Frühstück mit Wolfgang Böck: "Fast ein bissl dämonisch"
Von Maria Gurmann
Zufrieden und entspannt kann sich der Intendant der Schloss-Spiele Kobersdorf zurücklehnen. "Ausverkauft. Wir hatten eine Auslastung von 99,2 Prozent." Wolfgang Böck freut sich über 16.090 Zuschauer, die heuer Molières "Der eingebildete Kranke" gesehen haben. Zur Ruhe kommt er trotzdem nicht. Am 9. September wird er zum erste Mal auf der Bühne der Volksoper stehen. Als Ringelspielbetreiber Kagler in "Wiener Blut".
Geduldig wuzelt sich der Serien-Kieberer "Trautmann" eine Zigarette, bevor er "Traubensaft, nicht Rotwein" einschenkt. Im Schlossgarten ist der Frühstückstisch gedeckt. "Das sind alles Produkte von hier. Der luftgetrocknete Schinken ist vom Tschürtz aus Loipersbach", erklärt der beliebte Schauspieler, der bereits mit drei KURIER-ROMYs ausgezeichnete wurde.
Narretei
In Linz wurde er geboren, in Graz studierte er Schauspiel, in Bregenz begann seine Theater-Karriere, in Wien landete er als grantiger TV-Serienliebling, Volksschauspieler und Strizzi-Lieder-Sänger. Doch die Freizeit verbringt der 58-Jährige am liebsten mit der Familie in seinem Haus in Draßburg. "Das Burgenland ist - neben Wien - meine zweite Heimat geworden."
Hier schwingt er sich auf eines seiner vier Motorräder oder in einen seiner acht Jaguars. "A Narretei", wie er seine Sammelleidenschaft nennt. Ein ausgiebiges Frühstück gibt es nur bei Schlechtwetter. "Wenn Motorradfahren angesagt ist, dann brauch' ich nix." Seine Frau Sonja Kremsner, eine burgenländische Architektin, ist am liebsten Beifahrerin. Seit der "Babypause" fährt sie nicht mehr selbst.
"Das Baby ist mittlerweile 21 und hat selbst den Führerschein", sagt Böck, streicht sich Liptauer aufs Bauernbrot und lacht. "Ein Cabrio hat Felix Casper von mir gekriegt." Ruft er seinen Sohn immer mit beiden Vornamen? "Ja. Mittlerweile hat er allen seinen Freunden abgewöhnt, dass sie Felix Casper sagen. Selbst seine Mutter hält sich schon dran. Nur der Vater nicht."
Seit einem Jahr wohnt der Jusstudent "mit Redebegabung" nicht mehr bei den Eltern. Mit "Willst nicht essen kommen?" lockt man ihn noch nach Hause. Und seine Wäsche kommt auch noch ab und zu. Die neugewonnene Zweisamkeit sei eine schöne, neue Erfahrung. "Wenn die Kinder aus dem Haus sind, ist man plötzlich wieder auf sich selbst zurückgeworfen. Da sitzen sich zwei Menschen gegenüber, die gemeinsam Brutpflege betrieben haben, und es stellt sich heraus, ob man miteinander noch etwas zu tun hat oder nicht."
Die Böcks haben mehr denn je miteinander zu tun. "Was mir im Leben Spaß macht, das teile ich zum Großteil auch mit meiner Frau. Ein wahres Glück, muss man sagen." Das war nicht immer so. "Die ersten zehn Jahre hat sie mich kaum gesehen. Immer im Theater, nach der Vorstellung mit Kollegen unterwegs." Jetzt gehe er lieber heim und trinkt Wein statt Schnaps, "weil im Wirtshaus gfreit's mi nimmer." Hat er zu viel getrunken? "Ich hab schon hin und wieder Schnaps in meinem Leben g'soffen", seufzt der Schauspieler.
Seit 25 Jahren ist er mit "Soni" zusammen, die er einst mit "Servas Eli" begrüßte, weil er Sonja mit ihrer Zwillingsschwester verwechselte. Vor neun Jahren heirateten sie. Erst wollte sie nicht, dann hat sie gesagt, "mit 50 heirate ich dich auch nicht mehr". Also hielt er bei den Schwiegereltern, "aus Hetz", um die Hand an.
