Sport/Wintersport

Werner Schuster: "Ein Fußballtrainer hat’s einfacher"

Es war im Grunde schon von Anfang an klar, wohin der Weg von Werner Schuster einmal führen würde: Der Kleinwalsertaler kam 1969 in Oberstdorf im Allgäu auf die Welt, und noch heute sagt er: "Wenn du in der Gegend aufwächst, dann ist dir der Wiener irgendwie fremd. Ich bin mit der D-Mark groß geworden", erinnert sich Schuster, unter dem die Deutschen die Lufthoheit im Skispringen übernommen haben. 2014 holte das Team Olympia-Gold in Sotschi, letzte Saison gingen die Nationenwertung und die große Kristallkugel (Severin Freund) an Schusters Mannschaft.

KURIER: Herr Schuster, was verspüren Sie nach all diesen Erfolgen? Stolz? Genugtuung?
Werner Schuster:
Dankbarkeit. Ich bin vor allem extrem dankbar darüber, wie sich die Dinge entwickelt haben. Viele sehen ja jetzt nur die Erfolge und nicht die harte Arbeit, die dahintersteckt. Ohne die Unterstützung und das Vertrauen des Verbandes würde das nicht funktionieren. Da haben wir von Beginn an alle an einem Strang gezogen. Dafür bin ich dankbar, dass ich immer das Vertrauen der Verbandsspitze gespürt habe. Aber die Verantwortlichen im DSV hatten offenbar auch das Gefühl, dass das Hand und Fuß hat, was ich mache, und dass es auch eine gewisse Nachhaltigkeit besitzt.

Was waren die größten Herausforderungen für Sie?
Wir mussten damals einen Generationswechsel einleiten. Das braucht natürlich Zeit – und dementsprechend auch Geduld. Ein Fußballtrainer hat’s in der Hinsicht einfacher: Der kann sich eine Mannschaft zusammenstellen. Aber Skispringer kannst du dir nicht einfach kaufen. Wichtig war, dass wir ab 2011 Erfolge vorweisen konnten, und mit Team-Gold bei Olympia ist dann der Durchbruch gelungen. Inzwischen haben wir schon einiges auf der Habenseite.

Ein Österreicher als Trainer in Deutschland. Haben Sie Gegenwind verspürt?
Als ich den Job begonnen habe, war ich ja noch ein ziemlich junger Trainer. Ein junger Trainer mit gewissen Vorschusslorbeeren, weil ich früher einmal den Gregor Schlierenzauer betreut habe. Wobei der es auch ohne mich geschafft hätte, weil er ein herausragender Sportler ist. In der Skisprung-Familie hatte ich bei Insidern schon einen Namen, aber dass man dann in so einem großen System wie dem DSV über einen so langen Zeitraum das Vertrauen bekommt, das ist nicht selbstverständlich.

Hatten Sie denn keine Angst, zu scheitern?
Eigentlich nicht. Mir war von Anfang an ziemlich klar, was zu tun ist und wie ich es anpacken will. Was aber natürlich Neuland war und schon eine große Herausforderung dargestellt hat: Die mediale Präsentation und Repräsentation des Skisprungsports in Deutschland hat mich zu Beginn fast an meine Grenzen geführt. Wenn ich heute so zurückblicke, wundere ich mich, wie ich die eine oder andere kritische Situation bewältigt habe und wie knapp das eigentlich war.

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Sie mussten das Leben als öffentliche Person und den Umgang mit den Medien erst lernen?
Ich hatte nie in meinem Leben ein Interviewtraining, aber eines war mir schon von Anfang an klar und wichtig: dass ich authentisch bleiben muss. Ich darf ja nicht den Fehler machen, es allen recht machen zu wollen, sondern muss so sein und mich so geben, wie ich bin. Bei mir ist das nun einmal ein sachlich orientierter, ehrlicher und natürlicher Zugang. Ich habe mir damals gedacht: Entweder meine Art kommt an, und wenn nicht, dann muss es eben wer anderer machen. Insofern bin ich froh, dass ich bis heute in dem Job überlebt habe (lacht).

