Kraft baut Tournee-Führung aus
Von Christoph Geiler
Wer, bitteschön, soll diesen Stefan Kraft noch stoppen? Vor allem aber: Was soll ihn auf dem Weg zum Tourneegesamtsieg noch stoppen? Wo den Salzburger derzeit offenbar noch nicht einmal ein schlechter Wind aus der Bahn werfen kann?
Da mag der Unsicherheitsfaktor in diesem Freiluftsport Skispringen noch so groß sein, und da kann Kraft nach seinem zweiten Rang am Bergisel noch so beteuern, dass das „sicher noch nicht der Sieg“ ist – alle Schanzenexperten und sämtliche Konkurrenten sind sich einig, dass Kraft am Dienstag in Bischofshofen (16.30 Uhr, live in ORFeins) der Triumph in der Tournee nicht mehr zu nehmen sein wird.
Auf stolze 23,1 Punkte ist der Vorsprung des 21-Jährigen vor dem Finalspringen bereits angewachsen, das entspricht umgerechnet 13 Metern, die sein Zimmerkollege Michael Hayböck aufholen müsste. Dass sich Kraft nun ausgerechnet auf seiner Haus- und Hofschanze in Bischofshofen noch Blöße geben könnte, das scheint ausgeschlossen. Spätestens seit seinem spektakulären und souveränen Auftritt am Bergisel, bei dem der junge Kraft mit Bravour seine nächste Reifeprüfung abgelegt hat.
Reifeprüfung
Im ersten Durchgang, als er weit über alle Markierungen hinwegflog und seinen Sprung zum Schanzenrekord (137 Meter) mit einer sicheren und sauberen Landung vollendete („normal mache ich immer und überall einen Telemark, aber diesmal habe ich mich nicht getraut. Das war der irrste Sprung meiner Karriere“).
Und im auch zweiten Durchgang bewies Stefan Kraft dann noch einmal Größe und Nervenstärke, als er bei wenig Anlauf und deutlich schlechteren Windbedingungen immer noch 127 Meter weit segelte und mit dem zweiten Rang alle seine Konkurrenten im Kampf um den Tourneesieg klar überflügelte.
„Kraft ist im Moment einfach zu stark“, musste sich denn auch Peter Prevc eingestehen. Der Slowene, der vor dem Bergiselspringen nur 1,1 Zähler hinter Kraft gelegen war, büßte als Elfter 28,3 Punkte ein und scheint damit aus dem Tourneerennen.
Und auch Michael Hayböck braucht schon ein Skisprungwunder, um seinen Kollegen noch vom Thron zu stoßen. Der Oberösterreicher flog am Bergisel in Summe zwar nur einen Meter kürzer (125 und 138 Meter) als Kraft, weil er bei seinem Schanzenrekordsprung im Finale aber in den Schnee griff, ließ Hayböck (6.) Punkte liegen. Der 23-Jährige war aber in erster Linie erleichtert, dass er den Bewerb heil überstanden hatte. „Der Finalsprung war eine brenzlige Erfahrung, da habe ich fast ein bisschen Angst gekriegt.“
Michael Hayböck selbst blickt derweil in der Gesamtwertung nicht nach vorne: Er hat den zweiten Rang hinter seinem Freund im Visier. „Ich werde dem Krafti den Rücken freihalten.“
Endstand | |||
1. | Richard Freitag (GER) | 278,5 | (133,5/132,0) |
2. | Stefan Kraft (AUT) | 273,5 | (137,0/127,0) |
3. | Noriaki Kasai (JPN) | 263,7 | (128,5/132,0) |
. | Simon Ammann (SUI) | 263,7 | (132,0/130,5) |
5. | Gregor Schlierenzauer (AUT) | 262,4 | (127,0/129,5) |
6. | Michael Hayböck (AUT) | 257,5 | (125,0/138,0) |
7. | Kamil Stoch (POL) | 252,8 | (127,0/130,0) |
8. | Severin Freund (GER) | 249,4 | (131,0/126,5) |
9. | Anders Jacobsen (NOR) | 248,8 | (133,5/124,0) |
10. | Roman Koudelka (CZE) | 248,6 | (124,0/125,5) |
11. | Peter Prevc (SLO) | 245,2 | (123,0/133,0) |
12. | Johann Forfang (NOR) | 244,1 | (131,5/126,0) |
13. | Piotr Zyla (POL) | 242,7 | (130,5/123,5) |
14. | Marinus Kraus (GER) | 228,9 | (123,5/119,0) |
