Sport/Wintersport

Nackenschlag für Sonnyboy Reichelt

Der schnelle Blick auf die Ergebnislisten deutete nicht darauf hin, dass der schnellste Abfahrer der Gegenwart zuletzt als halber Sportinvalide über die pickelharten Eispisten gerast ist.

Hannes Reichelt ist der beste, weil mit Abstand konstanteste Abfahrer im Kalenderjahr 2014. Er war in den letzten drei Abfahrten nie schlechter als Zweiter: Er hat sich mit spektakulären Auftritten bei den schwierigsten Saisonbewerben in Bormio (2.), Wengen (2.) und Kitzbühel (1.) zum Topfavoriten auf Abfahrtsgold gemausert.

Diese sportliche Erfolgsstory steht in krassem Widerspruch zur Krankengeschichte von Hannes Reichelt: Unerträgliche Schmerzen im Rücken, Lähmungserscheinungen in den Beinen, ausgelöst durch ein daumengroßes Knorpelfragment, das sich von der Bandscheibe gelöst hatte. „Massenvorfall im Bereich des Lendenwirbels 11/5/1“, erklärt Michael Gabl, der den Kitzbühel-Sieger nur 48 Stunden nach seinem Triumph auf der Streif an der Bandscheibe operierte.

Operieren musste. Selbst die stärksten Schmerzmittel hätten Hannes Reichelt, der schon seit Monaten ein Kreuz mit dem Kreuz hat, diesmal nicht mehr geholfen. „Dieser Eingriff war dringend notwendig, darüber gab es gar keine Diskussionen“, stellte Dr. Gabl klar. Und: „Jede Form von sportlicher Belastung wäre grob fahrlässig gewesen.“

Form des Lebens

Mit Hannes Reichelt muss Österreich nun in Sotschi die sicherste Medaillenbank im Speed-Bereich vorgeben. „Für uns alle ist das ein extremer Schlag, weil Hannes gerade in der Form seines Lebens war“, meint Cheftrainer Mathias Berthold, der Joachim Puchner für den Pechvogel nachnominierte. Der Salzburger Speedspezialist kann in diesem Winter einen achten und einen zehnten Rang vorweisen und kam in Kitzbühel nur einmal in die Punkteränge (16. im Super-G).

Während Reichelts Kollegen bereits am Dienstag in Wien ihr Olympia-Outfit ausfassten, begann der Kitzbühel-Sieger in Innsbruck bereits mit der Therapie. „So eine Diagnose ist hart“, weiß Gabl, der dem niedergeschlagenen Salzburger („Dass es ihm psychisch nicht gut geht, ist klar“) Hoffnungen macht: „In drei Monaten wird es eine stabile Narbe geben und Hannes ist wieder voll belastbar.“ Sogar ein Start beim Weltcup-Finale in Lenzerheide sei bei optimalem Heilungsverlauf denkbar.

Lenzerheide ist für Reichelt freilich nur ein schlechter Ersatz für Sotschi.

Hannes Reichelt: Vom großen Sieger zum großen Verlierer