

Am 29. September sind Nationalratswahlen. In einem Interview mit der „ZEIT“ haben Sie gesagt, dass sie nicht wüssten, was Sie im Herbst machen würden. Stehen Sie zu der Aussage?

Ja sicher. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe viel Respekt vor dem Wähler. Er soll entscheiden, dann wird man sehen, welche Koalition es in Österreich gibt. Es ist sehr erfüllend im politischen Bereich zu arbeiten. Mir würde es aber auch Freude machen, etwas Privatwirtschaftliches zu machen oder nach Amerika zu gehen.

Steht das Bild des Flatiron Buildings in New York , das hinter Ihnen an der Wand hängt, für diesen Wunsch?

Die Wände waren sehr weiß, als wir ins Büro gekommen sind. Dann mussten wir uns schnell für das ein oder andere Bild entscheiden. Bei Ikea waren damals New York und London im Angebot. Deshalb hängen die Bilder hier.

Viele Politiker haben in ihren Büros Werke bekannter Künstler hängen. Warten Sie da noch ein bisschen?

Wir sind eine junge Truppe. Da passt Ikea ganz gut. Mir ist das aber generell nicht so wichtig. Ich brauche einen großen Tisch, an dem ich mit vielen Leuten zusammen sitzen und unsere Themen diskutieren kann. Der ist da. Somit bin ich wunschlos glücklich.

Weil Sie gerade vom Diskutieren sprechen: Stört es Sie, dass in der Öffentlichkeit nicht nur Ihre politische Arbeit, sondern auch Ihr Aussehen wie zum Beispiel Ihre Frisur besprochen wird?

Ich nehme es zur Kenntnis. Ob jemand meine Haare kommentiert, kann ich nicht beeinflussen. Freude habe ich keine damit. Der Job eines Politikers ist auch nicht die „High Society“. Er soll einfach seinen Job machen und das möglichst gut. Wenn mich jemand inhaltlich gut findet, soll er mich unterstützen und sonst nicht. Das ist eigentlich der Grundgedanke der Demokratie.