Sport/Wintersport

Hirscher holt Luft für das Finale

Der 14. Saison-Podestplatz im Weltcup war einer der wichtigsten in diesem Winter für Marcel Hirscher. Dank Platz zwei im Garmisch-Riesentorlauf verlor der österreichische Weltcup-Titelverteidiger trotz Virus-Infektion übers Wochenende nur fünf Punkte auf Verfolger Aksel Lund Svindal. Allerdings kann der acht Rennen vor Schluss 209 Zähler zurückliegende Norweger am kommenden Speed-Wochenende in Kvitfjell mit einem "Zweihunderter" wieder ganz nahe an Hirscher herankommen.

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Die Vorteile liegen immer noch leicht beim norwegischen Abfahrts-Weltmeister. Svindal hat mit dem Riesentorlauf eine dritte starke Disziplin im Köcher, während Hirscher "nur" Slalom und Riesentorlauf fährt. "Disziplinen, in denen man zudem viel leichter ausscheiden kann", warnte der Österreicher.

Konstanz

Der Trumpf des Technik-Spezialisten aus Annaberg ist vielmehr die Konstanz. 16:14:6 lautet sein Verhältnis im Weltcup an Starts, Podiums und Siegen, 18:16:7 sogar inklusive der beiden WM-Einzelrennen. "Wenn mir weiter alles aufgeht, habe ich natürlich gute Chancen. Aber alleine die Routine gibt Aksel an sich die besseren Karten", glaubt Hirscher dennoch.

War im Vorjahr der Schweizer Beat Feuz Hirschers großer Finalgegner, heißt er diesmal Svindal. Der Norweger schanzt allerdings seinerseits dem Titelverteidiger aus Salzburg schon seit dem Saisonbeginn die Favoritenrolle zu und weicht von dieser Marschroute auch jetzt nicht mehr ab. Gut möglich also, dass es wie im Vorjahr beim Finale wieder auf den Super-G ankommt und sich Hirscher am Ende doch noch einmal auf die schnellen Ski schwingen muss.

Umso wichtiger waren die 80 Punkte von Garmisch. Dass Hirscher trotz "Bauchweh" auf Platz zwei fahren konnte, hatte er zu einem guten Teil Felix Neureuther zu verdanken. Der Deutsche hatte am Vorabend dem erkrankten Österreicher seinen Vertrauens-Osteopathen empfohlen, Hirscher dadurch seinen akuten Magen-Darm-Virus in den Griff bekommen. Ein Startverzicht Hirschers wäre womöglich vorentscheidend gewesen.

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Dank an Neureuther

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„Es ist nicht normal, dass ein Konkurrent seinen Vertrauensheiler verrät. Auch wenn wir Freunde sind", zeigte sich Hirscher tief beeindruckt und dankbar. „Ich hätte daher gern auf Platz zwei verzichtet, wenn Felix dafür gewonnen hätte. Ihm gehört mein großer Dank."

Jetzt kann Hirscher Kvitfjell "beruhigt auslassen". Und sich in eine kurze Pause verabschieden, in der er die Folgen der WM-Anstrengungen endgültig auskurieren und am Samstag seinen 24. Geburtstag feiern kann. Eine große Party wird es aber wohl nicht geben. Zu sehr haben die Tage bis und während der WM gezehrt. "Sich nach so einem Höhepunkt wie Schladming neu motivieren zu können, ist sehr schwer."

Fast schon aufgegeben hat der Österreicher die Verteidigung der Riesentorlauf-Kugel, denn in dieser Disziplin hat Ted Ligety die klar besseren Karten. Hirscher ist dafür Favorit im Kampf um Slalom-Kristall. Dem zweiten großen Ziel neben dem neuerlichen Gewinn der Weltcup-Gesamtwertung.

"Es ist schon genial, dass ich im darauffolgenden Jahr gleich wieder eine große Rolle im Kampf um die große Kugel spielen darf", gab sich Hirscher aber abgeklärt. Angesichts des bereits Erreichten sei es aber leicht verschmerzbar, sollte es mit dem Gesamtsieg diesmal doch nicht klappen, beteuerte er.

Schützenhilfe aus dem ÖSV-Lager

In Norwegen kann Hirscher außerdem auf die Schützenhilfe seiner in Garmisch wiedererstarkten Speed-Kollegen hoffen. Klaus Kröll liegt als Vierter der Abfahrtswertung nur noch 38 Punkte hinter Spitzenreiter Svindal und hat die Verteidigung der kleinen Kugel noch nicht abgeschrieben.

"Ich bin in Schlagdistanz. Wichtig ist, den Druck aufrecht zu erhalten, denn so lange lebt die Chance", erklärte Kröll und gab sich zuversichtlich, Svindal in Norwegen Punkte wegnehmen zu können. "Kvitfjell mag ich besonders gerne. Dominik Paris, Svindal und ich, wir werden dort richtig stark sein."

Sie haben gepostet, dass Sie seit der WM sogar im Stau stehend von anderen Autofahrern gegrüßt und fotografiert werden. Gefällt Ihnen das?

Hirscher: "Es ist wirklich bemerkenswert, was da passiert. Vielleicht sollte ich mir ein Auto ohne Aufkleber zulegen.“

Was haben Sie in den ersten Tagen nach dem Slalom-WM-Titel gemacht?

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"Geschlafen. Ich glaube, dass ich den WM-Stress ein wenig unterschätzt habe. Ich hab' geschlafen, aber das ist eher mein Hauptproblem, denn ich habe fast nur geschlafen. Das ist aber auch kein Wunder, ich habe ja mein Programm seit dem Sommertraining in Neuseeland durchgezogen.“

Waren die aktuellen gesundheitlichen Probleme ein Tribut an die Anstrengungen der vergangenen Wochen?

