Musiker Brian Wilson wird 80: „Son of a Beach“, aber wasserscheu
Von Dieter Chmelar
Als er 2000 in die „Hall of Fame“ des Rock ’n’ Roll aufgenommen wurde – gut 30 Jahre zu spät, wie Fans und Kritiker sagten –, da hielt Paul McCartney (seit Samstag 80) eine leidenschaftliche Laudatio: „Du hast mich mit deiner Musik zum Weinen gebracht – es steckt etwas Tiefgehendes darin, das mich im Innersten berührt. Man muss schon ein Genie sein, das mit wenigen Worten und Noten so hinzukriegen.“
Brian Wilson, der heute, Montag, nur zwei Tage nach seinem engen Buddy „Macca“, den 80er begeht, pflegte seine eigenen Welthits auf der Bühne gern wie folgt anzusagen: „God Only Knows (1966) – Paul McCartney hat gesagt, sein Lieblingssong.“
Auch Bruce Springsteen zollte in einer TV-Doku („Brian Wilson: Long Promised Road“) zärtliche Zuneigung: „Eine großartigere Welt als jene der ,Beach Boys’ wurde nie wieder erschaffen.“ Stets spüre man „Freude – sogar im Schmerz des Lebens“.
Von beidem hatte der in der längsten Nacht des Jahres im kalifornischen Inglewood geborene älteste Sohn von Murry & Audrey Wilson zeitlebens reichlich. Er wuchs mit seinen Brüdern Dennis & Carl in einem Vorort von Los Angeles auf. Sein Vater, ein gewalttätiger Tyrann, erkannte zwar früh das musikalische Talent Brians, aber es bleibt bis heute ungeklärt, ob er es nicht durch Schläge fast zerstörte. Ärzte fanden heraus, dass der Bub auf seinem rechten Ohr taub war.
In seiner Bio (2016) erklärt Wilson allerdings entgegen der Erinnerung seiner Geschwister und wohl als familiäre Schutzbehauptung, dass die 98-prozentige einseitige Gehörlosigkeit auf einen Unfall zurückgegangen war. Ein Nachbarbub habe ihn beim Spielen mit einem Eisenrohr am Kopf getroffen, was den 8. Hirnnerv durchtrennte.
Von klein auf, so Wilson, sei er „nie mehr als fünf Meter von einem Piano entfernt gewesen“. Und dennoch quälte ihn jahrzehntelang unerträgliches Lampenfieber. Die fünf Minuten vor einem Gig fühlte er meist als „lebendige Hölle“.
Dabei war er schon Dollar-Millionär, ehe er wählen durfte. Die Hits fielen ihm nur so aus dem kurzen Ärmel seines Hawaiihemds: Doch „Surfin’ USA“, „California Girls“ oder „Fun, Fun, Fun“ spiegelten das seelische Befinden so gar nicht wider. Er litt unter Schwindelanfällen und Cannabis-Abhängigkeit, was zur ersten Scheidung beitrug – hatte er doch seiner halbwüchsigen Tochter Joints aufgedrängt.
Wilson gestand ja: „Ab und zu höre ich Stimmen im Kopf. Zum Glück verstehe ich sie nicht so genau. Ich gelte als manisch depressiv.“ Und, wie eine Pointe: Der „Son of a Beach“, der die endlose Schönheit des Meeres huldigte, ist wasserscheu und laboriert an Agoraphobie, der Panik vor weiten Plätzen ...