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Frühstück mit Erni Mangold

Schuhe abputzen, ausziehen brauchst sie nicht", begrüßt sie die KURIER-Redakteurin. "Du schon, deine Schuach san so schiach", bekommt der Fotograf zu hören. Das ist die Mangold, wie sie leibt und lebt – zum Abbusseln. Erst grantig und genervt. Ein bisschen später herzlich und humorvoll. Per Sie wird die 84-Jährige angesprochen. Ganz selbstverständlich duzt die Kultfigur des Wiener Theaters, die seit 70 Jahren auf der Bühne steht, ihre Gäste. Man ist auf dem Land – im Waldviertel, bei Gars am Kamp.


Hier hat sich die unverwechselbare Schauspielerin 1984 ein altes Haus gekauft. "Leben tu’ ich seit meinem 68. Geburtstag hier. Mit der Zeit hab’ ich Wände aufgerissen und den Wintergarten angebaut. Eine Million Schilling steckst immer in so a oide Hütten", sagt die Pendlerin, die 30.000 Kilometer im Jahr fährt und unermüdlich auf der Bühne oder vor der Kamera steht. "Ich bin ein Leistungsmensch." Am Theater in der Josefstadt spielt sie in "Lumpazivagabundus" und probt für "Geschichten aus dem Wienerwald" (Premiere 2. 2. 2012).

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"Und mit diesem Buch hab’ ich mindestens 15 bis 20 Events, die alle anstrengend sind." Zehn Jahre musste man die Weggefährtin von Helmut Qualtinger, Peter Patzak, O.W. Fischer oder Gustaf Gründgens überreden, bis sie endlich ihre Biografie Lassen Sie mich in Ruhe schrieb. Ein halbes Jahr sprach sie immer wieder mit der Autorin Doris Priesching. "Es ist etwas Wunderbares, ohne Schnörksel, ohne Tralala daraus geworden. Ein Freund hat mir gesagt, das Buch liest sich, als würde man mit mir telefonieren."

In eine dicken Strickjacke gehüllt, die langen Haare streng zurückgebunden, führt sie zum Holztisch neben dem Specksteinofen. Eine Kanne Tee, Wurst, Käse, Bauernbutter, Marmelade und Honig. "Alles von der Gegend und vom Bauernmarkt." Für die Gäste gibt es Waldviertler Mohnzuzler (Mürbteigweckerln mit saftiger Mohnfülle).

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Gut gelaunt ist sie heute nicht. Die vor Kurzem gebrochene Hand schmerzt immer noch, obwohl der Gips schon herunten ist. Vor drei Wochen ist sie in ihrer Wiener Wohnung mit Filzpantoffeln ausgerutscht und gestürzt. "Wenn ich mich bücke, denke ich mir, bist du deppert, tut mir der Arsch weh." Und schlecht geschlafen hat sie heute auch.

Arbeitswelt

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"Ich bin ein Arbeiter, ich arbeite gerne, mach’ das ordentlich, und ich mach’ das gut. Aber Spaß, Spaß habe ich, wenn ich tanze, oder wenn ich spazieren gehe", keppelt sie vor sich hin, bevor sie bühnenreif losbrüllt. "Ich bin keine Frau, die daham strickt. Das wissts ihr eh? Einen Schmarrn wissts ihr. Immer glaubts ihr, dass ihr mehr machts. Wenn ich dir meinen Kalender zeig’, sagst, möcht’ ich nicht haben. Ich bin manchmal an einem Erschöpfungsgrad angelangt, dass ich aus der Haut fahren könnt’."

Über unprofessionelle Regisseure regt sie sich auf. "Das macht mich so krank in meinem Alter, sooo krank, dass ich platze. Ich hab’ die gleich so angeplärrt. Das hat mir dann eh leid getan, dass ich so grauslich war, aber ich musste es sein." Entnervt macht sie sich Luft und lässt den Gesprächspartner nicht einmal Luft holen. Macht nichts, diesen mangoldschen Soloauftritt mit Schimpftiraden vom Feinsten, will man sich nicht entgehen lassen.

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Sie könne stur sein wie ein Bock und gleichzeitig gutmütig wie ein Schaf. Vor allem bei Kindern wird sie mild und zahm. Mit denen kann sie blödeln, für sie spielt sie den Kasperl. "Mich mögen die jungen Leute, aus. Weil ich nicht sentimental bin, wei ich immer noch da steh’, weil ich nach vorn schau’." Die meisten ihrer Jugendfreunde leben nicht mehr. Jetzt sind einige ihrer ehemaligen Schüler vom Reinhardt Seminar ihre Freunde. Die unterstützt sie. "Wenn es einem gut geht, muss man schon helfen."

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Kompromisslos ehrlich erzählt Erni Mangold von ihrer Kindheit und Jugend. Am 26. Jänner 1927 kam sie im Gasthaus ihrer Großeltern in Großweikersdorf, Niederösterreich, zur Welt. "Meine Mutter war 22 und hatte schon sieben Abtreibungen hinter sich." Der achte "Abortus" ging schief, heraus kam Erna Goldmann. 18 war ihre Mutter, Tochter eines reichen Bauern, als sie den um 17 Jahre älteren Bad Ischler Heinrich Goldmann heiratete und ihren Beruf als Pianistin aufgab. "Später warf sie das meinem Vater vor. Die Ehe wurde zur Strindberg-Ehe."

