Santa-Caterina-Abfahrt für Reichelt "Raubbau am Körper"
Österreichs Ski-Herren haben am Dienstag ein erfreuliches Deja-vu-Erlebnis gehabt. Wie vor einem Jahr bescherte Santa Caterina den rot-weiß-roten Abfahrern den ersten Podestplatz im Ski-Winter. Der nur von Adrien Theaux bezwungene Hannes Reichelt freute sich dennoch primär darüber, den Höllenritt auf der grenzwertigen Piste heil überstanden zu haben - und stand mit dieser Meinung nicht alleine da.
Der Ausflug nach Italien knapp nach Weihnachten hat sich für die ÖSV-Herren also erneut gelohnt. Schon 2014 hatte sich die von den Männern damals erstmals befahrene "Deborah Compagnoni"-Strecke als Balsam für die zuvor in drei Rennen ohne Stockerlplatz gebliebene Speed-Abteilung erwiesen. Matthias Mayer war hinter dem US-Amerikaner Travis Ganong auf Platz zwei gerast, zudem hatten Otmar Striedinger, Romed Baumann und Reichelt die Ränge vier bis sechs belegt.
Extreme Verhältnisse
Heuer wiederholte sich die Geschichte - mit minimalen Veränderungen. So war es in Abwesenheit des verletzten Mayer Reichelt vorbehalten, als Zweiter den Knoten zu lösen. Hinter ihm wurden Baumann und Vincent Kriechmayr Fünfter bzw. Sechster. Für das zuvor beste Abfahrtsergebnis in der laufenden Saison hatte mit Platz vier in Beaver Creek ebenfalls Reichelt verantwortlich gezeichnet. Zuletzt in Gröden war er allerdings nur 26. gewesen.
"Es ist irgendwie gut, dass es solche Rennen gibt, wo man sich von solchen Tetschn wie in Gröden aufraffen und erholen kann. Sonst war es oft Bormio, jetzt ist es Santa Caterina", meinte der Salzburger, der zu dem Schauplatz eine zwiespältige Beziehung hat. Denn einerseits kommt ihm die schwierige, kurvige Strecke offenbar entgegen. Andererseits seien die Verhältnisse mit einer schlechten Bodensicht, atypisch heftigen Schlägen und enorm hohen Geschwindigkeiten heuer aber extrem gewesen.
"Heute bin ich eigentlich nur froh, dass ich heil unten bin. Wer das Rennen im Fernsehen gesehen hat, weiß wovon ich rede. Das Christkind hat es offenbar nicht gut mit uns gemeint", sagte Reichelt. "Jeder, der unten gesund abgeschwungen hat, hat Heldenstatus erreicht", erklärte auch Baumann, dem die Piste noch einmal brutaler als im Training vorkam. "Es hat um so viel mehr geklopft und geschlagen von oben bis unten."
Der Tiroler bezeichnete die Abfahrt, als eine der schwersten, die er bis jetzt erlebt hat. "Vielleicht war die Olympia-Generalprobe in Sotschi ähnlich zach, aber da hast du wenigstens etwas gesehen." Für Reichelt war das Maß an Action und Herausforderung am Ende vielleicht sogar eine Spur zu viel. "Alleine in unserem Team sind zwei Jungs nach Hause gefahren wegen Rückenproblemen. Das ist doch Raubbau an unserem Körper", sprach der 35-Jährige seine ÖSV-Kollegen Georg Streitberger und Patrick Schweiger an.
Zimmerkollegen auf dem Podest vereint
Auch Theaux, der das dritte Mal in seiner Karriere ganz oben auf dem Treppchen stand, war im Ziel noch gezeichnet von der knapp zweiminütigen Tortur. "Das war mit Sicherheit der härteste Sieg für meine Beine. Die Piste war so schwierig, so verrückt. Aber ich bin sehr, sehr glücklich", sagte der 31-Jährige.
Dass er den Österreicher Reichelt gemeinsam mit dem Dritten David Poisson sozusagen in einem französischen Sandwich verpackt hat, sei die Krönung eines fast perfekten Tages gewesen. "Es ist das erste Mal, dass ich mit meinem Zimmerkollegen auf dem Podium stehe. Skifahren ist zwar ein Einzelsport, aber dennoch trainieren wir zusammen und haben eine gute Stimmung im Team."
Das nächste Rennen im Programm der Abfahrer ist am 16. Jänner des neuen Jahres das Lauberhornrennen in Wengen. Dort werde wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen. "Die Klassiker sind wieder ganz etwas anderes von der Charakteristik", sagte Baumann. Bei ihm wie auch bei Reichelt zeigt die Formkurve jedenfalls nach oben, wiewohl Letzterer noch einiges an Arbeit vor sich sieht. "Ich bin einfach mit meinem Skifahren noch nicht ganz zufrieden." Trotzdem freue er sich schon auf die anstehenden Aufgaben.