Sport/Wintersport/Olympia 2018

Abfahrtspiste: Umstrittenes Millionen-Projekt

Das offizielle Training auf den Olympia-Anlagen beginnt nach mitteleuropäischer Zeit in den frühen Mittwoch-Morgenstunden. Die Skispringer dürfen auf der Normalschanze üben (Bewerb am Samstag, 13.35 MEZ); die Biathleten dürfen schon über die Loipen flitzen, die über einem Golfplatz angelegt sind, weshalb die Techniker gefragt sind, weil oft Sand im Schnee ist (Frauensprint am Samstag, 12.15 Uhr); die Rodler dürfen in den Eiskanal (Lauf eins und zwei im Männer-Einsitzer am Samstag, ab 11.10 Uhr).

In der Nacht auf Dienstag wird es dann für Österreichs Abfahrer mit dem ersten Trainingslauf (3 Uhr MEZ) erstmals ernst. Die erste Entscheidung bei den alpinen Skifahrern fällt in der Herrenabfahrt in der Nacht auf Sonntag (3 Uhr MEZ). Die Piste im Wintersportort Jeongseon am Berg Gariwang, 40 Autominuten von Pyeongchang entfernt, ist jedoch eines der umstrittensten Projekte dieser Spiele.

Großer Respekt

Dabei hatte Pistenbauer Bernhard Russi sogar einen Umweg eingebaut. "Wenn Sie die Olympiaabfahrt in Südkorea sehen, dann können Sie einen besonderen Baum entdecken", sagte der Schweizer einst im KURIER-Interview. "Angeblich sind Frauen, die keine Kinder kriegen können, zu diesem Baum gepilgert und haben dort übernachtet. Und dann sind sie plötzlich schwanger geworden. Darum haben wir die Piste verlegt. Ich habe Höllenrespekt vor der Natur."

Und dennoch wurde gerodet. Das Umweltministerium hatte den teilweise 500 Jahre alten Wald unter Naturschutz gestellt. Weil es in der Gegend aber nur einen Hang gab, in den einen Abfahrtspiste mit dem vorgeschriebenen Höhenunterschied von 800 Metern geschlagen werden konnten, wurde der Naturschutz kurzerhand aufgehoben. In den dichten Laubwald wurde eine breite Schneise geschlagen. Zwischen 60.000 und 100.000 Bäume wurden gefällt, 5000 von ihnen waren über acht Meter hoch. Und was ist mit den Menschen? Wegen der beiden Hotels wurde ein Dorf umgesiedelt, 35 Familien waren betroffen. Der Spiegel sprach in seiner Reportage mit einem Bewohner. Maeng Gwang Young sagte dem deutschen Magazin: "Wir Koreaner ticken so, dass wir Regierungsentscheidungen befolgen." Aber der 48-Jährige entschied sich doch zum Aufstand, er bekam sogar eine Entschädigung für sein Haus. Die reichte aber nicht einmal für den Kauf eines neuen Grundstücks.

Und das alles für vier Speed-Entscheidungen. 160 Millionen Euro soll die drei Kilometer lange Piste gekostet haben, die (inklusive alpiner Kombinationen) nur an sechs Wettkampftagen genutzt werden wird – und die nicht einmal den Athleten gefällt. Bei der Generalprobe vor zwei Jahren jammerte der Italiener Christof Innerhofer: "Abfahrt heißt Geschwindigkeit. 140, 150 km/h. Hier fahren wir in den schnellsten Passagen 96."

Die Sprünge hingegen gingen beim ersten Test über 50, 60 Meter weit. "Aber unser Disziplin heißt nicht Springen, sondern Abfahrt."

Für die südkoreanischen Freizeit-Sportler hingegen ist die Piste zu steil. Es deutet daher viel darauf hin, dass nach den Spielen die Seilbahn bis zum Berggipfel und die Lichtmasten wieder abgebaut werden. Die Kosten für die Neubepflanzung werden auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Aber nicht nur die Kosten machen die Rückführung zur Natur unwahrscheinlich. Es wurden zwar schon 200 Bäume nachgepflanzt, doch die finden in dem Boden zu wenig Halt.