Sport/Wintersport

Rätselraten nach Ligetys Lehrstück

80 Helfer arbeiteten auch am Sonntag im Hochabteital fieberhaft, um eine größere Natur-Katastrophe zu vermeiden, während 70 ehrgeizige Sportler nichtsahnend mit ihren Verlierer-Schicksalen haderten. Nur einen Kilometer Luftlinie vom Weltcup-Hang entfernt hatten Geröllmassen vor drei Tagen vier Häuser zermalmt und 36 Personen obdachlos gemacht. Deshalb wirkt’s etwas unangebracht, nach dem Riesenslalom in Alta Badia von einem Erdrutsch-Ergebnis zu berichten. Jedoch:

Noch nie, auch nicht zu Alberto Tombas Zeiten, hat ein Riesenslalom-Sieger in Alta Badia die Konkurrenz so deutlich beherrscht wie am Sonntag Ted Ligety.

Noch nie seit Ingemar Stenmark (dessen einzigartige Karriere vor 24 Jahre endete) ist einem Läufer so eine eindrucksvolle Riesenslalomserie gelungen wie Hirscher: In einem Kalenderjahr bei neun Rennen alle neun Mal auf dem Podest.

Und noch nie in der Schweizer Skigeschichte hatte es bisher in einem Riesenslalom zu keinem einzigen Weltcup-Punkterl für die Eidgenossen gereicht. Sonntag schaffte es niemand von ihnen ins Klassement.

Ungleich mehr beschäftigt außerhalb des „Kanton Nullo“ die Frage, weshalb Ted Ligety dermaßen überlegen sein kann. Just der Mann, der über die Materialreform (schmälere, längere Skier) am meisten geschimpft hatte.

„Als einziger von uns allen“, sagt Marcel Hirscher, „schafft es Ted einen Hang von oben bis unten ohne einen Rutscher zu bewältigen.“ Nachsatz: Sofern die Torabstände so wie Sonntag drei Meter größer sind als in der Vorwoche in Val d’Isère, wo Hirscher gewonnen und Ligety über den Kurs gemault hatte ...

Den ersten Lauf von Alta Badia, auf dem Ligety allen davonfuhr, hatte pikanterweise ÖSV-Trainer Andreas Puelacher gesetzt. Bei der WM in Schladming, vermutet Hirscher, werde der Kurs ähnlich wie in Alta Badia, als o seinem US-Rivalen wie auf dessen Leib geschneidert sein. Die WM-Kurssetzer werden allerdings (per Los) erst bestimmt.

Vor der WM findet nur noch ein Riesenslalom (Adelboden) statt. Bis dahin wird weiterhin über die österreichische Aufstellung gerätselt und über den Verdacht diskutiert werden, wonach die großen Rückstände mit dem neuen Material zusammenhängen. Während des letzten Riesenslaloms-Drittels sind speziell sehr junge bzw. in die Jahre geratene Läufer bereits völlig erschöpft.

Selbst Ligety sieht sich gezwungen, mit den Kräften hauszuhalten. „Deshalb schnallt Ted beim Einfahren die Skier an, die uns die FIS vor dem Saisonstart verboten hat“, verrät Head-Rennleiter Rainer Salzgeber. Denn mit den erlaubten Renn-Skiern könnte Ligety niemals seine gewohnte „Aufwärmpraxis“ beibehalten. „Dann wäre auch Ligety schon vor dem Start groggy.“

Unabhängig von der optimalen Materialabstimmung profitieren Ligety sowie Atomic-Aushängeschild Hirscher von ihrer Akrobatik, die ihnen Schräglagen gestattet, aus der Konkurrenten nicht mehr herausfinden würden.

Mit einem bitteren Lächeln und den Worten: „Wahrscheinlich sollte man uns zu Weihnachten in die Skischule schicken“, verließ der ausgeschiedene Philipp Schörghofer den Zielraum .

Doch bei aller Selbstkritik Schörghofers - der WM-Dritte von 2011 ist kein Hauptschuldiger am - mit Ausnahme Hirschers - ernüchternden ÖSV-Abschneiden. Pleiten hatten dort schon Tradition, als Schörghofer ein Schulbub war. Seit 15 Jahren hat kein Österreicher mehr einen Riesenslalom in Alta Badia gewonnen. 

