Hirscher bleibt die Nummer eins im Stangenwald
Österreich geht mit einer starken Herren-Slalomtruppe in den Olympia-Winter. Während die ÖSV-Damen in Levi von der 18-jährigen Debütantin Christina Ager "gerettet" werden mussten, machte der Doppelsieg mit Marcel Hirscher vor Mario Matt sowie Benni Raich auf Platz acht Hoffnung für Sotschi. Zudem lieferte Weltmeister Hirscher den Beweis, dass er nach wie vor die Nummer eins im Stangenwald ist.
Nach jahrelanger "Un-Beziehung" mit dem oben so flachen Lappland-Hügel am Polarkreis ließ Hirscher ein Jahr nach Platz zwei nun gleich eindrucksvoll seinen ersten Levi-Sieg folgen. "Bis vor zwei Jahren habe ich gedacht, ich brauche gar nicht mehr hierherkommen, weil ich eh keine Punkte mache. Das jetzt war keine schlechte Steigerung", stellte Hirscher nun zufrieden fest. "Hier zwei Mal am Podium zu stehen ist ein Riesenerfolg für mich."
Mit seinem 19. Weltcupsieg sowie dem zehnten Podestplatz in Spezialslaloms in Folge (mit den Vorjahres-City-Events sind es zwölf, mit WM-Slalom sogar schon 13) schob er sich auch bei den Rekord-Serien ins Spitzenfeld. Doch Hirscher ist sich bewusst, dass sein fast schon unheimlicher Lauf (seit Saisonstart 2012/13 in 24 Einzelrennen nur zwei Mal nicht auf dem Podest) irgendwann zu Ende gehen wird. "Fehler passieren und irgendwann wird es zu Ende sein. Aber es wird egal sein, die Serie steht ja."
Mehrfache Verantwortung
Hirscher ist erst 24, weiß aber aufgrund seiner Erfolge, dass es nicht mehr ganz so leicht ist, bedingungslos Vollgas zu geben. So wie der junge Norweger Henrik Kristoffersen (19) als Dritter in Levi. "Mit 18 war es mir auch egal ob ich ausfalle oder nicht. Heute ist es viel härter, 100 Prozent zu geben", weiß Hirscher. Denn wenn ich einen Fehler mache, gibt es ein Gewitter", fühlt der Salzburger die zunehmende Last der Verantwortung und öffentlichen Erwartungen.
"Umso schöner ist es, wenn man dem Druck standhalten und den Erwartungen gerecht werden kann. Besonders wenn man nicht genau weiß, wo man steht", erklärte der Slalom-Branchenprimus.
Außerdem trage er mittlerweile Verantwortung auch für sein Privatteam. "Mittlerweile hängen da viele Leute mit drin. Es wird teilweise ganz schön viel riskiert, was meine Person betrifft. Da gibt es schon viele Dinge im Background, die es zu Bedenken gibt", sagte Hirscher. "Aber ich hätte mir auch nichts vorzuwerfen gehabt. Ich habe ja im Sommer trainiert wie noch nie. Es ist saugeil, wenn das dann doch aufgeht."
Matt hat Reserven
Großes Hirscher-Lob kam auch vom Neo-Gruppenchef Marko Pfeifer: "Viel besser kann man hier nicht fahren", sagte der Kärntner in Levi. Umso mehr freute Pfeifer Platz zwei für Matt. "Denn er ist trotz allem dran an Marcel. Mario will es wissen und ist diese Saison ganz sicher gut für einen Sieg." Gleichzeitig ist der Coach aber auch sicher, in Levi noch nicht Hirschers endgültiges Gesicht gesehen zu haben. "Ich bin sicher, bei den steilen Klassikern ist Marcel noch stärker einzuschätzen."
Eine Herausforderung, die der um zehn Jahre ältere Matt sofort annahm. Dank perfekter Vorbereitung und Material-Tests ist der Weltmeister von 2001 und 2007 so stark wie lange nicht. "Perfekt ist es nur, wenn du gewinnst", machte Matt in Finnland klar, dass auch er noch Reserven hat. Speziell im Steilen. "Denn das war in Levi nicht das, was ich wirklich kann."
Meckern sei aber unangebracht. "Das wichtigste ist, am Start zu stehen und zu wissen, dass das Material passt und man angreifen kann. Das war in den vergangenen Jahren bei mir nicht immer so." Hirscher sieht Matt deshalb absolut in Griffweite. "Im Training war ich im Steilen genauso schnell wie er. Aber natürlich braucht es zwei Superläufe um ihn zu schlagen, denn er fährt brutal am Limit." Dass er ein Rentier um 0,62 Sekunden verpasste, entlockte dem erfolgreichen Züchter von Araberpferden nur ein Lächeln: "Ich habe daheim genug Tiere, die Heu fressen".
Bennis Erkenntnis
Auch Raich durfte Levi zufrieden verlassen. "Ich bin schnell, das ist dass Wichtigste", gab der 36-jährige Tiroler in Finnland zu Protokoll. Trainer Pfeifer war überzeugt: "Benni hat die Rückbesinnung auf den Slalom gut getan."
Während Raich und Hirscher dem restlichen Team erst in einer Woche in die USA folgen, bleiben die Slalom-Spezialisten wie Reinfried Herbst oder Manfred Pranger in der Heimat. "Im Flachen pfui, im Steilen hui", kommentierte Herbst Platz 13 in Levi. Die Pause bis Val d'Isere ist für Spezialisten immer zäh. "Aber ich hatte einen guten Formcheck und weiß jetzt, wo ich stehe."