"Mit Schladming ist eine Riesenlast abgefallen. Es ist schier abnormal, was in diesen 14 WM-Tagen alles gefordert wird. Im Weltcup gibt es Ausnahmegenehmigungen, bei einer WM stehst du selbst am Renntag noch um neun Uhr am Abend vor den Mikrofonen. Und das tagtäglich.“

Wie war das nach dem Wahnsinns-WM-Sonntag in Schladming? Macht sich dann da am nächsten Tag eine gewisse Leere breit, wenn plötzlich alles vorüber ist?

"Wenn, dann war es eine positive Leere. Eine Erleichterung darüber, dass sich die ganzen Mühen gelohnt haben und die Pläne gegriffen haben. Dass man es am Tag X umsetzen konnte. Das war ein cooles Gefühl. Speziell wenn man dann Zeit hat zum Fernsehen und dann zufällig (lacht) die Wiederholung des WM-Slaloms sieht. Die ganze Dramaturgie und was da los ist, das ist schon ein sehr schönes Gefühl.“

Wie oft haben Sie sich den WM-Slalom angesehen?

"Fünfzig Mal. Den zweiten Durchgang.“ (lacht)

Haben Sie dabei neue Erkenntnisse gewonnen?

"Ja. Dass ich einige Male ganz schön Glück gehabt habe. Ich fand es total spannend, mir selbst zuzuschauen. Es ist ein Wahnsinn, dass mir das gelungen ist. Ich wurde und werde jedes Mal wieder nervös, wenn ich sehe, wie ich an den Start gehe. Das beeindruckt mich selbst.“

Jetzt geht es im Weltcup um alles. Haben Sie Sorge, dass Ihnen die Gesundheit einen Streich spielt?

"Das wäre schade. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe den Rat meiner Mama, mich immer warm anzuziehen, stets befolgt (lacht). Was ich meine ist, dass ich immer darauf geachtet habe, dass ich meinem Körper Ruhe gönne und dass ich möglichst viele Pausentage habe. Aber der primäre Fokus war natürlich auf der WM. Dieses eine Rennen in Garmisch habe ich noch durchgedrückt, weil ich danach zwei Wochen Zeit habe. Das war mein Rettungsanker. Wenn es durchginge, ginge mir sicher irgendwann die Luft aus.“

Verfolger Aksel Lund Svindal spielt Ihnen seit dem Saisonbeginn die Weltcup-Favoritenrolle zu. Wie sehen Sie das?

"Er hat doch jetzt viel mehr Chancen als ich. Alleine seine Routine und seine Erfahrung geben ihm die besseren Karten. Er macht sicher auch im Riesentorlauf seine Punkte. Ich seh’s aber relativ entspannt. Es ist doch klar, dass er alles auf mich schiebt in der Hoffnung, dass der Druck auf mich übergeht. Er lenkt von seiner Jägerrolle ab. Es wird aber noch extrem spannend. Aksel ist speziell in Kvitfjell eine Bank, dort hat er noch nie ausgelassen.“

So schlecht sind Ihre Karten aber auch wieder nicht. Vor allem die Konstanz mit bisher 16 Podestplätzen in 18 Saison-Einzelrennen ist beeindruckend, oder?

"Klar. Wenn mir alles aufgeht und die Saison so weitergeht, habe ich natürlich gute Chancen. Es ist schon genial, dass ich im darauffolgenden Jahr gleich wieder eine große Rolle im Kampf um die große Kugel spielen darf. Aber wenn es nichts wird, wäre das in so einem Jahr mit drei Medaillen und dem Doppelweltmeistertitel relativ leicht zu verkraften.“

Wer Sie kennt weiß, dass Sie bis zum Schluss alles versuchen werden. Richtig?

"Natürlich werde ich alles versuchen, um die Chance zu nutzen. Alles andere wäre grob fahrlässig. Wer weiß, ob ich so eine Chance jemals wieder kriege. Aber es gibt natürlich Wichtigeres als zum zweiten Mal die Kugel in Folge zu holen. Ich bin heuer schon so reich belohnt worden. Ich hätte nie gedacht, dass ich so was schaffen werde, vor allem unter den ganzen Vorzeichen und den riesigen Erwartungen. Ich möchte es also easy angehen.“

Wird es auf ein ähnlich dramatisches Szenario wie im Vorjahr beim Finale hinauslaufen?

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"Kann sein. Und ob ich nochmals so viel Glück habe wie damals, dass alles zusammenspielte, wird sich erst herausstellen. Ich hatte im Vorjahr auch Glück, bin aber sicher auch zurecht Gesamtsieger geworden.“

Damals haben Sie es am Ende über den Super-G zu ihren Gunsten gedreht. Einer Disziplin, die Sie schon diesen Winter zum dritten Standbein machen wollten, dann wieder fallen gelassen und bei der WM zum "Reizthema" gemacht haben. Wird der Super-G womöglich beim Finale wieder zum „Joker?"

"Es war kein Fehler, dass ich das von Saisonbeginn an akribisch angegangen bin. Wer weiß, wofür das gut war. Allerdings weiß ich über den Super-G in Lenzerheide nichts. Außer, dass Stephan Görgl dort ziemlich gut war und er war ein Super-Techniker. Ich werde mir das mal auf Youtube anschauen. Aber noch bin ich ja nicht so weit.“

Sie werden am kommenden Samstag 24 Jahre alt. Steigt eine große Party?

„Nach dem jetzigen Stand der Dinge eher nicht."