Herren-RTL in Alta Badia
1.  Ted Ligety (USA)             2:37,27   Min.    1:17.10  1:20.17
 2.  Marcel Hirscher (AUT)        2:39,31  2,04 1:19.50  1:19.81
 3.  Thomas Fanara (FRA)          2:40,54  3,27 1:19.84  1:20.70
 4.  Fritz Dopfer (GER)           2:41,49  4,22 1:21.52  1:19.97
 5.  Davide Simoncelli (ITA)      2:41,73  4,46 1:21.60  1:20.13
 6.  Alexis Pinturault (FRA)      2:41,75  4,48 1:19.82  1:21.93
 7.  Felix Neureuther (GER)       2:42,04  4,77 1:21.20  1:20.84
  .  Marcus Sandell (FIN)         2:42,04  4,77 1:20.80  1:21.24
 9.  Aksel Lund Svindal (NOR)     2:42,13  4,86 1:21.14  1:20.99
10.  Mathieu Faivre (FRA)         2:42,43  5,16 1:23.08  1:19.35
11.  Luca de Aliprandini (ITA)    2:42,49  5,22 1:22.41  1:20.08
12.  Christoph Nösig (AUT)        2:42,52  5,25 1:21.58  1:20.94
13.  Benjamin Raich (AUT)         2:42,55  5,28 1:20.01  1:22.54
14.  Cyprien Richard (FRA)        2:42,62  5,35 1:21.51  1:21.11
15.  Leif Kristian Haugen (NOR)   2:42,66  5,39 1:21.43  1:21.23
16.  Marcel Mathis (AUT)          2:42,68  5,41 1:20.86  1:21.82
17.  Tim Jitloff (USA)            2:42,83  5,56 1:22.31  1:20.52
18.  Matts Olsson (SWE)           2:42,99  5,72 1:22.31  1:20.68
19.  Manfred Mölgg (ITA)          2:43,12  5,85 1:20.94  1:22.18
20.  Kjetil Jansrud (NOR)         02:43,2 5,89 1:22.01  1:21.15
21.  Ivica Kostelic (CRO)         02:43,4 6,09 1:22.03  1:21.33
22.  Truls Ove Karlsen (NOR)      2:43,59  6,32 1:22.87  1:20.72
23.  Steve Missillier (FRA)       02:43,8 6,53 1:21.44  1:22.36
24.  Victor Muffat Jeandet (FRA)  2:44,11  6,84 1:23.06  1:21.05
25.  Hannes Reichelt (AUT)        02:44,1 6,86 1:22.12  1:22.01
26.  Florian Eisath (ITA)         2:44,20  6,93 1:22.95  1:21.25
27.  Andre Myhrer (SWE)           2:44,33  7,06 1:22.39 

1:21.94

 

Gesamtweltcup Herren
1.  Aksel Lund Svindal (NOR)   614
  2. Ted Ligety (USA)           508
  3. Marcel Hirscher (AUT)      460
  4. Kjetil Jansrud (NOR)       322
  5. Manfred Mölgg (ITA)        236
  6.  Felix Neureuther (GER)     216
  7.  Matteo Marsaglia (ITA)     209
  8. Werner Heel (ITA)         201
  9.  Alexis Pinturault (FRA)    196
 10.  Hannes Reichelt (AUT)     189
 11.  Erik Guay (CAN)           182
 12.  Adrien Theaux (FRA)       167
 13.  Matthias Mayer (AUT)      161
 14.  Joachim Puchner (AUT)      159
 15.  Johan Clarey (FRA)        156
     Weiter:    
 17.  Klaus Kröll (AUT)          151
 23.  Max Franz (AUT)            112
 24.  Georg Streitberger 108
 25.  Florian Scheiber 105
 32.  Benjamin Raich 86
 34.  Christoph Nösig 85
 36.  Marcel Mathis  83
 42.  Manfred Pranger  62
 46.  Reinfried Herbst 58
 52.  Romed Baumann 48
 64.  Mario Matt      32
 69.  Wolfgang Hörl   29
 73.  Philipp Schörghofer 26
 84.  Johannes Kröll 16
103.  Frederic Berthold 8
   .  Manuel Feller (alle AUT)     8

 

Riesentorlauf-Weltcup Herren
 1.  Ted Ligety (USA)           360
 2.  Marcel Hirscher (AUT)       320
 3.  Manfred Mölgg (ITA)         162
 4.  Thomas Fanara (FRA)         146
 5.  Aksel Lund Svindal (NOR)    109
 6.  Davide Simoncelli (ITA)     105
 7.  Stefan Luitz (GER)          100
 8.  Felix Neureuther (GER)      100
 9.  Alexis Pinturault (FRA)      88
10.  Fritz Dopfer (GER)           86
11.  Christoph Nösig (AUT)        85
12.  Marcel Mathis (AUT)          83
13.  Kjetil Jansrud (NOR)          79
14.  Hannes Reichelt (AUT)         76
15.  Massimiliano Blardone (ITA)   74
    Weiter:    
18.  Benjamin Raich (AUT)         59
30.  Philipp Schörghofer (AUT)    26
31.  Romed Baumann (AUT)           25
35.  Matthias Mayer (AUT)         15

Nach der schwersten Abfahrts-Schlappe seit 2009 am Samstag in Gröden ist für die ÖSV-Speedpiloten ein Sondertraining auf der Schladminger WM-Piste vorgesehen, ehe es am 29.Dezember in Bormio die letzte Chance im alten Jahr für den ersten österreichischen Speed-Saisonsieg geben wird. Mit Platz 13 war Joachim Puchner auf der Saslong noch der beste Rennläufer im rot-weiß-roten Team gewesen. Gröden-Sieger Steven Nyman (USA) gibt hingegen fair zu, dass er seinen Erfolg auch der günstig hohen Startnummer 39 („Ich hatte bessere Sicht“) und seinem Südtiroler Fischer-Servicemann verdanke.

Mehr gehänselt werden die ÖSV-Läufer, weil der Niederländer Marvin van Heek, der mit Startnummer 53 noch auf Platz acht fuhr, schneller als sie alle war. Der 21-Jährige trainiert allerdings das ganze Jahr über mit den Franzosen und ist in Holland angeblich seltener anzutreffen als Marcel Hirscher, dessen Mama aus Den Haag stammt.