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Nina Proll: Ein Waldviertler Sturkopf

Das Leben, ein ganz schön stressiges Fest. Nina Proll packt den Moment. In der ORF-Wunderserie "Braunschlag" als Elfi, besessen vom Kinderwunsch. In ihrem ersten Drehbuch. Einem neuen Liedprogramm. Mit Gregor Bloéb und den zwei Söhnen. Stadt-Land-Spiel voller heftiger Leidenschaft.

Die Schafe sind pflegeleicht, sie kommen vom Nachbarbauern als Rasenmäher, manchmal schickt er auch Pferde zum Grasen. Doch Fuchs und Marder haben alle Hühner geholt. Jetzt machen sich Nina Proll und Gregor Bloéb daran, eine sichere Hühnervoliere zu bauen. Und der Garten fordert. Nina setzt Radieschen, Gregor bringt ihn zum Blühen: "Er mag ihn gepflegt, alles soll immer schön ausschauen", sagt Nina. Auch der Tisch. Schön gedeckt. Tupperware kommt nicht in Frage. Ein toller Mann! Der könnte mir gefährlich werden", dachte die (Jung-)Schauspielerin schon 1999 beim Kennenlernen. "Er hat so viel mitreißende Kraft und Energie, ist so lebensbejahend, so positiv, macht aus allem ein Fest. Wenn nix im Kühlschrank ist – er macht was draus."

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Chronologisch: 1999 war Proll 25 und hatte "Nordrand" abgedreht, den Film, für den sie den "Marcello-Mastroianni-Preis" bei den Filmfestspielen von Venedig bekam und bei der Berlinale 2000 zum "Shooting Star" gewählt wurde. Bloéb war gebunden, Vater, beriet sie als Freund in Herzensturbulenzen mit anderen Männern – bis sie gemeinsam Theater spielten. Die Erde bebte. Sieben Jahre später sagt sie im Septemberwind am Wiener Donaukanal: "Es war mir ernst. Den Wunsch mit jemandem zu leben und von ihm Kinder zu kriegen, hatte ich vorher nie. Ich wusste: Wenn ich es nicht mit ihm versuche, bereue ich es mein Leben lang." Sein oder Nichtsein quasi. 

Ernst-Lubitsch nannte seinen Jahrhundertfilm so, und das Schauspielerpaar spielt in der Theaterversion der Wiener Kammerspiele das Schauspielerpaar Maria und Josef Tura. Nina trägt da Seiden-Negligées und edel ondulierte Wellen.

Tiroler Idylle als Intro

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Am 11. September wurde das Stück wieder aufgenommen. Dafür wurde ein Tag geprobt. Deshalb sind ihre Buben, Leopold, vier, und Anatol, zwei, mit dem Au-Pair-Mädchen in Tirol geblieben. Vater und Mutter hatten’s kurz sturmfrei. Nina nennt das nobel "Balance zwischen Beruf, Kindern und Beziehung". Man muss sich Möglich­keiten schaffen. Konzentrierte Momente. Filmstar Proll tut’s in der Liebe. Legt es um auf die Arbeit vor der Kamera: "Sie sieht alles. Was du sagst, musst auch meinen. In dem Moment, in dem du es tust. Du hast das Drehbuch gelesen, kennst den Text. Die Szene musst erleben." Take für Take.

Zum Beispiel die Elfi aus Braunschlag im strengen Waldviertler Tiefgrün. Aktuell acht Folgen lang auf ORF eins. Eine Kronprinzessin auf braungelber Sitzgarnitur. Vom Blitzblankzwang und Kindergartentantenjob unterfordert, vom Ortstratsch eingezäunt, den Blondkopf mit Wie-geht-Frausein-richtig-Klischees aus bunten Blättern und TV durchtränkt. Als Tochter des Ortskaisers darf sich sexy Elfi schon ein paar Extravaganzen erlauben, zu sagen hat sie als Frau auf dem Land noch lange nix. Doch sie hat die Gene ihres schlitzohrig dominanten Vaters. Beschließt, entscheidet. Trotzig verliebt, esoterisch verstiegen, kinderwunschbesessen, konsequent, verlogen, beinhart. Die Kamera liebt Nina Proll. Ihre starken Züge, die großen hellblauen Augen, die sehnsüchtig oder tränenvoll ins Violett verdunkeln, Lügen glatt wie Kunststofflinsen hüten, geschäftsmäßig ergrauen, wütend blitzen. Die große Nase, die vollen Lippen. Ein Gesicht, in dem man ihre Entwicklung liest. Das immer interessanter wird. Guter Körper, klar. Auch ohne Hollywoodflitter und Beineschmeißen. 

