Frühstück mit Philipp Hochmair
Von Maria Gurmann
Ich muss jeden Tag ein Mal kochen, sonst drehe ich durch", sagt der begehrte Schauspieler, während er Blutwurst und Zunge in dünne Scheiben schneidet. Selbst zu den Salzburger Festspielen nahm er seine gusseiserne Pfanne mit. "Kochen beruhigt mich." Hyperaktiv scheint er zu sein. "Ich bin dauernd auf der Flucht und setze mich doch gerne wo fest", sagt das Ensemblemitglied des Hamburger Thalia Theaters. In Wien hat er keinen Wohnsitz mehr. Deshalb bittet er zum Frühstück in die Wohnung der Regisseurin. Dort wird gleich anschließend für die nächste Premiere geprobt.
Kommende Woche wird Philipp Hochmair im Wiener Rabenhof mit Jaschka Lämmert, Robert Palfrader und Manuel Rubey in "Porno" auf der Bühne stehen. Regisseurin und KURIER-Immo-Ressortleiterin Ela Angerer hat die schonungslos autobiografischen Texte von Robert Palfrader und Philipp Hochmair bis Julya Rabinowich und Thomas Glavinic, zu einem Theaterabend verwoben. "Ich brauche die Avantgarde-Stimmung, um mir wieder neue Ideen zu holen", sagt Hochmair.
Leidenschaftlich
Zehn bis zwölf Rollen habe er zurzeit gleichzeitig im Kopf. "Wenn ich auf der Spur bin, wo ich hin soll, dann kann ich die Texte abrufen." Egal, ob die Salzburger Neun-Stunden-Inszenierung von "Faust" oder seine Soloprogramme von Goethes "Werther" oder Kafkas "Der Prozess". Der 37-jährige Wiener schafft es, junges Publikum ins Theater zu locken. Er gilt als einer der besten Kafka-Interpreten. Schauspielkollege Rudolf Melichar sagt über den Robbie Williams der Bühne: "Er ist wie ein Popstar. Wenn er die Bühne betritt, vibriert die Luft."
Unkonventionell ist der ehemalige Schüler von Klaus Maria Brandauer am Reinhardt Seminar. Am liebsten geht er barfuß. Egal, ob am Naschmarkt, wenn er für den Brunch Artischocken, Rucola, Paradeiser und Weißwürste kauft, oder wenn er im Wald über Moos, Baumwurzeln oder Steine geht. Das erdet ihn. Zum Rollenlernen braucht der Legastheniker jemanden, der ihm den Text vorsagt. Aus einer Schwäche hat er eine Stärke gemacht. Für die Handke-Monologe, 80 A-4-Seiten, brauchte er vier Monate. "Eine Höchstqual und ein Höchstgenuss gleichzeitig. Ich beneide jeden, der es noch vor sich hat, weil es eine tolle Zeit war."
Brandauer hat den Sohn eines hohen Beamten und einer Lungenfachärztin inspiriert. "Er hat mir seine Exotik und seine Wildheit, seine Ungebremstheit und seine Freiheit mitgegeben", schwärmt der Mann, für den "eine Blutwurst ein besseres Statussymbol ist als ein Porsche".
Einen Fernseher besitzt Hochmaier nicht. Dafür kann er exzessiv, wie bei allem, "bis acht Uhr Früh durch die Programme zappen", wenn er im Hotel ist. Auf die Frage, ob er Single ist, weiß er auch nach langem Nachdenken keine Antwort. Kunst ist seine Leidenschaft. "Alles andere muss sich hinten einreihen."
Bürgerlich, "relativ ernsthaft und relativ konventionell" sei er im 16. Wiener Bezirk aufgewachsen. "Das entspricht dem sehr klassischen, österreichischen System der Kleinfamilie, also schon sehr stereotyp", erklärt Hochmaier die Welt, aus der er ausgebrochen ist. Sein Befreiungsschlag war zuerst die Malerei, dann das Theater. "Ich wollte etwas mit den Energien anfangen."
Dass er Schauspieler werden wollte, wusste er mit 17. Schlüsselerlebnis war der Zeichenunterricht. "Wir haben den Totentanz von Goethe illustriert. Den habe ich währenddessen auswendig gelernt. In der Englischstunde schauten wir uns den Coppola-Film ,The Outsiders' an. Ein junger Bandenchef sagt da ein Gedicht auf. Da hielt die Lehrerin das Video an und sagte, sie sei sicher, dass keiner in der Klasse ein Gedicht auswendig weiß. Ich, in der letzten Reihe, war der Einzige. Ich habe den Totentanz von der ersten bis zur letzten Zeile interpretiert. Dazwischen hat die Pausenglocke geläutet, niemand ist aufgestanden. Da wusste ich, hier kann ich mit meinen Energien etwas anfangen", sagt er im feinsten Theaterdeutsch. Kein Hauch von Wienerisch, keine Spur von oberösterreichischer Klangfärbung.
Naturverbunden
"Superschöne Erinnerungen" hat er an die Wochenenden und Ferien bei seinen Großeltern in Haag am Hausruck. "Am Bach graben, Fische fangen und draußen Feuer machen. Der Dialekt, die Speisen und die Landschaft. Darum habe ich in Oberösterreich so ein Heimatgefühl."
In der Kirche war er "freiwillig " Ministrant bis zu seinem 17. Lebensjahr. "Da war dieses Theatralische, Kultische und der Weihrauchgeruch. Ich war nicht dort wegen der Inhalte, sondern wegen des Zeremoniells und der Atmosphäre." Nein, seine Eltern gingen nicht in die Kirche. "Das war kein Protest von mir, nur mein Paralleluniversum, meine Gegenwelt." Er glaube nicht an den Gott mit dem weißen Bart. "Ich glaube an gute Energien und an positive Kräfte. Wenn ich mir Kräfte suggeriere, könnte man das als pantheistisches Beten bezeichnen."
Es fällt Philipp Hochmair schwer, sich selbst zu beschreiben. "Ich bin mein eigener blinder Fleck. Ich kann mich selber nicht so gut wahrnehmen. Darum bin ich vielleicht Schauspieler." Er sei ordentlich und unordentlich zugleich. "Eine Waage im Sternzeichen. Unzentriert." Auto braucht er keines. Lieber ist er mit dem Fahrrad unterwegs. "Ich habe mit Müh und Not den Führerschein einmal gemacht. Ich interessiere mich nicht für Autos oder technische Dinge, die typische Männerwelt ist mir fremd." Viel mehr interessiert ihn Musik. "Ich habe mehr als 2000 Lieder auf dem iPod, viel elektronische Musik, am wenigsten Klassik."
Er liebt die Abwechslung. "In Wien ist alles viel hitziger und hysterischer", sagt der ehemalige Burgschauspieler. "In Hamburg ruhiger und designierter. Wenn man da zu lange in dieser trockenen Welt lebt, sehnt man sich auch wieder nach den feurigen Schäumen in Salzburg oder Wien."
Stundenlang könnte man den gestenreichen Erzählungen dieses feurigen Schauspielers folgen. Doch der drängt zum Finish mit Erdbeer-Prosecco, bevor er unter Ausschluss der Öffentlichkeit für die "Porno"-Premiere probt.
Info
Philipp Hochmair ist ab 14. 9. im Wiener Rabenhof Theater zu sehen: In "Porno", mit Robert Palfrader, Manuel Rubey und Jaschka Lämmert. In "Amerika" - Soloprogramm nach dem Roman von Franz Kafka (ab 16. 9.). www.rabenhoftheater.com
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