Sport/Wintersport

Thomas Hörl: König der Lüfte für 48 Stunden


Dieser halbe Meter. Dieser verflixte eine halbe Meter. Thomas Hörl kann sich heute noch darüber ärgern. "Es wäre noch weiter gegangen", sagt der Salzburger, "einen halben Meter bestimmt. Aber da war keine Markierung mehr, nichts."

Andererseits: Wer rechnet schon damit, dass ein Nobody das Skispringen auf den Kopf stellt? Wer konnte schon erahnen, dass es eine Markierung bei 225 Metern benötigt, wo doch noch nie ein Mensch zuvor jenseits der 220 Meter gelandet war? Vor allem aber: Wer hätte jemals daran gedacht, dass Thomas Hörl, gelernter Maschinenschlosser aus Saalfelden, Weltrekord springt?

Es war der 17. März im Jahr 2000, der erste Trainingstag auf dem Letalnica-Bakken von Planica, der damals größten Flugschanze der Welt. Thomas Hörl, ein aufstrebender Springer, der damals den siebenten Startplatz bekam, wollte sich eigentlich nur einstimmen für seinen Weltcup-Einsatz.

Traum

"Einmal über 200 Meter fliegen, das war mein Wunsch", erinnert sich Hörl, der dann aber ordentlich übers Ziel hinausschoss. Über die Weltrekordmarke von 219,5 Metern, auch noch über die letzte offizielle Markierung bei 220 Metern, weit hinunter in den Graben. "Bei 200 Metern hab’ ich den Überblick verloren", berichtet Hörl, der mit seinem Weltrekord 224,5 Meter und mitten ins Rampenlicht flog. "Plötzlich war um mich ein Rummel, ich bin nicht mehr zum Essen gekommen."

Fotografen, Interviewtermine, Kameras – Thomas Hörl, der Hero aus der zweiten Reihe, das Küken im österreichischen Adlerhorst, schrieb plötzlich Schlagzeilen. Zwei ganze Tage ging das so, bis Andreas Goldberger am 19. März die Hierarchie wieder herstellte: 225 Meter, neuer Weltrekord.

Als Goldberger drei Jahre später schließlich überflügelt wurde, war Hörl bereits auf dem Boden der Realität angekommen. Nach dem Weltrekord ging die Formkurve stetig bergab, und da der Salzburger beim kollektiven Wetthungern, das zu dieser Zeit von Sven Hannawald & Co. betrieben wurde, nicht mitmachen wollte, sprang er ab. "Ich hab’ die Freude am Sport verloren."

Verflixter halber Meter

Der Spaß ist dem Salzburger längst wieder zugeflogen, das Skispringen ist für ihn heute wieder die wichtigste Nebensache der Welt: Thomas Hörl betreut als Servicemann die norwegischen Springer. Gerade jetzt vor der Skiflug-WM in Vikersund ist der ehemalige Weltrekordhalter ein gefragter Mann. "Der Tom Hilde kann sich von seinen Kollegen einiges anhören. Der ist bisher nur 223,5 Meter gesprungen. Sie sagen: `Schau dich an, sogar unser Servicemann fliegt weiter.`"

Manchmal sieht sich Thomas Hörl im Internet den Weltrekordflug von Andreas Goldberger an. Dieser verflixte eine halbe Meter. "Der Goldi hat sich’s verdient", sagt er lächelnd, "aber ich bin mir heute noch nicht sicher, ob es bei ihm nicht doch auch nur 224,5 Meter waren."

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