Stenmarks Jägerin Lindsey Vonn kehrt zurück
Von Stefan Sigwarth
„Ich bin noch längst nicht fertig.“ Die Konkurrenz sollte sich also warm anziehen, denn nach sechs Wochen Zwangspause wegen eines Trainingssturzes (Knochenödem und Bänderzerrung im Knie) meldet sich der zweiterfolgreichste Mensch auf Skiern am Wochenende am Arlberg zurück. Da mag der österreichische Damen-Cheftrainer noch so zweifeln („Ich glaub’ das erst, wenn es wirklich so ist“, sagt Jürgen Kriechbaum), Lindsey Vonn scheint nach Trainingstagen im Sarntal in Südtirol entschlossen, bei Abfahrt und Super-G in St. Anton wieder in den Weltcup einzusteigen.
Die 34-Jährige hat schließlich noch einiges vor, so etwa ihr Siegeskonto im Weltcup von derzeit 82 Erfolgen auf mindestens jene 86 zu schrauben, die der Schwede Ingemar Stenmark erreicht hat. Und auch WM-Medaillen hat sie im Sinn in ihrem letzten Winter als Aktive.
Aber was heißt das schon?
Die Hintertür
Längst hat die Amerikanerin erklärt, Anfang Dezember noch einmal im kanadischen Lake Louise starten zu wollen – und es wäre keine Überraschung, wenn diese so ehrgeizige Frau auch dann nicht die Skier ins Eck stellt, sollte sie entweder a) ihr großes Ziel noch nicht erreicht haben oder b) ausnahmsweise längere Zeit unverletzt sein und mit Spaß statt Schmerz zu Werke gehen können.
Das kann auch darin begründet sein, dass Lindsey Vonn ihre heranbrausende Nachfolgerin noch ein wenig ärgern will. Denn sie liebt die großen Auftritte, sei es auf dem Roten Teppich vor irgendwelchen Gala-Abenden oder so wie in Altenmarkt-Zauchensee vor zwei Jahren, als sich ihre Teamkollegin Julia Mancuso mit dem Gedanken trug, vor die Presse zu treten: Es erschien dann Vonn samt Reise-Hündchen Lucy.
Die Heranbrausende
Ihr Problem ist 23 Jahre jung, wohnt in Eagle unweit von Vonns Wahlheimat Vail und bricht Rekord um Rekord. Die Grande Dame des US-Ski-Teams hatte bis zu ihrem 24. Geburtstag 13 Weltcupsiege, Mikaela Shiffrin hielt bis zum gestrigen Nachtslalom in Flachau (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, Anm.) bei 52. Und wenn sie weiterhin von schweren Verletzungen verschont und so konstant bleibt, ist absehbar, dass alles im Skirennlauf zur Fußnote verkommt.
Shiffrin, manchmal hart an der Grenze des Fassbaren in ihrer Bescheidenheit, verzichtet auf einen Start am Arlberg. So, wie sie schon die Speedrennen in Gröden für eine Pause genutzt hat. Denn die Gesamtweltcupführende spürt genau, wann sie ihre Reserven – mental wie körperlich – wieder auffüllen muss.
Leisten kann sie sich das allemal, 466 Punkte lag sie vor dem Nachtslalom von Flachau vor ihrer slowakischen Rivalin Petra Vlhova, und die drittplatzierte Schweizerin Wendy Holdener hatte bereits 700 Punkte Rückstand.
Eine Rückkehr will Shiffrin im Riesenslalom am Kronplatz am kommenden Dienstag ins Auge fassen, und auch die Speedrennen in Cortina d’Ampezzo am darauffolgenden Wochenende stehen auf ihrem Fahrplan.
Die Rückkehrerin
Und noch ein Comeback soll in St. Anton folgen: Cornelia Hütter hat ihre in Lake Louise erlittene Knorpelfraktur an der rechten Oberschenkelrolle ausgeheilt und ist wieder schmerzfrei. „Ich bin sehr froh, dass sie wieder zurückkehrt“, sagt Jürgen Kriechbaum, „denn sie war ja unsere Leistungsträgerin Nummer eins in der Abfahrt, und das trotz der beiden Siege von Nicole Schmidhofer in Lake Louise und der Erfolge von Ramona Siebenhofer.“
Weiter in Geduld üben muss sich Sofia Goggia: Die italienische Olympiasiegerin in der Abfahrt wird nach ihrem im Oktober erlittenen Knöchelbruch wohl auch in Cortina nicht starten können.
Die Frage ist, ob in St. Anton gefahren werden kann: Das erste Training am Donnerstag ist wegen erheblicher Schneefälle schon abgesagt.