Den Waldviertler Dialekt tünchen

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Sie hat’s bei "Dancing Stars" getan, sich aber Lichtjahre vom Karriereziel ihrer Anfänge in den Performing Art Studios, am Theater an der Wien entfernt. Singen und tanzen wollte sie, Musical machen, ermutigt, unterstützt, stolz beäugt von ihren Lehrerinnen, Ida Krottendorf und Lotte Ledl. Damals hat sie gelernt, "sich zu trauen, sich zu zeigen, aus sich herauszugehen, einen lauten Ton zu singen". Tralala, bis sich "Sonnenflecken" vor ihr Selbstbild schoben: Ein Kurzfilm, und ihre erste Arbeit mit Regisseurin Barbara Albert: "Plötzlich musste ich traurig in die Sterne schauen oder mich in der Disco übergeben. Es war faszinierend für mich, zu sehen, dass im Film auch meine Tränensäcke interessant sind und Dinge, die man sonst nicht in die Auslage stellt", sagte sie später im Filmmagazin skip.

Da war sie schon draufgekommen, dass es ihr "unglaublich leicht fiel, vor der Kamera zu stehen". Nach dem Hype um "Nordrand" entschied sie sich, dabei zu bleiben. Um markttauglich fürs deutsche Fernsehen zu sein, tünchte sie ihren Waldviertler Dialekt bei einem Sprachlehrer mit Hochdeutsch. Lernte beim Tun, Drehbücher genau zu lesen – sie bekommt viele – und Regisseure zu durchschauen. War als "Shooting Star" ja gleich international unterwegs, zwei Monate in China, um dort "Am anderen Ende der Brücke" zu drehen. Guter Plot, gutes Buch. Vorher. Doch am Set war alles anders: "Jeden Abend bekam ich Zettel mit neuen Texten für dieSzene des nächsten Tages unter der Hoteltür durchgeschoben – schlüssig waren sie allesamt nicht. Da habe ich zum ersten Mal gewagt, aufzubegehren. Auf den Text zu bestehen, der im Buch stand." Seither misstraut sie unausgefeilten Drehbüchern und dem milden Zusatz: Wird schon ... Wird aber nicht!"

Ein Papamädchen

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Ihren Vater hat’s belastet, was sie gemacht hat: "Mich so plastisch nackt zu sehen oder meinen Blowjob in Murnbergers Wolf-Haas-Verfilmung "Komm süßer Tod". Das war ihm sehr sehr unangenehm. Er hat sich Sorgen gemacht, dass ein falscher Eindruck von mir entstehen könnte. Aber in meine Berufsentscheidung hab ich mir nichts dreinreden lassen." Kon­sequent. Steinbock, sollte wer an Horoskope glauben.

"Bis zur Pubertät war ich das typische Papamädchen", strahlt der Sturkopf plötzlich auf. Begreiflich – aus einer schwierigen Kindheitsgeschichte. Mit ihrem älteren Bruder wuchs sie im Waldviertel auf, bei der Oma, die Eltern haben in Wien gearbeitet. Am Wochenende pendelten Papa und Mama heim. Bis nur noch der Papa kam. Der Konflikt mit der Mutter wog lange ziemlich schwer für sie – "im Spannungsfeld von Idealisierung, weil sie nicht da war, Enttäuschung, weil die Wirklichkeit dem Ideal nicht standhielt, und selbstquälerischer Ablehnung. Eine Familienaufstellung, als ich erwachsen war, konnte die Knoten lösen. Wir sehen einander – und ich liebe sie." Der Vater, ihr erster Herzensmann, ist gestorben, als sie mit Leopold schwanger war. Ja, sie war mit seiner Schwester und ihrem Bruder bei ihm. "Wenn ich an den Tod denke, hat mich sein Sterben aber nicht beruhigt. Er ist nicht friedlich eingeschlafen. Es war ein Kampf." Ob sie seinen Verlust je verkraften wird, weiß sie nicht. Oft kommen diese Momente, in denen er fehlt. 