15. | Stephan Leyhe (GER) | 226,2 | (119,5/120,5) |
16. | Dmitrij Wassilijew (RUS) | 225,6 | (126,5/118,5) |
17. | Manuel Fettner (AUT) | 224,0 | (120,0/121,5) |
18. | Michael Neumayer (GER) | 223,3 | (123,0/121,0) |
19. | Matjaz Pungertar (SLO) | 222,4 | (122,5/123,5) |
20. | Jarkko Määttä (FIN) | 222,2 | (125,5/124,0) |
21. | Nejc Dezman (SLO) | 221,9 | (122,0/120,0) |
22. | Dawid Kubacki (POL) | 220,7 | (125,0/118,5) |
23. | Thomas Diethart (AUT) | 219,0 | (117,0/121,0) |
24. | Anders Fannemel (NOR) | 216,7 | (126,0/112,5) |
25. | Ronan Lamy Chappuis (FRA) | 210,3 | (117,0/119,0) |
26. | Jan Matura (CZE) | 208,2 | (121,5/111,0) |
27. | Aleksander Zniszczol (POL) | 202,1 | (124,5/107,0) |
28. | Wladislaw Bojarinzew (RUS) | 197,9 | (114,0/114,5) |
29. | Jernej Damjan (SLO) | 194,7 | (114,5/111,0) |
30. | Lauri Asikainen (FIN) | 184,3 | (112,5/105,0) |
nicht für das Finale qualifiziert u.a.: 31. Manuel Poppinger (AUT), 32. Anders Bardal (NOR), 43. Andreas Kofler (AUT), 44. Rune Velta (NOR), 50. Clemens Aigner (AUT)
Vierschanzentournee - Gesamtwertung | |||
1. | Stefan Kraft (AUT) | 835,4 | |
2. | Michael Hayböck (AUT) | 812,3 | (23,1 Punkte zurück) |
3. | Peter Prevc (SLO) | 806,0 | (29,4) |
4. | Noriaki Kasai (JPN) | 797,7 | (37,7) |
5. | Richard Freitag (GER) | 791,7 | (43,7) |
6. | Anders Jacobsen (NOR) | 789,5 | (45,9) |
7. | Gregor Schlierenzauer (AUT) | 785,6 | (49,8) |
8. | Kamil Stoch (POL) | 771,5 | (63,9) |
Viel hat ja nicht gefehlt, und die deutschen Skispringer hätten am Bergisel ein wenig ruhmreiches Jubiläum gefeiert: Seit dem 29. Dezember 2002 (Sven Hannawald in Oberstdorf) hatten die DSV-Adler bei der Tournee keinen Tagessieg mehr gefeiert, aber im 50. Anlauf endete nun doch die Durststrecke.
Für Richard Freitag wurde der Sonntag am Bergisel zum großen Feiertag. Der 23-Jährige, den einige nach seinem Sieg bei der Generalprobe in Engelberg zum engsten Favoritenkreis auf den Tourneegesamtsieg gezählt hatten, lag am Ende fünf Zähler vor Stefan Kraft und den Oldies Noriaki Kasai (Japan) und Simon Ammann (Schweiz), die sich den dritten Rang teilten.
Mit Freitag freute sich auch ein Österreicher: Werner Schuster, der Vorarlberger Cheftrainer der deutschen Skispringer, hatte nach dem Fehlstart in Oberstdorf schon medialen Gegenwind verspürt, am Bergisel ließ er nun auf seinem Trainerturm mit Genugtuung die Siegerfäuste sprechen. „Ich bin ein wenig gerührt. Das ist ein toller Tag“, sagte Schuster.
Lob von oben
Und neben ihm stand der österreichische Cheftrainer Heinz Kuttin und strahlte ebenfalls über das ganze Gesicht. Wieder einmal behielten seine Schützlinge die Nerven, wieder einmal landeten die Österreicher geschlossen im Spitzenfeld. Am Bergisel schafften mit Stefan Kraft (2.), Gregor Schlierenzauer (5.) und Michael Hayböck (6.) gleich drei ÖSV-Adler den Sprung in die Top Ten. „Wir können sehr, sehr stark sein“, weiß der Coach.
Vor allem die Leistung der Senkrechtstarter Kraft und Hayböck könne man laut Kuttin nicht hoch genug einzuschätzen. „Was die beiden im Moment zeigen, ist wirklich famos“, erklärte der Kärntner, der heute den 44. Geburtstag feiert. „Die sind im Kopf sehr klar und wissen, was sie zu tun haben.“
Wobei von den beiden österreichischen Überfliegern dann doch Stefan Kraft derzeit auf einem noch höheren Level springt. „Der zieht einfach Sprung für Sprung die Geschichte durch, und deshalb ist er auch absolut verdient vorne“, sagt Kuttin.