„Der Arme, jetzt wurde er gerade erst König“
Von Anna-Maria Bauer
Egal ob Royalist oder Republikaner: Informiert war am Dienstag über den Gesundheitszustand des britischen Königs jeder. „Mein erster Gedanke: Das ist scheiße“, sagt die Britin Sarah Walker, die am späten Vormittag mit ihrer Tochter in einem Park südlich von London spielt. „Ich mache mir große Sorgen“, ergänzt die 76-jährige Maureen Burrell, die sich durch ihr ähnliches Alter dem König besonders verbunden fühlt.
Und auch die 36-jährige Vanessa Schneider, die an der Königsfamilie sonst eigentlich nichts Gutes finden kann, meint: „Also, was das für die Monarchie bedeutet, ist mir nicht so wichtig, aber leidtut er mir.“
Wie berichtet, hat König Charles am Montagabend seine Krebs-Diagnose öffentlich gemacht. Erst tags zuvor hatte er sich auf seinem Landsitz Sandringham erstmals seit seiner Prostata-Behandlung wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Bei dieser Behandlung war dann aber auch ein Tumor aufgefallen, für den Charles am Montag zurück nach London gebracht wurde, um dort in einer Klinik ambulant behandelt zu werden.
Gedenken vorm Palast
Um ihre Solidarität zu zeigen, pilgerten im Laufe des Dienstags immer mehr Menschen zum Buckingham Palace. Englische wie internationale Fernsehteams bauten ihre Sendestationen vor dem Palast auf. Genesungswünsche kamen aus der ganzen Welt; in Indien verpackten Schüler der Guruku Kunstschule das Institut in Plakatform: „Werden Sie schnell wieder gesund, Sir!“ Und: „Gott, bitte mach ihn schnell wieder gesund“, schrieben sie neben den Porträts des Königs.
Unter die Sorge um den Monarchen, mischt sich in England bei vielen Mitgefühl: „Ist das nicht unfair? Da hat er so lange auf die Thronfolge gewartet. Und dann erschüttert ihn nicht einmal ein Jahr nach seiner Krönung so ein Krankheitsfall.“ Maureen Burrell schüttelt den Kopf. „Er hat sich noch eine lange Regentschaft verdient.“
Nähere Details über die Krankheit wurden bis dato keine verlautbart. Einzig, dass es nicht um Prostatakrebs geht, hat der Palast bestätigt. Doch schon die Öffentlichmachung dieser Diagnose ist äußerst ungewöhnlich für die britische Königsfamilie, die ihre Privatsphäre ansonsten penibel schützt. „Bei seinem Großvater (König George VI. starb an Lungenkrebs, Anm.)“, gibt Maureen noch zu bedenken, „da wusste ja niemand Bescheid.“
Neben der Erklärung des Palasts, dass Charles mit dem Öffentlich machen das nationale Bewusstsein für Krebserkrankungen stärken möchte, glaubt Tim Richardson auch an eine generelle Strategieänderung: „Ich glaube, Charles möchte das Königshaus reformieren, modernisieren. Und da gehört es dazu, auch privaten Informationen zu teilen.“
Denn während sich laut aktueller YouGov-Umfrage 80 Prozent der über-65-jährigen Briten einen Fortbestand der englischen Monarchie wünschen, halten das nur mehr 37 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für eine gute Idee.
Sunak sieht er weiter
Aktuell liegt der Fokus im Palast aber auf der unmittelbaren Zukunft. Die Termine des Königs sind bis auf Weiteres verschoben. Doch ganz hat er seine Arbeit nicht eingestellt: Die rote Box mit tagesaktuellen Briefings und Dokumenten wird ihm weiter zugestellt. Und seine wöchentlichen Audienzen mit Premierminister Rishi Sunak sollen nach aktuellem Stand auch weiter stattfinden.
Die öffentlichen Engagements übernehmen einstweilen andere Familienmitglieder: Königin Camilla oder Prinzessin Anne. Und Prinz William, der sich nach der Bauch-Operation von Ehefrau Kate vor einem Monat zurückgezogen hatte, kehrt in die Öffentlichkeit zurück.
Unterdessen kam Prinz Harry am Dienstag nach England. Der jüngere Sohn, der weder dem Weihnachtsfest in Sandringham beiwohnte, noch von Charles, in dessen Weihnachtsrede erwähnt wurde, der nur wenige Stunden nach der Krönung zurück nach Amerika flog und für den Charles im Juni keine Zeit für ein Treffen hatte, stieg noch Dienstagfrüh ins Flugzeug.
Ob die Erkrankung des Vaters auch zu einer Versöhnung zwischen den Brüdern führt, wird sich zeigen. Noch ist kein Treffen vereinbart.