Frühstück mit Sylvie Rohrer
Von Maria Gurmann
Die Sprachkünstlerin
Seit drei Jahren wohnt das Künstlerpaar in dieser lichtdurchfluteten Altbauwohnung in einem ruhigen Hinterhof im vierten Bezirk. "Gartenstiege nennen wir sie", sagt Sylvie Rohrer (43) und bittet ins Wohnzimmer. Um den Esstisch die bunten Sessel des Malers und Künstlers Franz West. An der Wand ein Bild von Francis Bacon. "Unser erstes gemeinsam gekauftes Bild", erklärt die Schweizerin und strahlt Richtung Ehemann, der seine Sammlung mit Werken von Franz Weiler und Jörg Immendorff begonnen hat.
Bunt geht es auch auf dem Tisch weiter. Neben dem Rosenstrauß - "ich habe immer Blumen auf dem Tisch, nicht nur fürs Foto" - das pastellfarbene Porzellan. "Ein Weihnachtsgeschenk von meinem Mann. Er hat das ganze Service heimlich nach Bern mitgenommen, nur damit es unterm Christbaum liegt", sagt sie, gefolgt von einem herzhaftem "Hahahaha", das noch oft an diesem entspannten Vormittag zu hören sein wird. Liebe liegt in der Luft.
Zierlich, zarthäutig und so gar nicht zugeknöpft zeigt sich die Burgschauspielerin beim Sonntagsfrühstück mit ihrem Mann René Zisterer (43). Vor drei Jahren heiratete sie ihn, den Musiktheaterregisseur und ehemaligen künstlerischen Leiter des "Augenspieltheaters" in Tirol. Vor einem Jahr holte ihn Dominique Meyer als Direktionsmitglied an die Staatsoper.
Aufgetischt
"Heute gibt's das klassische Sommerfrühstück. Croissants, Bitterorangenmarmelade und natürlich das Birchermüsli mit Bananen, Äpfeln, Haferflocken, Zitronensaft und Mandeln. Dann gibt es noch die Variante ohne Müsli, dafür mit weichen Eiern im Glas", erklärt die Schauspielerin, die eigentlich Tänzerin werden wollte und jetzt bei "Shakespeare auf der Rosenburg" Othello inszeniert.
Begonnen hatte die Liebesgeschichte vor fünf Jahren, als er sie per Telefon zu einem Gastspiel in sein Theater eingeladen hatte. "Ich dachte, Mensch, der klingt aber nett", erinnert sich Rohrer. Als sie dann nach eineinhalb Jahren in Innsbruck ankam, holte er sie vom Flughafen ab. "Da fiel mir siedend heiß ein, dass ja der Mann so angenehm war am Telefon. Ich war damals solo und irrsinnig gespannt, wer da um die Ecke biegt. Und dann kam er, das war's".
Er legt die Hand um ihre Schulter und lächelt. "Es war wirklich ein Blitzschlag. Liebe auf den ersten Blick", sagt er in bestem Hochdeutsch. Kein Hauch von Tirolerisch ist zu hören. So wie bei Rohrer weder das Schweizerdeutsche, noch der französische Akzent (ihre Muttersprache) durchkommt. "Ich war schon sehr früh literaturbegeistert", sagt der Innsbrucker. Die Begeisterung für Sprache ist nur eine von vielen Gemeinsamkeiten der kleinen Familie.
Als eines der ersten Rendezvous wählte Zisterer eine Alm in Sils Maria im Engadin. "Ich hab sie gleich ausgetestet, ob sie Kondition hat." Damit traf er ins Schwarze. "Ich bin fast rückwärts umgefallen, weil ich mich fragte, woher weiß der Mann, dass ich Sils Maria so liebe und gerne wandere."
Gemeinsam gehen sie auch gerne in Konzerte, ins Theater und Kino oder bei Schönwetter in die Natur.
Gemeinsam besuchen sie immer wieder die Tanzschule Elmayer. "Erst nahmen wir Einzelunterricht, damit wir uns bei der Hochzeit nicht blamieren, jetzt macht es uns Spaß auf Bällen zu tanzen", sagt Zisterer.
