Sport/Wintersport

Schlierenzauer überdeckt viele Schwächen

Nur gut, dass Andreas Kofler Österreicher und kein Deutscher ist. Er liefe sonst ernsthaft Gefahr, bei der anstehenden Vierschanzentournee (29. 12. bis 6. 1.) am Boden bleiben zu müssen. Seine 36. Position in der Weltcupwertung würde beim erstarkten Erzrivalen der Österreicher – sieben deutsche Skispringer liegen im Weltcup in den Top 26 – nie und nimmer für einen Startplatz reichen.

In Österreich freilich, in der Heimat der Superadler, muss sich Andreas Kofler keine großen Sorgen um sein Tournee-Ticket machen. So lange die meisten seiner Teamkollegen ähnlich flügellahm unterwegs sind, hat der 29-jährige Tiroler wenig zu befürchten.

Die Startplätze für die Vierschanzentournee waren hierzulande auch schon einmal umkämpfter. Sieht man einmal von Weltcupleader Gregor Schlierenzauer (zwei Saisonsiege) und dem lädierten Pechvogel Thomas Morgenstern (ein Saisonsieg) ab, drängt sich vor der Generalprobe in Engelberg kein österreichischer Adler für den ersten Saisonhöhepunkt auf.

Abwärtstendenz

Andreas Kofler, der Tourneesieger von 2010? Erst einmal in den Punkterängen.

Manuel Fettner, der Teamweltmeister von Val di Fiemme? Seit dem Weltcupauftakt nie besser als 25.

Wolfgang Loitzl, der Tourneesieger von 2009? Zwei 18. Plätze als Saisonbestmarke.

Stefan Kraft, der Aufsteiger des letzten Winters? Als 23. im Gesamtweltcup aktuell die Nummer drei im ÖSV.

Keinem aus diesem Quartett ist in diesem Winter bislang der Sprung in die Top 10 gelungen. Nicht von ungefähr liegen die Österreicher in der Nationenwertung hinter Deutschland und Japan nur an dritter Stelle und mussten sich im einzigen Teambewerb mit Rang fünf begnügen.

Eine Abwärtstendenz, die sich im Vorjahr bereits abgezeichnet hatte, als die Österreicher ihre Lufthoheit verloren und nach Jahren der Dominanz erstmals in der Nationenwertung gegenüber Norwegen das Nachsehen hatten. Damals hatte Rekordmann Schlierenzauer die Schwächen seiner Mannschaftskollegen überstrahlt – neben dem Tiroler Weltcupgesamtsieger landete kein ÖSV-Adler im Gesamtweltcup in den Top Ten.

„Die Zeiten, dass fünf Österreicher unter den ersten 10 landen, sind vorbei“, glaubt ÖSV-Sportdirektor Ernst Vettori. „Aber die Erfolge, die wir in der Vergangenheit hatten, waren auch nicht selbstverständlich und normal.“

Entwicklungshilfe

Tatsächlich ist der internationale Luftraum umkämpfter geworden. Das liegt zum einen an österreichischen Trainern, die der Konkurrenz auf die Sprünge geholfen haben: Werner Schuster bei den Deutschen, Alexander Stöckl bei den Norwegern. Das liegt aber auch an der Materialreform, die 2012 von der FIS lanciert wurde. Die neuen, hautengen Sprunganzüge haben die Kräfteverhältnisse verändert. „Du kannst dir keinen Fehler mehr erlauben, sonst bist du irgendwo um Platz 15“, erklärt Gregor Schlierenzauer.

Die meisten seiner Kollegen wären schon froh, wenn sie konstant diese Regionen anfliegen würden. „Ich weiß, dass ich das Skispringen nicht verlernt habe, ich muss jetzt eben den Weg der kleinen Schritte machen“, erklärt Andreas Kofler.

Doch es ist Besserung in Sicht: Aus der zweiten Reihe drängen junge Österreicher nach vorn. Im letzten Kontinentalcupspringen bewarben sich Michael Hayböck (1.), Manuel Poppinger (3.) und Thomas Diethart (6.) für ein Tournee-Ticket. Diethart darf als Belohnung in Engelberg abheben und wurde in der Qualifikation Dritter. „Wir sind oft kritisiert worden, weil die Jungen keine Chance kriegen. Jetzt können sie zeigen, was sie können“, sagt Ernst Vettori.