Erni liebte ihren Vater, den Lehrer, Direktor und Maler. "Er erzog mich ,goetheanisch‘, er wollte aus mir eine wohlerzogene Bildungsbürgerin machen." Ihre Mutter mochte sie nicht. Nicht weil die sie schlug, "sondern weil sie ihre Liebe nicht zeigen konnte. Sie selbst hat von ihrer Mutter die Liebe nie bekommen." Erst ein Jahr vor ihrem Tod mit 88 Jahren, gelang es ihrer Mutter, Liebe zu zeigen. "Die große Versöhnung hab’ ich ihr sehr hoch angerechnet."

Mit einem Jahr bekam Mangold einen Teddybären, "den ich abgöttisch liebte und abzuzelte. Ich hab’ ihn immer noch." Die Schauspielerin führt in den ersten Stock, vorbei an unzähligen Erinnerungsstücken und Bildern, die ihr Vater gemalt hat. Auf der Staffelei steht ein Porträt der 15-jährigen Erni. „Der Papa hat mich so wie Rembrandt seinen Sohn mit einem Barett gemalt.“ Im Schlafzimmer sitzt der haarlose Bär auf dem Bett. „Da ist die Maus“, sagt sie liebevoll und nimmt den haarlosen Teddy in den Arm.

Ganz geduldig zeigt sie die vielen Fotos und Bilder ihrer Freunde und Familie und die Kuhglocke, mit der ihre Mutter zu Weihnachten geläutet hat – "ich hab’ bis 14 noch ans Christkind geglaubt". Während sie in den Weinkeller – am Abend trinkt sie gern ein Glaserl Rotwein –, ins Saunahäuschen und in den Garten führt, erzählt sie von ihrem ereignisreichen Leben.

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Sie war mit 15 die Jüngste in der Schauspielschule Krauss. Nachdem sie mit ihren Eltern nach Wien übersiedelte, entwickelte sich ihre Leidenschaft zur Oper. Karajan machte ihr den Hof, sie ging mit ihm aus und gab im einen Korb. "Er war damals schon sehr eitel, eine Persönlichkeit ohne Zweifel, sehr klein, überhaupt nicht ihr Männertyp."

Als junge Schauspielerin zog sie mit Helmut Qualtinger durch Wien. "Wir verstanden uns politisch, kulturell, menschlich. Er prägte mich als Mensch und Künstlerin." Sie wuschen sich nie, nachts badeten sie in irgenwelchen Brunnen in Wien und sie soffen Rum. Und sie studierte eine Philosophie. "Das war etwas Tolles nach dem Krieg. Wir waren zynisch, und wir haben philosophiert", erinnert sie sich an ihre Gammlerzeit. Ohne BH zu gehen, war damals ein Skandal. Mangold trägt bis heute keinen.

Männerwelt

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Als "Sexerl" mit der großen Goschen wehrte sich die blonde Schönheit mit Händen und Füßen gegen die sie schamlos bedrängenden, verfolgenden und bedrohenden Männer. Mit 19 verlor sie die Unschuld. Erst hatte sie ein verkrampftes Verhältnis zum anderen Geschlecht, später, als sie mit dem Deutschen Heinz Reincke verheiratet war, war Sex ein wichtiges Thema für die "sinnliche Natur". Und heute? "Geht mir Sex nicht ab. Im Gegenteil, ich fühle mich so glücklich wie nie zuvor. Ich bin unbelastet und frei." Nach der Zeit als brave Ehefrau hat sie sich mit 55 emanzipiert. Schlank und rank wie in ihrer Jugend ist sie heute noch. Sie macht regelmäßig ihre Turnübungen, "glotzt" einfach nur beim Fenster raus oder hört Musik – Klassik, Jazz oder Rock. "Ich mag die Sofa Surfers und Dave Brubeck. Die Rolling Stones haben mich auch sehr angemacht, mehr als die Beatles, weil sie gammliger waren."

Es ist die Ironie des Schicksals, dass Mangold vier Fehlgeburten hatte, während ihre Mutter sieben Mal abtrieb. "Ich habe nie gehadert. Ich liebe die kleinen Puppilein, aber ich bin ganz froh, dass es nicht funktioniert hat, weil mein Mann hat ja doch getrunken", erzählt sie ruhig und nachdenklich. Vorbei ist der Ärger, mild ihre Stimme, wenn Mangold von Kindern spricht. Die werden sich um sie scharen, wenn sie Weihnachten bei ihrer Wahlfamilie in Zwölfaxing feiern wird.

Buchtipp Erinnerungen

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"Lassen Sie mich in Ruhe", Erni Mangolds Erinnerungen, aufgezeichnet von Doris Priesching.

Amalthea Verlag, 22,95 Euro. Mit 80 zum Teil bislang unveröffentlichten Abbildungen.

Die Schauspielerin , eine Kultfigur des Theaters und des Films, erzählt ihr Leben: kompromisslos ehrlich, anekdotenreich, humorvoll und geradeheraus. Sie erinnert sich an Zeitgenossen wie Helmut Qualtinger, Gustaf Gründgens, O.W. Fischer, Peter Alexander und ihren Ehemann Heinz Reincke.