Gemeinsam machen sie es sich mit einem Buch oder den Zeitungen nach dem Sonntagsfrühstück auf der Couch gemütlich.
Gemeinsam hören sie Musik. Sie summt eine Melodie, deren Namen sie nicht kennt. Er fischt aus seiner Sammlung die passende CD heraus und sagt etwa "Mozart, Köchelverzeichnis 201, Symphonie in A-Dur".
Und gemeinsam spielen sie leidenschaftlich gerne Scrabble oder Rummikub. "Jetzt fällt mir endlich etwas Negatives zu ihr ein", sagt Zisterer, nachdem er seine Angetraute als charmant, liebevoll und sehr umsichtig beschrieben hat. "Sie ist eine ganz schlechte Verliererin."
Rummy spielte sie schon zu Hause als Kind mit ihrer Familie. "Da gab es einen Tag, da hab ich so viel gewonnen, dass meine ältere Schwester zu weinen anfing. Da war sie aber schon 20." Wohl behütet wuchs sie als Tochter eines Bankkassiers und einer Westschweizerin auf. "Meine Eltern haben spät geheiratet. Meine Mutter bekam mich mit 44", erzählt die einzige Künstlerin der Familie, die sich mit 19, als sie gerade die Ausbildung zur Chefsekretärin machte, heimlich in der Schauspielschule bewarb. Und aufgenommen wurde.
"Mit vier Jahren wollte ich unbedingt zum Ballett, mit sieben begann ich zu trainieren, den Weg in ein ausländisches Ballettinternat verweigerten mir jedoch die Eltern." Ihr Schauspieltalent bewies sie schon als kleines Mädchen in der Schule und beim Blauring, eine katholische Mädchenorganisation wie die Pfadfinder. "Mein Glaube begleitet mich von klein auf. Ich war jeden Sonntag in der Kirche." Sie liebte die Geschichten der Bibel, die für sie Lebenshilfen waren. Wie etwa bei der Entscheidung, ihrem Berufswunsch nachzugehen. "Ich habe ein Talent vom lieben Gott bekommen und daraus muss ich was machen."
Abgeräumt
Viel hat sie daraus gemacht. 1995 und 1996 war sie beste Nachwuchsschauspielerin. Ausgezeichnet mit dem Boy-Gobert-Preis und dem Nestroy-Theaterpreis freut sie sich, dass ihre Arbeit honoriert wird. Sylvie Rohrer ist vielseitig und entwickelt sich immer weiter. Unvergessen die Aufführung von Elfriede Jelineks Über Tiere . Auf der Bühne: zwölf Klaviere, eine Frau, ein Text. Die Kritiker überschlugen sich. "Da saßen alte Theaterhasen, wie Peymann und Flimm in der Vorstellung und fragten, wie macht sie das?",erinnert sich Zisterer.
Eineinviertel Stunden Sprachmelodie vom Feinsten zur Musik von Mozart. Gesprochen von Sylvie Rohrer. "Es war wie eine Besteigung des Himalaja ohne Sauerstoff", erinnert sich die Schauspielerin. Drei Stunden pro Tag lernte sie "Jelineks unglaublich starken Text mit seiner hohen Musikalität". Sie liebe es, mit Texten Stunden zu verbringen. "Für mich ist Sprache Rhythmus und Klang, und immer eine Welt."
Dabei musste sie den Klang fürs Deutsche erst in der Schauspielschule lernen. "Mein Deutsch war so ein französischer Singsang", sagt Rohrer, die auch noch fließend Italienisch spricht.
Mit dem Wienerischen hatte sie ein Problem, als sie vor elf Jahren ans Burgtheater kam. "Ich habe mich am Anfang schwer getan, die Sprache zu mögen. Auch an die Mentalität der Wiener, nach vier Jahren Hamburg, musste ich mich erst gewöhnen." Mittlerweile hat sie beides lieb gewonnen. So lieb wie ihren Mann. Mit dem fährt sie, nachdem die Premiere auf der Rosenburg erfolgreich über die Bühne gegangen ist, an die Amalfiküste. Ein Paradies für Verliebte.
Info:
"Othello", Shakespeare auf der Rosenburg, noch bis 14. August 2011, jeweils Freitag bis Sonntag. www.shakespeare-festspiele.at
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