Hat denn das Skispringen mittlerweile in Deutschland wieder einen höheren Stellenwert?
Biathlon ist im Moment Wintersport Nummer eins, so ehrlich muss man sein. Die haben uns in den letzten Jahren den Rang abgelaufen. Und das ist auch verständlich, weil Biathlon die telegenste Sportart ist, die es aktuell gibt, und die für den Zuschauer auch leichter nachvollziehbar ist als zum Beispiel das Skispringen. Aber wir stehen gut da. Obwohl wir ein richtig schweres Erbe angetreten haben.

Sie sprechen von den Erfolgen und der Hysterie rund um Hannawald und Schmitt.
Genau. Diese Springer waren rund um die Jahrtausendwende nicht nur extrem erfolgreich, dort hat einfach alles zusammengepasst. Solche Typen wie Schmitt und Hannawald gibt es nicht immer. Da hat der Boulevard natürlich mitgespielt, die Medien mit Reichweite haben diese Leute natürlich auch dementsprechend gepusht. Aber was ist rausgekommen?

Was ist rausgekommen?
Kurzzeitig war das Skispringen im Himmel, und dann plötzlich in der Hölle. Insofern finde ich schon, dass es sich jetzt auf ein erträgliches Maß eingependelt hat. Wenn man die Begeisterung mit einer Aktie vergleichen würde: Zwischendrin war sie überbewertet, jetzt ist sie realistisch bewertet. Ich bin durchaus stolz, dass wir eine hohe Anerkennung genießen. Die Dimensionen der Zeit von Hannawald und Schmitt müssen wir aber nicht mehr unbedingt erreichen.

Apropos Sven Hannawald: Wieso hat seit ihm kein Deutscher mehr die Tournee gewonnen?
Für uns wars bei der Tournee schon immer schwierig, vor allem, als die Mannschaft noch jünger war und sich die ersten Erfolge eingestellt hatten. Dann kommst du nach Oberstdorf, und plötzlich ist der Teufel los. Da kommen dann nicht nur die zehn Journalisten, die sich beim Skispringen auskennen. Da tauchen dann auf einmal 50 andere auf, die vielleicht nicht so bewandert sind. Und die kommen dann immer wieder mit Sven Hannawald daher. Die Latte lag für uns also immer sehr hoch. Und so ehrlich müssen wir sein: Es hat die letzten Jahre auch nie alles so zusammengepasst, dass es mit dem Tourneesieg hätte klappen können.

Ist jetzt die Zeit reif für den ersten Gesamtsieg seit 2002?
Wir haben jedenfalls versucht, jährlich dazuzulernen und unsere Lehren zu ziehen. Und heute traue ich mich zu sagen: Wir sind jetzt auf einem Level, wo wir die Tournee gewinnen können. Die Voraussetzungen sind besser als in den letzten Jahren.

Abschließend: Sie sind deutscher Cheftrainer, wohnen aber weiterhin in Tirol. Wieso das?
Ein wenig Distanz schadet manchmal nicht. Außerdem funktioniert unser System hervorragend, wir sind gut vernetzt und ständig im Austausch mit allen Trainern und Vertrauensleuten. Und ich habe am Mieminger Plateau meine Ruhe. Jetzt bin ich acht Jahre da, und es hat sechs Jahre gebraucht, bis jemand erkannt hat, dass ich der deutsche Trainer bin. Es ist überhaupt so: Wenn ich beim Skifahren auf einer Hütte erkannt werde, dann immer nur von Deutschen.

Der Springer

Werner Schuster (*4. 9. 1969) war das Skispringen in die Wiege gelegt: Sein Vater Willy war WM-Teilnehmer und startete mehrmals bei der Tournee. Werner Schuster wurde zu seiner aktiven Zeit einmal Zweiter beim Weltcup in Sapporo und hält noch heute den Schanzenrekord auf der Anlage von Ironwood (USA).

Der Trainer

Der Vorarlberger arbeitete fast ein Jahrzehnt am Skigymnasium Stams, wo er auch den jungen Gregor Schlierenzauer trainierte. 2007 wurde Schuster Chefcoach in der Schweiz, seit 2008 ist er der Erfolgstrainer der deutschen Springer, die in den vergangenen beiden Jahren groß abräumten und viele Titel einflogen.