Alle sechs Jahre kommt was besonders Tolles

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Gott näher gebracht, hat es sie nicht. Sie ist schon lange ausgetreten, obwohl sie katholisch (im Kloster) erzogen wurde. Kann wohl glauben, dass es eine größere Macht gibt, eine höhere Energie, Doch woher wir kommen, wohin wir gehen, weiß niemand. Am heftigsten stören sie die Projektionen der Erbsünde und des Jüngsten Gerichts. "Ich glaube nicht, dass wir schuldig sind und bestraft werden. Nein. Dazu ist das Leben zu ungerecht." In "Braunschlag" stirbt Elfis Vater, als sie schwanger ist. Proll geht nicht ein auf die Duplizität meint nur, dass es ein "Heimspiel" war. Dass sie mit den Kindern und dem Au-Pair "zu Hause" wohnte. Dass die Dialoge so toll waren.

"Die Szenen haben einen getragen, alles hat gestimmt, ob es nun komisch oder traurig wurde." Unbedingt habe sie dabei sein wollen. "Bei guten Drehbüchern lass ich nicht locker." Und bescheiden: "Alle sechs Jahre kommt etwas besonders Tolles bei mir. Etwas, wo alles von A bis Z stimmt." Sie versucht sich nun selbst im Schreiben. Mit der Dramaturgin und Produzentin Ursula Wolschlager hat sie vergangenes Jahr eine Filmkomödie zur Förderung eingereicht (und für die "Projektentwicklung" auch bekommen). "Ringelspiel", ein früher Entwurf aus ihrer Schreibtischlade., der das Theatermilieu und die Filmwelt aufs Korn nimmt. Ob je die erste Klappe fallen wird, hängt luftig an der Finanzierung. Aber sie ist nicht unausgelastet. Singt ja auch, als "Multitalent" beklatscht.

Zuletzt vergangenen Sommer ein neues Programm bei den Musikfestspielen Bad Schallerbach, Friedrich Holaenders "Lieder eines armen Mädchens", in den Berliner Zwanzigerjahren für seine erste Frau geschrieben: "Die Hungerkünstlerin" oder "Wenn ich mir was wünschen dürfte". 

Weltmeisterin im Verhandeln

Nina wünscht sich natürlich, das Programm auch in Wien zu singen. Obwohl sich die Weltmeisterin im Verhandeln mit dem noch vielbeschäftigteren Ehemann über die Logistik der innerfamiliären Abläufe – wer ist für was zuständig, wer bleibt wann bei den Kindern – damit womöglich wieder zu viel antut. Was bei ihr manchmal "bissl Hysterie" auslöst. "Statt dass ich sage, eins nach dem anderen, der Reihe nach." Das mag sie nicht an sich. Weil’s dann vorkommen kann, dass ihr das Temperament durchgeht. Mit Schreien, Türenknallen, sogar dem Gemahl eine zischen. Wenn sie sich "zu wenig respektiert, zu wenig berücksichtigt" fühlt." Er ist auch Steinbock.

Konflikte werden ausgetragen. Zur Entspannung macht Nina Yoga. Geht alleine auf den Berg, telefoniert auch nur mal. Ist glücklich, dem Tag "ein oder zwei Stunden für mich selbst" herauszukitzeln. Denn: Nur ländlicher Frieden, nur Mutter und Hausfrau zu sein, hielte sie nicht aus. Weiß, dass sie ein tolles Leben zwischen Stadt und Land, zwischen Familie und Arbeit hat. Großes Glück. Der Fenstertischler, der aus der Steiermark nach Wien zur Arbeit pendelt, sah sie bei der Frage, ob sich seine Frau nie übers lange Warten auf ihn beklage, so an, als käm sie vom Mond, und wies sie braunschlagmäßig zurecht: "Dös ist das Schicksal einer Frau."

 

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