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Manuel Rubey über Angst

freizeit: Herr Rubey, Sie haben vorgeschlagen, über Angst zu reden. Warum?

Manuel Rubey: Weil Angst in meinem Leben ein großes Thema ist. Ich tue mir schwer, ein Grundvertrauen zu entwickeln. Alfred Dorfer hat in einem seiner Programme einmal gefragt: Ist Optimismus eine Form von Informationsmangel? Das ist ein guter Ausspruch.

freizeit: Das klingt pessimistisch. Liegt das an der Krisenzeit?

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Rubey: Die Zeiten beruhigen mich fast, weil ich das Gefühl habe, dass wir jetzt tatsächlich alle in einem Boot sitzen. Als ich noch studiert habe, dachte ich, dass man sich aktiv entscheiden muss: Was G’scheites lernen und einen Job haben, oder nix G’scheites lernen, mit dem Risiko, dass man dann kein Geld verdient. Das hat sich mittlerweile aufgeweicht. Es gibt sehr viele arbeitslose Akademiker und auch scheinbar sichere Studien wie Jus sind heute kein Garant mehr für einen Job. Das hat es für uns Künstler einfacher gemacht und ist beinahe tröstlich.

freizeit: Um den Job müssen Sie sich derzeit keine Sorgen machen. Als Schauspieler waren Sie zuletzt mit Braunschlag erfolgreich, als Kabarettist mit „Triest“. Was macht Ihnen die größte Angst?

Rubey: Seit ich Kinder habe, drehen sich meine größten Ängste natürlich um sie. Mit persönlichen Ängsten lernt man umzugehen, aber die Vorstellung, dass einem meiner Kinder etwas passiert, wäre die ultimative Katastrophe. Da kommt man nie mehr raus.

freizeit: Das ist mehr als nachvollziehbar, aber eigentlich ganz normal.

Rubey: Es geht noch weiter. Ich bin Hypochonder. Wenn im Biologieunterricht die inneren Organe durchgenommen wurden, konnte ich mich richtig reinsteigern. Und das, obwohl meine Mutter Ärztin ist und mich da sehr behutsam erzogen hat. Jetzt klinge ich wie ein Jammerer, aber es ist ein Riesending in meinem Leben. Das hat sich weiterentwickelt in Angst vor Nadeln, Angst vor Herzschlag, und Blut kann ich auch nicht sehen. Alle paar Jahre bilde ich mir leider eine Krankheit ein.

freizeit: Lässt sich das therapieren?

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Rubey: Bis jetzt hat nichts gegriffen. In Wahrheit ist es eine Negativspirale, aus der ich erst rauskomme, wenn es fast nicht mehr geht. Ich habe auch das Gefühl, dass es ein bisschen stärker wird, weil die Vergänglichkeit näher rückt.

freizeit: Jetzt machen Sie aber einen Schmäh. Sie sind 33. Üben Sie für ein neues Kabarett-Programm?

Rubey: Ich würde mich da auch gerne nicht ernst nehmen, schaffe es aber nicht. Mir ist auch klar, dass das Luxusprobleme sind und ich arbeite an mir. Deshalb gewinne ich der Angst auch positive Seiten ab. Die Menschen suchen in Krisenzeiten Zerstreuung und sehen sich mit Begeisterung unser Kabarettprogramm an. Ein beruflicher Glücksfall, den ich so in meinem Leben noch nicht hatte. Ich weiß nicht, wo die vielen Menschen alle herkommen, aber ich freue mich über sie.

freizeit: Ich möchte sie ja nicht wieder auf negative Gedanken bringen. Aber haben Sie Angst vor Auftritten?

Rubey: Im Gegenteil. Da bin ich sehr gelassen. Ich bin ein bissl süchtig nach Adrenalin, weil man sich dann in einem guten Zustand befindet und im Moment ankommt. Ich habe vor dem Leben mehr Angst als vor dem Beruf. Es hat etwas mit Macht zu tun, wenn du auf der Bühne stehst und dir mehrere Hundert Menschen zwei Stunden freiwillig zuhören. Das genieße ich.

freizeit: Schriftsteller haben manchmal eine Schreibblockade. Und Kabarettisten?

Rubey: Die haben Angst, dass ihnen nichts mehr einfällt. Ein Programm zu schreiben, ist ein sehr einsamer Prozess. Ich möchte nicht das leere Blatt strapazieren, weil heutzutage jeder einen Laptop hat. Aber man sitzt da und wartet oft ewig, bis etwas Brauchbares kommt.

freizeit: Das klingt vermessen für jemanden, der gerade mit dem österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde.

Rubey: Seit eineinhalb Jahren verspüre ich punktuell so etwas wie Zufriedenheit und bin dankbar und demütig dafür. Dazu gehören ja auch Glück und die richtigen Konstellationen. Wahr ist aber, dass der Großteil des kreativen Schaffensprozesses mittelmäßig ist. Das muss man erkennen und Einfälle auch wieder fallen lassen. Ich behaupte, dass hinter Erfolg jede Menge Arbeit steckt. Ich glaube nicht, dass es Genies gibt, denen alles zufliegt.

freizeit: Wovor fürchten Sie sich noch?

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Rubey: Vor der Banalisierung. Es wird zu wenig in Bildung investiert. Dadurch muss man mehr in die Breite gehen und vereinfachen, um ein Publikum zu finden. Jüngere Leute halten auch die Aufmerksamkeitsspanne nicht länger als 20 Minuten. Ins Theater gehen sie auch nicht mehr, weil man dort das Handy ausschalten muss und nichts auf Facebook posten kann.

freizeit: Das klingt, als hätten Sie Sehnsucht nach der guten alten Zeit.

Rubey: Es gibt ein wunderbares Buch von Stefan Zweig, der eigentlich sehr maniriert schreibt. Es heißt „Die Welt von gestern“ und handelt von Wien in der Umbruchszeit. Da dealen 14-jährige pubertierende Jugendliche unter der Schulbank mit Texten von Rilke. Und wenn im Burgtheater eine Premiere auf dem Programm steht, sind die Schulklassen leer und die Stehplätze voll. Das klingt melancholisch und beschönigend, aber das muss damals ein Wahnsinn gewesen sein.

freizeit: In welche Zeit würden Sie denn mit einer Zeitmaschine reisen?

Rubey: Ganz sicher in die „Goldenen Zwanziger Jahre“. Damals hatte alles Stil, egal, ob Autos, Mode oder der zwischenmenschliche Umgang.

freizeit: Sind Sie Fan der Serie „Downton Abbey“, die in so einer Zeit spielt?

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Rubey: Ja, die ist großartig und der Beweis dafür, dass das Bedürfnis nach guten Geschichten nie abreißt. Die „Sopranos“ sind auch so ein Beispiel. Ich mag Geschichten im Mafiamilieu eigentlich nicht. Aber dann steht da dieser fantastische James Gandolfini und ermordet in einer Szene ein Kind. Du hoffst aber, dass sie ihn nicht erwischen. Es gibt Sachen, die sind „bigger than life“. Sie bringen die Seele zum Klingen. Da muss dich das Milieu gar nicht interessieren. Bei „Downton Abbey“ kommt noch dazu, dass ich die Zeit optisch super finde.

freizeit: Lieben Sie das Leben?

Rubey: Ja, ich liebe das Leben total und bin lebenshungrig, es ist aber auch extrem schwierig.

freizeit: Angst haben Sie jetzt im Moment aber keine mehr.

Rubey: Im Gegenteil. Es ist eine neue entstanden. Ich habe Angst, dass ich im Interview nicht genug über Angst gesprochen habe.

www.manuelrubey.com