Als Kind träumte der Sohn eines Industriekaufmannes der Voest und einer Kindergärtnerin von einer Karriere als Motorradrennfahrer. Deshalb besuchte er die HTL für Maschinenbau. Als er erkannte, "dass das sicher nicht mein Leben ist", verließ Böck die Schule mit 18 und wollte sein Geld als Ski- und Segellehrer verdienen. Dazu kam es nie. "Weil ich im Theater ,Magic Afternoon' von Wolfgang Bauer gesehen hab. Das war der Auslöser. Ich hab gedacht, aha, das wär auch eine Variante." Böck ging nach Graz und lernte die Schauspielerei. Einzige Berufserfahrung bis dahin: "In der Knabenvolksschule hab ich in ,Das tapfere Schneiderlein' die Prinzessin gespielt", sagt der Künstler während er die nächste Zigarette wuzelt.
An eine durchaus schöne Kindheit erinnert er sich. An ein liberales, verständnisvolles Elternhaus, "eine herzensgute, ganz, ganz tolle Mutter". Die 84-Jährige wohnt immer noch in der Wohnung am Stadtrand von Linz, in der er mit seiner jüngeren Schwester aufwuchs.
Die Wanderungen entlang der Mühl oder auf den Dachstein machten ihm Spaß. Später - als die Mädchen interessanter als die Berge waren - durfte er "die sturmfreie Bude" genießen. "Wenn die Eltern am Sonntag vom Ausflug zurückgekommen sind, ist meine Mutter schnell vorgegangen, hat drei Mal geläutet und mich gewarnt. Das fand ich sehr, sehr anständig."
Er war nicht immer so anständig. "Es hat schon eine sehr wilde Seele in mir gegeben. Fast schon ein bissl dämonisch." Durchaus aggressiv sei er gewesen. Nicht handgreiflich, aber verbal. "Streiten, das konnte ich schon, bis zum Fertigmachen." Eine "der Sternenkunde mächtige Frau" klärte ihn eines Tages auf: "Na du brauchst dich nicht wundern, weil du bist ein Steinbock und hast einen Skorpion Aszendenten. Die zwei vertragen sich nicht."
"In jungen Jahren war ich mit mir manchmal im Clinch. Je älter man wird, desto besser kann man sich akzeptieren." Gibt es auch etwas, das er an sich mag? "Dass ich mir mein ganzes Leben lang etwas wie Empathie erhalten habe."
Versagensängste
Wovor hat der Mann mit der rauen Schale und dem weichen Herzen Angst? Böck denkt lange nach. "Vor dem Versagen. Auf der Bühne zu stehen und dort sang- und klanglos unterzugehen. Peinlich zu sein. Nicht anerkannt zu werden, mit dem was man da gerade tut."
Ein humorvoller Mensch sei er. Ohne Ende und herzhaft musste er lachen, als er seinen Kollegen Cornelius Obonya im Einmannstück "Cordoba" im Rabenhof gesehen hat. "Meine Frau war ganz glücklich und hat gesagt, sie hat mich schon lang nicht mehr so lachen gesehen. Das war sehr erfrischend."
Gibt es noch eine Rolle, die er spielen möchte? "Nein, ich habe immer super Rollen gespielt. Ich wüsste nicht, was ich in meinem Leben noch spielen muss." Böck denkt kurz nach, reibt sich das Kinn und fügt dann hinzu: "Na oja, eine Rolle würde ich schon noch gerne spielen. Die des Privatiers. Das wäre schon ein Luxus."
Sein Publikum wird ihn noch lange nicht in Pension gehen lassen. Es liebt ihn als grantigen Kieberer genauso wie als singenden Strizzi.
info
"Wiener Blut", Operette von Johann Strauß
Premiere am 9. September 2011, in der Volksoper,
www.volksoper.at
-
Hauptartikel
-
Bilder