Kuttin ermittelt: Krise im rot-weiß-roten Adlernest
Von Christoph Geiler
Nach der Flaute kam prompt der Sturm. Der große Sturm der Entrüstung. Wie tief die ehemaligen österreichischen Höhenflieger in diesem Winter doch gesunken sind; wie weit weg die ÖSV-Springer bei diesen Spielen von der Konkurrenz und den Medaillen waren; und nicht zuletzt was für ein schlechter Trainer Heinz Kuttin doch sei.
Wäre der 47-Jährige ein Fußballcoach, er wäre heute wohl bereits seinen Job los, nachdem seine Springer erstmals seit 2003 bei einem Großereignis leer ausgegangen sind. Aber ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hatte dem Kärntner schon vor dem Teamspringen demonstrativ den Rücken gestärkt. "Den Kuttin schmeißen wir nicht hinaus."
Wohl auch deshalb, weil Schröcksnadel weiß, dass der Einfluss eines Skisprungtrainers begrenzt ist und er gewissen Phänomenen dieses Sports machtlos gegenübersteht. Aber auch deshalb, weil es schlicht an Alternativen mangelt. Alle interessanten Trainer mit Österreich-Bezug stehen unter Vertrag. Alexander Stöckl in Norwegen, Werner Schuster in Deutschland, Stefan Horngacher in Polen – bei jenen drei Nationen also, die sich in PyeongChang alle Skisprung-Medaillen untereinander aufgeteilt hatten.
Klartext
Heinz Kuttin versteckte sich nicht am Tag nach dem Teambewerb und seiner Manöverkritik. "Beschämend", sagte der Kärntner und kritisierte vor allem die Routiniers Manuel Fettner und Gregor Schlierenzauer. Im Interview mit dem KURIER redet der umstrittene Coach Klartext. Heinz Kuttin über ...
... den Ausbruch nach dem Teamspringen
"Es war kein emotionaler Ausbruch, sondern das Ergebnis von dem, was sich über die letzten Wochen aufgestaut hat. Wir haben große Ansprüche, aber die Leistung war nur mittelmäßig. Ich bin mit den Leistungen von Gregor Schlierenzauer und Manuel Fettner nicht zufrieden. Ich war voll am Punkt und habe eine klare Meinung. Und wenn ich die als Cheftrainer nicht abgebe, dann bin ich fehl am Platz."
... Kritik an seiner Person
"Natürlich wird jetzt der Kopf des Cheftrainers gefordert. Das ist jetzt aber der falsche Zeitpunkt. Wir müssen und werden alles hinterfragen. Wie kann es sein, dass wir im letzten Winter große Erfolge feiern und heuer nicht? Es muss vieles auf den Tisch, und das muss man in Ruhe analysieren. Wie kann es weitergehen? Eines ist uns klar: Es muss sich etwas ändern."
... Fehler in der Vorbereitung und während der Saison
"Wenn ich jetzt sagen würde, dass wir alles richtig gemacht hätten, dann wäre das unglaubwürdig. Andererseits: Wenn du mitten in der Saison versuchst, alles umzukrempeln, dann bist du verkauft. Das
Coaching war sicher nicht immer das Beste. Wir haben den Athleten sehr viele Möglichkeiten gegeben, individuell zu trainieren. Die Frage stellt sich, ob das der richtige Weg war."
... die Leidensfähigkeit eines Trainers
"Die Arbeit kann im Moment keinen Spaß machen. Seit der
Tournee ist es furchtbar zäh, du probierst immer wieder, das Positive hervorzuheben, obwohl es teilweise echt schwierig ist. Das setzt uns allen zu. Wenn du mit Herz bei der Sache bist, dann geht dir das nahe."
... die Rückendeckung von Präsident Schröcksnadel
"Für mich persönlich ist es super. Wenn man alles nur am Erfolg aufhängen würde, müsste er jetzt sicher sagen: ,Selbstverständlich müssen wir uns trennen.‘ Aber es geht auch um die Art und Weise, wie man arbeitet. Darum, wie man sich gibt, wenn es schlecht läuft und umgekehrt auch im Erfolg. Ich weiß nicht, warum er mir so den Rücken stärkt, aber mich macht das stolz. Und das ist sicher der Lohn meiner Art und Weise. Nicht der Arbeit."
... erste Konsequenzen in diesem Winter
"Ich habe schon einen Plan im Kopf. Leistung muss her, ganz klar. Und wenn die nicht am Punkt ist, dann werden wir uns sicher überlegen, wie und mit welchen Leuten wir die restliche Saison beenden."
... Gregor Schlierenzauer
"Es ist gut, wenn man so erfahrene und erfolgreiche Athleten in seinen Reihen hat. Aber wenn ein anderer gerade besser ist, dann muss der auch starten. Alles andere wäre ungerecht und unglaubwürdig. Ich stehe für das Leistungsprinzip, Namen zählen dann nicht."
... die Stimmung im Team
"Dass man in der Situation viel schlucken muss und keine positiven Emotionen hat, ist klar. Mir fehlt es, dass sich die Sportler gegenseitig pushen. Das geht mir ab. Die nötige Aussprache machen wir, wenn wir alle wieder runtergekommen sind."